Inhalt
Taufgeld
Kurzgeschichte aus dem 18. Jh., S. 9
Demoiselle
Romantische Geschichte aus dem 18. Jh., S. 19
Falkenhagen
Ballade, S. 44
Holz
Kriminalerzählung aus dem frühen 19. Jh., S. 47
Sturz
Kriminalerzählung aus dem frühen 19. Jh., S. 69
Anhang, S. 91
aus "Demoiselle":
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Friedrich Wilhelm aber war der eigentliche Fixpunkt im Leben Wilhelmines. Mit der ganzen Schwärmerei ihrer Jugend hing sie an dem Geliebten, der wahrlich manch Ungewöhnliches unternahm, um ihr in Falkenhagen nahe zu sein. So polterte der Prinz eines späten Abends in Koschenbahrs gute Stube: 'Koschenbahr, Ihr habet Eure Baueren nicht an der Kandarre. Fast den Hals hätte ich mich gebrochen, wenn nicht mein guter Gaul besser sehen würde als ich. Welche Schelme haben den Weg von Spandau mit einem Baume versperrt?'
'Hoheit, wie meint Ihr? Was ist Euch zugestoßen?'
'Hab ich nicht klar gesprochen? Auf der Höhe des Fischerweges liegt bei den Eichen dorten ein derber Stamm quer des Wegs, so dass ein Reiter in allergrößter Gefahr seindt zu stürzen. Zum Glücke seindt mein Pferd scheu gewest und ich habe mir feste im Sattel gehalten.', beschreibt der Prinz sein Erlebnis.
'Ihr meint wahrlich, dass es mit Vorsatz und durch die Bauern geschah? Aber Hoheit, selbst wenn es so wäre, wir können keine Untersuchung anstellen. Die Gefahr Eurer offenen Entdeckung wäre zu groß. Die Bauern werden nicht zum König gehen, aber es könnte tatsächlich sein, dass sie etwas wissen. Kürzlich kam der Lehnschulze Otto mit einer Beschwerde zu mir. Die Last für den Posttransport wäre nicht mehr zu tragen, seit die vielen Eilbriefe aus Potsdam kämen.'
'Was wollt Ihr damit sagen? Stehen die Baueren im Affront? Das seindt ein Anschlag auf den Prinzen von Preußen gewest!'
'Sicherlich Hoheit, eine fatale Situation. Aber was können wir tun? Mein Schwager hat Euch geraten, etwas zurückhaltender bei Besuch und Korrespondenzen zu sein. So, wie es aber seit Wochen wärt, konnte es nicht lange verborgen bleiben. Nun kömmet es drauf an, dass der König keinen Verdacht schöpfet. Uns sind die Hände gebunden. Seid auf der Hut, mein Prinz!', versuchte Koschenbahr den erregten Prinzen zu beruhigen.
'Nun, beschränken kömmet nicht in Frage. Die ganze Disposition ist mich beschwerlich genug. Wie aber kann es heimlicher geschehen?'
Koschenbahr seufzte, wäre aber nicht das alte Schlitzohr, wenn er keine Idee hätte: 'Mein Prinz, vielleicht wäre es unwürdig aber auch unauffällig. Gebt mir mit gleicher Post Tag und Stunde eures nächsten Besuches an und am Heikendamm wird ein Heuwagen bereit stehen, Euch ungesehen zum Forsthaus zu bringen.'
'Wie Koschenbahr, der Prinz soll sich ins Heu verstecken, als wie ein Landstreicher? Seid Ihr toll?', empörte sich der Prinz.
'Hoheit, seid meiner Ergebenheit versichert, aber sagt selbst! Kann es anders gelingen? Selbst wenn ihr Euch verkleidet, hier im Dorfe fällt jeder Fremde ins Auge. Nein, wenn es tatsächlich geheim bleiben soll, so dürft Ihr nicht gesehen werden.'
Friedrich Wilhelm war zwar nicht unbedingt mit Inspiration gesegnet und noch weniger mit Entschlussfreude, aber keinesfalls war er einfältig. So verschloss er sich selten einem gut gemeinten Rat. Auch dann nicht, wenn dieser kaum seinen eigenen Vorstellungen entsprach.
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