Systematiker und Überspringer
Kurt Buchwald ist ein Phänomen. Nicht nur, dass es ihm gelingt, in all seinen Projekten und Ausstellungskonzepten einen ungebrochen drängerischen Ton anzuschlagen. In jeder dieser bildästhetischen Handlungen erfindet er zugleich seine Sprache - und damit nachgerade auch sich selbst - vollkommen neu. Widerborstig und verschlossen hat er sich seit 1984 mit der "Sicht" beschäftigt und als erste Handlung demonstrativ vor der Kamera die eigenen Sichtverhältnisse blockiert. Sein Aktivismus ist Protest und Ansage in einem. Es gab nicht viele Künstler und Künstlerinnen in der DDR, die so unverhohlen und absichtlich ein "Anti" proklamierten - und zwar öffentlich.
Für mich war klar, hier verband ein Künstler sein Expertentum und seine intellektuelle Tätigkeit mit Moralvorstellungen. In der DDR sehnte man sich nach Menschen, die keine Verlautbarungen, sondern echte Botschaften aus unkonventionellen Perspektiven mitzuteilen hatten. Buchwald bot neue Lösungen an und seine Statements waren geistig und künstlerisch unabhängig von den Lautsprecherattitüden der herrschenden Ideologenelite. Am allgemeinen Wandel der Sozialfigur des künstlerisch öffentlich sichtbaren Intellektuellen in der DDR der 1980er Jahre hatte Buchwald nicht unwesentlich Anteil.
Es hat keinen Künstler in der DDR gegeben, der mit Mitteln der Fotografie eine provokativere und umfangreichere mediale, politische und Ich-Erforschung betrieben hat.
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Höhe: 24.6 cm
Breite: 17 cm
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ISBN-13
978-3-00-051915-4 (9783000519154)
Schweitzer Klassifikation
Herausgeber*in
Fotograf*in
Fotograf und Aktionskünstler
Kurt Buchwald gehörte zu den ganz großen Raritäten in der früheren Deutschen Demokratischen Republik. Nach dem Fall der Mauer bleibt er der Normbrecher, der er war. Kurt Buchwald belässt es nicht beim Hinterfragen und Fotografieren. Er greift ein.
Mit der fotografischen Sicht beschäftigt sich Kurt Buchwald seit Jahren. Begonnen hat alles am 10.12.1984 als er vor seine Kamera tritt und als schwarze Halbfigur das Bild abdeckt. Die Sichtverhinderung ist Absicht als "Sichtabsicht", wonach in der neuen Medienkultur der Mensch nicht mehr Objekt oder Subjekt, sondern Projekt ist, denn auf der letzten Stufe dieses Weges steht das Designen bzw. die Entwerfbarkeit nicht nur von Bildwelten, sondern auch von Objekten und Körpern. Eine Buchwalds bekanntester Arbeiten - "Ein Tag in Ostberlin" - entsteht 1986.
Von 1990-2000 beschäftigt sich der Fotokünstler, ein gelernter Ingenieur, mit Störungen der Kamerasicht. Dazu werden Scheiben in unterschiedlichen geometrischen Formen, mit Löchern, mit Spalten, in Schwarz und in Farbe vor die Kamera montiert. Er entwirft eine Systematik im Sinne eines "Algorithmus der Blenden". So findet er neue Bildideen, untersucht das fotografische Medium. Der Fotograf nutzt das Dadaismus-Modell der Verunsicherung und Provokation. Er steht er für eine Verbindung von fototechnisch vermittelter und getragener Aktionskunst. Er ist ein Grenzgänger und bringt die Fotografie dazu, über sich selbst zu sprechen.
Die Monografie "Sichtabischt" veröffentlicht erstmals in einem Überblick die wichtigsten Aktionen, Performances und Werkserien von 1979 bis 2013.
Seine Werke finden sich in zahlreichen internationalen privaten wie öffentlichen Sammlungen.
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