1In einer Novembernacht vor knapp drei Jahren klingelte das Telefon im Flur. Meine Ehefrau Gabriella, die einen leichteren Schlaf hat als ich, wurde davon geweckt und rüttelte heftig an mir. Ich habe seit jeher die tiefe Vertrautheit meines Freundes und Kollegen Lang mit den unvermittelt eintreffenden Ereignissen und zufälligen Zusammentreffen des großstädtischen Lebens geteilt. Gabi dagegen ist bis heute von ihrer Kindheit in einem verschlafenen Schärendörfchen geprägt. Sie ist ein willensstarker und robuster Mensch, neigt jedoch dazu, sich durch Unerwartetes bis ins Mark erschüttern zu lassen. Außerdem durchlebten wir damals gerade einen Herbst voller Veränderungen und Sorgen. Mattias, Gabis Sohn, den sie schon mit 19 zur Welt gebracht hatte, war nach Abo gezogen, um dort an der schwedischsprachigen Universität zu studieren. Kurz darauf hatte Gabis Vater einen leichten Herzinfarkt erlitten. Als Gabi mich in jener Novembernacht weckte, war sie deshalb sehr erregt. »Es ist jemand gestorben!«, stotterte sie. »Wach auf, Konni! Papa oder Matti, einer von ihnen ist gestorben. Ich weiß es, das ist so eine Nacht!« Widerwillig schlug ich die Augen auf und fand mich in einem alten film noir wieder: der Wind, der an den Dachziegeln rüttelte, das Trommeln des Regens gegen das Schlafzimmerfenster, die halb offen stehende Tür zum Flur und zum Wohnzimmer, das Telefon, das klingelte, Motorengeräusche, die näher kamen, der Lichtstreifen, der über die Wohnzimmerwand wanderte, wenn sich ein Nachtbus die Topeliusgatan zum Platz hinaufquälte, um anschließend zu erlöschen, wenn der Bus in den Schacht der Runebergsgatan abtauchte. »Wenn du schon wach bist, kannst du doch auch selber drangehen«, murrte ich ärgerlich, jedoch vergeblich, denn Gabi saß wie angewurzelt aufrecht im Bett und schien vor Angst wie gelähmt zu sein, ihre nackten Füße lugten unter der Decke hervor, die sie eng um sich geschlagen hatte. Das Telefon klingelte beharrlich weiter. Ich begab mich auf steifen Beinen in den Flur und meldete mich so schroff wie möglich. Die Stimme am anderen Ende gehörte Lang und sie klang gepresst, nicht schleppend und ironisch wie sonst. Lang sagte, er stecke in einer verdammten Klemme, er benutzte genau diese Worte, »einer verdammten Klemme«, sagte er. »Ich bin mitten in einem Alptraum gelandet.« Ich nahm ihn nicht ernst, es war auch früher schon vorgekommen, dass Lang uns weit nach Mitternacht, nicht ganz nüchtern und aus den eigentümlichsten oder banalsten Gründen angerufen hatte. Ich fragte Lang, ob er wisse, wie viel Uhr es sei, ich sagte, er habe Gabi fast zu Tode geängstigt, sie habe geglaubt, ihr Vater sei von jetzt auf gleich gestorben. Dann fügte ich säuerlich und einigermaßen kindisch hinzu, wenn Lang ohne Kondome dastünde, habe er zur völlig falschen Zeit am falschen Ort angerufen, es stünden ihm Kneipen und durchgängig geöffnete Tankstellen zur Verfügung, und am Skillnaden-Platz gebe es einen Select, zischte ich. Mein Kommentar war eine Anspielung auf das Leben, das Lang in den Jahren nach seiner letzten Scheidung geführt hatte, ein Leben, um das ich ihn oft beneidet habe. Doch Lang schenkte meinen sarkastischen Bemerkungen keinerlei Beachtung, sondern klang noch eindringlicher. »Es geht nicht um so etwas«, sagte er mit der gleichen verängstigten und gepressten Stimme, »ich brauche Hilfe, ich stecke mitten in einer Katastrophe, und ich muss mit jemandem reden, der einen kühlen Kopf bewahren kann. Übrigens, du hast nicht zufällig einen Spaten? Aber einen stabilen, nicht so einen mit einem Plastikstiel, der gleich abbricht.«Lang und ich können auf eine lange gemeinsame Geschichte zurückblicken, und es war nie üblich, dass ich ihm etwas abschlug. Außerdem ist Lang eine energische und charismatische Persönlichkeit, schwer abzuweisen, schwer zu besiegen. Nach Gabis Meinung bin ich zu nachgiebig und habe mich von Lang und diversen anderen Jugendfreunden schamlos ausnutzen lassen. Es spielt keine Rolle, ob dem so ist oder nicht: Dass ich es eine Viertelstunde später geschafft hatte, mich sowohl anzuziehen, als auch auf den Speicher zu steigen und mich anschließend mit einem robusten Spaten bewaffnet unten auf den Tölötorg zu stellen, ist eine Tatsache, an der sich beim besten Willen nicht rütteln lässt. Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits sehr besorgt. Der Regen peitschte herab und der Platz war menschenleer, aber es hockten immer noch Leute im Tin Tin Tango und in Mamma Rosas Bar, und ich sah, dass die Gäste, die an den Fenstertischen saßen, mich und meinen Spaten interessiert musterten. Außerdem hatte Lang gesagt, er käme mit dem Auto, und in dieser Ankündigung lag etwas, das einfach nicht zu ihm passen wollte. Lang war ein Nachttier, aber er fuhr nach Mitternacht nur selten Auto, denn dazu trank er viel zu gerne und zu viel. Doch genug der Worte über mein Warten: Als Lang in hohem Tempo auf den Platz gekurvt war, die Beifahrertür geöffnet hatte und ich eingestiegen war, wollte er augenblicklich aus der Stadt hinausfahren. Er war furchtbar blass, seine Kiefer waren aufeinandergepresst, seine Hände umklammerten das Lenkrad des Celica so fest, dass die Knöchel weiß waren. Sein plötzliches Erscheinen auf dem Platz hatte großes Interesse bei den gelangweilten Kneipengängern geweckt. Und von diesem Moment an fühlte ich mich endgültig nicht mehr wohl in meiner Haut. Meine Intuition erwachte zum Leben, und sie flüsterte mir zu: Mysterium! Verborgene Dinge! Gefahr!Also sagte ich Lang so beiläufig wie möglich, er dürfe mich erst in die geistige Umnachtung von Esbo oder Sibbo entführen, nachdem ich erfahren hätte, was eigentlich los sei. Mein frisch geweckter Magen knurrte inzwischen, und ich schlug vor, ein Bier und einen Hamburger in irgendeinem Nachtcafe zu uns zu nehmen, dann konnte Lang erzählen, während wir aßen, die Rechnung würde ich übernehmen. Lang akzeptierte mein Angebot, und wir fuhren auf einem regennassen und glatten - ich bat ihn mehrfach, den Fuß vom Gas zu nehmen - Mannerheimvägen zu einem Tankstellencafe in Brunakärr. Dort zeigte sich, dass Lang so erschüttert und verwirrt war, dass er seinen Teil der Übereinkunft nicht einhalten konnte. Er begann weit in der Vergangenheit, und er erzählte, ohne sich an die Chronologie der Ereignisse zu halten und ohne Sinn und Verstand. Es schien, als wolle er mir durch undatierte, unverbundene Erinnerungen ein Bild davon vermitteln, wie ihm langsam, aber sicher ein Licht aufgegangen war, wie er allmählich zu verstehen begonnen hatte, wohin seine besinnungslose Liebe zu Sarita ihn führen würde. Und, dachte ich, wohin sie ihn schließlich geführt hatte. Denn obwohl Langs Bericht unzusammenhängend war, erhielt ich doch ein paar Anhaltspunkte. Saritas, Markos und Miros Namen wurden oft genannt, und als Langs äußerst angespannte, bisweilen fast erstickte Stimme sich endlich der Gegenwart näherte, wusste ich bereits, dass etwas Schreckliches passiert sein musste, und ich ahnte sogar, was. Meine Ahnungen wurden noch dadurch bestärkt, dass Lang frische rote Male am Hals hatte, die er zu verbergen suchte, indem er den Mantelkragen hochgeschlagen hielt. Und vermutlich hat ein durchschnittlicher Westeuropäer meines Alters so viele Polizeiserien und Thriller im Fernsehen gesehen, dass er sich eine besondere Intuition in Bezug auf gewisse Arten von Verbrechen erworben hat: So lautet zumindest meine eigene Erklärung für meine schnelle Auffassung in jener Nacht.Ich wartete folglich nicht ab, dass Langs Erzählung ihren Höhepunkt erreichte. Stattdessen konfrontierte ich ihn mit offenen Worten: Ich fragte ihn unverblümt nach dem Grund dafür, dass er mitten in der Nacht mit dem Auto unterwegs war und Helsingfors verlassen wollte. Lang gestand ohne Umschweife, und ich erklärte ihm auf der Stelle, mein Engagement in dieser Angelegenheit ende jetzt und hier, im Teboilcafe in Brunakärr um 2:50 in der Nacht zum 15. November. Ich sagte Lang, was immer er aus Liebe oder Hass getan habe, dafür müsse er selber geradestehen. Unsere Freundschaft währte nun seit mehr als dreißig Jahren und hatte vieles ausgehalten, aber nicht einmal sie rechtfertigte, dass ich, ein Unschuldiger, zum Mittäter würde, ganz gleich, wie man den Tatbestand definieren sollte. »Es ist einfach inakzeptabel, etwas Derartiges von seinen Freunden zu verlangen, Lang«, sagte ich und riet ihm, unverzüglich zum Polizeipräsidium in Böle zu fahren und ein Geständnis abzulegen. Lang schüttelte den Kopf und begann zu weinen, wir blieben noch eine Weile sitzen und führten ein leises, zischendes Gespräch, und die Nacht draußen war regnerisch und schwarz, und dann gab ich nach: Wider besseres Wissen ließ ich zu, dass er sich meinen Spaten lieh.Während des gesamten Prozesses und während der ganzen Zeit, in der die Zeitungen über den Fall berichteten, hatte ich wegen der Sache mit dem Spaten Angst. Die Boulevardblätter suhlten sich in reißerischen Schlagzeilen, und in Aktenzeichen XY suchte man Menschen, die Licht in Langs Vorgehen in jener Nacht bringen konnten. Es ist nicht weiter schwierig, sich vorzustellen, wie gründlich der bislang so bescheidene Ruf der finnischen Schriftstellergilde befleckt worden wäre, wenn man herausgefunden hätte, dass nicht nur einer, sondern zwei einheimische Romanciers in die Sache verwickelt gewesen waren.Aber Lang verhielt sich loyal, er enthüllte zu keinem Zeitpunkt, von wem er den Spaten bekommen hatte, sondern blieb hartnäckig dabei, es sei sein eigener gewesen. Aus unerfindlichen Gründen trat auch keiner der Gäste des Mamma Rosa oder Tin Tin Tango auf den Plan und erzählte von dem Mann, den Lang auf dem Tölötorg abgeholt hatte. Dagegen gab es Zeugenaussagen, denen zufolge Lang in einem Tankstellencafe in Brunakärr gesessen und sich mit einem nicht identifizierten und unzulänglich beschriebenen Mann unterhalten hatte, der aufgefordert wurde, sich zu melden (in der Personenbeschreibung hieß es, ich hätte eine Glatze, was grotesk ist; ich habe zwar einen recht hohen Haaransatz, aber das ist nicht das Gleiche wie eine Glatze). Lang leugnete emphatisch, dass es zu dieser Begegnung gekommen war: Sicher, er habe mit einem etwa 40-jährigen Mann am gleichen Tisch gesessen, gab er bei den Vernehmungen zu, aber besagter Mann sei Lang vollkommen fremd gewesen, und sie hätten kein Gespräch geführt, sondern höchstens ein paar Worte über das triste Herbstwetter und Schlaflosigkeit gewechselt.Solange ich zurückdenken kann, bin ich neidisch auf Lang gewesen. Christian Lang hatte eine feste Freundin, als er dreizehn, und Haare auf der Brust, als er sechzehn war, er war Kapitän der Schulmannschaften im Eishockey und im Fußball und machte sein Abitur mit fünf laudatur und einem Abschlusszeugnis, dessen Notendurchschnitt weit über neun lag. Als er fünfundzwanzig war, wurden ihm für seinen ersten Roman ein halbes Dutzend Literaturpreise unterschiedlicher Bedeutung verliehen, und zehn Jahre und eine Hand voll Romane und eine Essaysammlung später verwandelte er sich in einen Fernsehtalkmaster, dessen Charisma den Bildschirm ausfüllte und seine Gäste zu gewagten und äußerst persönlichen Gesprächen verführte.Nun wuchs Langs Ruhm noch, doch diesmal war dieser Ruhm nichts, wonach man gelechzt hätte. Ich selbst kam mit dem Schrecken davon, und einer der Gründe dafür, dass es mir erspart blieb, in die Sache hineingezogen zu werden, war meine Anonymität. Ich hatte es meinem absolut durchschnittlichen Aussehen und der Tatsache, dass ich beruflich nie besonders erfolgreich gewesen bin, zu verdanken, nach wie vor ein freier Mann mit einem sehr kleinen, glücklicherweise jedoch vollkommen unbefleckten Ruf zu sein. Die Einzige, die alles durchschaute, war Gabi: In den Wochen des Gerichtsverfahrens sah sie mich an, wie nur eine Ehefrau einen Gatten ansehen kann, dessen Spaten in einer dunklen Novembernacht eine Grube für eine Leiche ausgehoben hat.Später, im Laufe der langen Gespräche, die wir miteinander führten, und in den Briefen, die er mir schickte, nachdem er beschlossen hatte, dass ich seine Geschichte unter meinem Namen veröffentlichen dürfte, betonte Lang mehrfach, er habe nie geglaubt, dass seine Affäre mit Sarita von so langer Dauer sein würde. Für die kurze Dauer, meinte Lang, hätten bereits die Umstände und die Atmosphäre, die ihrer ersten Begegnung anhafteten, gesprochen. Es kam, erzählte er, an einem Abend Mitte Juli zu dieser Begegnung, während eines kühlen und wolkenverhangenen Sommers, der für Lang von Umstellungen und einer Neuorientierung geprägt war: Er hatte sich im Frühjahr von seiner zweiten Frau scheiden lassen, sein Sohn aus erster Ehe war fast erwachsen, und es gab Anzeichen, dass der Junge Drogen nahm, darüber hinaus hatte Lang eine stürmische Liebesaffäre mit seiner 15 Jahre jüngeren Studioregisseurin hinter sich und zu allem Überfluss die Fähigkeit zu schreiben verloren. Er verbrachte den ganzen Sommer in der Stadt. Seine Talkshow hatte Sendepause, aber Lang beabsichtigte, die kommende Staffel vorzubereiten - die Einschaltquoten waren das ganze Frühjahr über gesunken, der Intendant des Senders hatte Langs Produzent unumwunden mitgeteilt, dass eine Erneuerung vonnöten war. Gleichzeitig hatte er vorgehabt, mit der Arbeit an einem neuen Roman zu beginnen. Es liege ihm, sagte Lang, viel daran, dass ich dies begriff: Er war in der Stadt geblieben, um zu arbeiten, nicht um Frauen nachzustellen.Doch auch in diesem grauen und unwirtlichen Sommer gab es ein paar eigentümliche Abende, an denen die Luft noch in der Abenddämmerung warm und still und drückend hing, Abende, an denen Helsingfors von Essensdüften und Parfüm durchtränkt und der Himmel noch lange nach Einbruch der Dunkelheit milchig weiß war und der Atem der Menschen nach Geheimnissen und Erwartungen roch. An einen solchen Abend erinnerte sich Lang mit fast schon fotografischer Exaktheit. Er hatte den ganzen Tag in seinem Arbeitszimmer in der Villagatan verbracht, hatte geduldig an seinem Computer gesessen, aber weder Ideen noch Sprache hatten sich eingefunden. Lang hatte viel zu viele Tassen Pulvercappuccino getrunken, sein altes Magengeschwür hatte ihm erneut zu schaffen gemacht und hinzu kam, wie er mir gestand, dass er sich vor Einsamkeit ganz krank gefühlt hatte. Als es dämmerte, ging er deshalb in die Corona Bar und trank zwei Flaschen samtenes dunkles Bier. Einige Tische entfernt saß ein Mann, der einen mit einem Federbusch verzierten Borsalino trug und Hof hielt. Der Mann saß im Rollstuhl, und sein rechtes Bein war bis zum Oberschenkel eingegipst, und Lang erkannte ihn: Er war ein abgehalfterter Rockstar, der wenige Tage zuvor von einem Balkon gestürzt war, sich das Bein gebrochen und für große Schlagzeilen in den Abendblättern gesorgt hatte. Lang blieb eine Weile sitzen und hörte den Rockstar vor seinen Bewunderern Reden schwingen, er sprach über Los Angeles und seine zahlreichen Gitarren, die er Klampfen nannte. Lang war das verstohlene Lauschen schnell leid gewesen, sodass er stattdessen in die Bar ging, wo er eine Schale Hähnchen mit Nudeln aus dem Wok aß. Als er gegessen und eine kleine Flasche Rotwein getrunken hatte, ging er zum Skillnaden-Platz hinauf und schob sich ins Kerma, um einem Mädchentrio zu lauschen, das alte Soulsongs sang. Dort trank Lang zwei Gläser Wodka mit Ananassaft, und später kam er an der Theke mit einer der Sängerinnen ins Gespräch. Er lobte ihre Version von »Stand By Me« und schlug ihr vor, »I Who Have Nothing«, ein weiteres Lied von Ben E. King, in ihr Repertoire aufzunehmen. Zu seiner Überraschung erfuhr er, dass die Frau (ausgerechnet sie, die diese Lieder wirklich singen konnte, sagte Lang aufgebracht zu mir) »I Who Have Nothing« und Ben E. King überhaupt nicht kannte. Lang fühlte sich plötzlich alt und abgestanden und begraben unter einer undurchdringlichen Schicht nostalgischen Trivialwissens. Er wollte sich rächen, wollte die Sängerin fragen, ob sie ihn unter Umständen schon mal im Fernsehen gesehen hatte, aber er brachte die Worte einfach nicht heraus, er hatte Angst, ihre Antwort würde lauten, dass sie keinen Fernseher besaß und ihr Leben daraus bestand, diese schrecklich alten Lieder zu singen, deren Herkunft sie nicht kannte. Also schwieg Lang, und die Sängerin fand bald andere Gesellschaft. Danach, bekannte Lang, trank er viel zu viele Gläser Wodka mit Ananassaft, und als er die drei Häuserblocks zu seiner frisch erworbenen, jedoch ziemlich verwohnten Dreizimmerwohnung in der Skarpskyttegatan spazierte, war es bereits hell. Der frühe Morgen war auf stille und ernste Art schön, die Sonne hing wie eine bleiche Pastille hinter den Wolken im Osten, dünne Nebelschleier tanzten über dem Fußballplatz unterhalb der Johanneskirche und umhüllten die beiden Türme der Kirche und das Ferlandersche Haus sowie das Museum für angewandte Kunst, um sich unmittelbar danach aufzulösen. Lang war überwältigt von der Schönheit seiner Heimatstadt: Er blieb lange auf dem leeren Fußballfeld stehen und schaute einfach und spürte, wie er in der feuchten Morgenluft allmählich wieder nüchtern wurde. Als er dann endlich zu Hause war, schlief er bis halb eins, stand auf, trank einen halben Liter Wasser und aß drei Scheiben Knäckebrot mit öligen Thunfischstücken als Belag. Dann schlug er die Tageszeitung auf, vertiefte sich in die Programmspalten undkonstatierte verbittert, dass der Sender, für den er arbeitete, seine ambitionierte Gesprächsrunde durch das übliche Sommerangebot ersetzt hatte: Sport, Volksmusik und Analsex.