Inhaltsverzeichnis
1. Vorwort
2. Die 7 Grundsätze der Selbstsicherheit
3. Stefan
4. Ernesto
5. Die Reise der Herausforderung
6. Wie im Innen, so im Außen
7. Plus und Minus: alte Gefühle
8. Sybille
9. Die Übernahme
10. Sybilles Taktik
11. Das Aufräumen
12. Der innere Kampf
13. Was wirklich geschah
14. Stefans 10-Punkte-Programm
15. Achtung, Glaubenssätze!
16. Die Anwendung
17. Glossar
18. Literaturverzeichnis
19. Seminare, Bücher, Informationen
3. Kapitel: Stefan
Wir lernen Stefan Komzkurz kennen, der die Hauptfigur
unserer Geschichte ist. Er ist knapp 50 Jahre alt und Inhaber
einer Firma, die er einst gegründet hat und deren beste
Zeiten längst vergangen sind. Ausgebrannt, lustlos und
müde schleppt er sich wie jeden Morgen in die Arbeit.
Hier sehen Sie einen Menschen, der seine Selbstsicherheit
großteils eingebüßt hat und immer mehr in einen elenden
Zustand verfallen ist.
Achten Sie beim Lesen darauf:
? Wie verhält sich Stefan?
? Wie denkt er, was denkt er?
? Welche Grundeinstellung beobachten Sie bei ihm?
? Welche Emotionen hat er?
? Welche körperlichen Symptome fallen Ihnen auf?
? Wie reagiert er auf Unvorhergesehenes (den Anruf)?
? Warum reagiert er so?
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3. Stefan
"Die ins Leben gekommene Sinnlosigkeit ist still. Es ist ruhig
geworden im Herzen. Das, was mich früher am Morgen aus
dem Bett katapultierte, ist weg. Die Ideen, die Lebendigkeit
generierten, sind verstummt. Der Flow, an den ich mich -
wenn auch nur schwach - noch erinnern kann, ist nur noch
schemenhaft vorhanden, wenn überhaupt. Bei dem
Gedanken, etwas zu bewirken, ist nur eine dichte Wand aus
Trauer spürbar. Fest und schwer, so fühle ich mich. Es ist
irgendwie alles nicht wirklich etwas Besonderes ."
Eingeschlossen in einem Ring aus Trauer und Ohnmacht,
wankte Stefan aus dem Haus und fuhr in seine Firma.
"Guten Morgen, Stefan!", rief der Pförtner in derselben
Tonlage, in der er es jeden Morgen tat.
"Ja, ja, ist gut", antwortete er, genervt und gestört von der
Akustik seiner Stimme. Allein diese Figur hinter der Glaswand
schon anschauen zu müssen war unangenehm, einfach
ungut. Wie jeden Morgen parkte er seinen Wagen in der
Tiefgarage, griff schnell seine Aktentasche und das Handy
vom Beifahrersitz, fuhr mit dem Fahrstuhl in den ersten Stock,
durchquerte den Flur, betrat sein Büro, warf die Tasche auf
den Schreibtisch und schaltete den Computer ein. Alles lief
wie ferngesteuert in immer gleicher Mechanik ab.
"Seid ihr alle endlich angekommen?", murmelte Stefan,
während er sich im Konferenzraum seiner Firma umschaute
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und hoffte, dass alle anwesend waren. Er kontrollierte das
schon lange nicht mehr. Es sah aber so aus, als ob die
Teilnehmer es hinbekommen hätten.
"Ja, alle da", lispelte der Sprecher der Gruppe etwas
zaghaft. Zu gut hatte er Stefans Groll beim letzten
Motivationsgespräch in Erinnerung, es war in eine einzige
Schreierei ausgeartet.
"Wer hat denn heute was zu berichten ...", grunzte Stefan
unfreundlich in die Runde, in Gedanken schon beim
Rotwein, mit dem er sich abends vor dem Fernseher
zudröhnte. Die tägliche Entspannung.
Was er im Team hörte, berührte ihn nicht. Weder interessierte
es ihn, noch hörte er richtig zu. Alles lief unwirklich, wie ein
Film vor ihm ab. Manchmal nickte er, um ein Zeichen zu
geben, dass es ihn gab und er da war, zumindest sollten die
anderen das glauben. Manchmal murmelte er auch einen
Kommentar, aber das strengte ihn schon richtig an.
Das morgendliche Meeting endete, die Teilnehmer verließen
still den Raum und verteilten sich im Gebäude. Stefan sah
ihnen an, wie sie sich einzusetzen versuchten, aber es war
ihm egal. Mit seinen knapp 50 Jahren fühlte er sich wie 80.
Seine Zeit schien irgendwie um zu sein. Der Gedanke
machte ihn traurig, aber dann kam sofort wieder dieses
Gefühl der Leere.
"Ich glaub', ich hab' ein Burn-out", dachte er. Schwerfällig
erhob er sich und kehrte in sein Büro zurück. Ihm fiel auf, dass
er etwas wankte, als hätte er einen Schnaps getrunken.
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"Ja, das ist es! Endlich eine Idee, die es sich umzusetzen
lohnt. Leider finde ich niemanden, der sich mit mir in mein
Büro einschließt und mit mir nutzlos ist ."
Ja, "nutzlos", das war das am allermeisten gebrauchte Wort
seiner sinnlosen Überlegungen, wenn sie denn überhaupt
auftauchten. Nutzlos sein, das war es. Ja, er war nutzlos. Und
seine Leute waren es auch, eigentlich war keiner von Ihnen
von Nutzen. Und Stefan hatte längst den Blick fürs
sogenannte Ganze verloren.
Was taten sie denn schon? Herumtun, als wären sie wirklich
beschäftigt, klug daherreden, sie waren allesamt nutzlose
Figuren in seiner Firma! "Eigentlich wollen sie nur mein Geld,
diese Typen", grollte er.
Das Telefon riss ihn aus seinen Gedanken. Er ließ es länger als
normal klingeln in der Hoffnung, dass der Anrufer auflegen
würde. "Was weiß ich, wer mich da stört ." Doch es
klingelte weiter.
"Ja bitte, wer ist am Apparat?", antwortete Stefan
gezwungen freundlich und ohne sich wie normal mit seinem
Namen zu melden. In seinem Zustand vergaß er immer
wieder Kleinigkeiten.
"Mein Name ist Ernesto Gudwil. Ich rufe wegen des
Stellenangebots an. Sie suchen doch einen Manager für
Personalangelegenheiten?"
"Ja, das ist richtig." Stefan räusperte sich und setzte sich
gerade hin, um zumindest körperlich in seine Chefposition zu
kommen. Aber er war in diesem Moment überhaupt nicht
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für so etwas bereit. Sein Blick schweifte kurz auf den
Terminkalender, der noch gar nicht für den heutigen Tag
aufgeschlagen war.
"Ich wollte Sie fragen, wann ich mich vorstellen darf."
"Oh ja", heuchelte Stefan noch etwas gekonnt, so wie in
seinen alten Tagen, in denen er aktiv gewesen war. Ohne zu
begreifen, was geschah, fuhr er fort: "Schicken Sie doch
zuerst mal Zeugnisse und all das, Sie wissen schon."
"Ich würde Ihnen meine Qualifikation lieber persönlich
zeigen", entgegnete der Anrufer. "Wissen Sie, Papier ist
geduldig. Ich mache das nicht so. Es ist zwar gängig, etwas
zu lesen, was andere über einen geschrieben haben. Vor
allem dann, wenn es gut bezahlt wurde, ein gutes Zeugnis zu
bekommen, oder wenn es gut abgesprochen wurde, was
darin stehen sollte. Deshalb gehe ich nicht diesen Weg. Ich
möchte Sie lieber sprechen, das gibt Ihnen auch gleich
einen viel weiteren Blick auf mich."
"Nein! Wir sind ein ordentliches Unternehmen."
"Was meinen Sie mit 'ordentlich'?"
Fix nochmal! Was war denn mit dem los? Stefan ging es
schlecht, und der Anrufer wollte auch noch etwas von ihm!
"Also, Herr ., wie war noch gleich der Name?"
"Ernesto Gudwil."
"Herr Gudwil, mit 'ordentlich' meine ich das, was üblich ist,
das kennen Sie doch." Diese Worte schob er vor sich her wie
ein Schneepflug seine schwere Ladung.
"Was ist das, was üblich ist? Ist es das, was andere sagen,
was sein soll oder was in Ordnung ist? Was ist das Übliche?"
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Oh, der Kerl regte Stefan auf! Er richtete sich in seinem
Ledersessel weiter auf. Le Corbusier, bestes Leder, das tat
seinem Seidenanzug gut.
"Jetzt hören Sie mal zu!", donnerte Stefan mit künstlich
aufgeputzter, inhaltsloser Stimme. "Wie reden Sie eigentlich
mit mir? Sind sie wahnsinnig, so mit mir umzugehen? Ich bin
der hochwohlgeborene Stefan Komzkurz!"
"Ich höre Sie sehr lebendig", antwortet Ernesto ruhig, "wann
sehen wir uns nun?"
Stefan schaute sich nebenbei im Raum um und erkannte
etwas mehr von seiner Firma, in der er war. Außerdem war er
schon langsam wütend, er fühlte sich allerdings jetzt mehr
als nur tot und leer wie zuvor. "Dieser Depp!" Es zischelte nur
so durch seine Gedankenwelt. "Was mach' ich nur?"
"Okay, dann kommen Sie nächsten Dienstag um 10.00 Uhr
vorbei. Aber achten Sie darauf, ich habe nur wenig Zeit für
Sie", hörte er sich antworten. Das sagte er immer, wenn er
unsicher war und eigentlich nicht wollte.
Nach diesem Gespräch flanierte Stefan eine Runde durch
die Firma und schaute streng vor sich hin. Er kam sich gut
dabei vor, denn er war ja wer. "Dieser blöde Ernesto Gudwil!
Wie kann man nur so heißen! Na ja, dann habe ich
wenigstens etwas zu tun."
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Vertiefende Fragen und Aufgaben
1. Stefan befindet sich in einem sehr schlechten
Allgemeinzustand. Haben Sie so etwas, vielleicht auch
ansatzweise oder in einer milderen Form, auch schon einmal
erlebt (bei sich selbst oder in Ihrem Umfeld)?
2. Wie versucht Stefan, nach Außen selbstsicher zu
erscheinen? Haben Sie ein solches Verhalten auch schon
einmal erlebt (bei sich selbst oder bei anderen)?
Welche Lösungsversuche fallen Ihnen noch ein?
3. Warum, glauben Sie, reagiert Stefan so schroff auf
Ernestos Anruf?