Wenn Schatten wandern .
Sommer in der Stadt, Sommer im Park. Es sind diese wunderbaren heißen Tage, sie lassen das Leben langsamer verlaufen. Etwas träge schleppt man sich herum. Der nahe Park bringt dann die erhoffte Entspannung, man setzt sich einfach auf eine Bank im Schatten eines Baumes. Man lässt, so sagt man, einfach die Seele baumeln. Am Nachmittag, trotz des Samstages ist nicht viel los im Park.
Alle Geräusche von außen erscheinen wie durch Watte zu kommen. Es gibt heute auch kein Kindergeschrei vom nahen Spielplatz. Ich sitze hier am Teich und döse vor mich hin, schon etwas schläfrig, öfter mal aufgeschreckt von dem Geschnatter der Enten. Rund um den Teich ziehen sich Wege entlang, begrenzt und überschattet von hohen Bäumen. Vereinzelt Bänke, dazwischen Rhododendron in leuchtenden Farben. Der Schatten ist überall, es ist einer der Tage, wo einem bei der Hitze der Schatten besonders dunkel erscheint. Wo der Schatten nicht ganz reicht, flimmert die Luft.
Die Enten sind zur Ruhe gekommen und mir fallen die Augen zu. Hundegebell schreckt mich auf. Ich war total weggetreten, mir flimmert es vor den Augen. Die Schatten erscheinen mir noch dunkler. Auf dem Weg gegenüber erscheint ein kleiner Hund. Fröhlich springt er hin und her, verschwindet im Busch, dann ist er wieder da. Wieder weg, wieder da. Mir fallen die Augen wieder zu. Kein Gebell mehr, ich höre eine Frau rufen, wahrscheinlich sucht sie ihren Hund. Er hat sich wohl versteckt, selber Schuld, sie hätte ihn anleinen sollen. Ohne Leine ist es doch verboten, soll mir aber egal sein. Ich schau nicht hin, sie ruft noch ein paarmal, dann höre ich nichts mehr. Versinke wieder entspannt im Land der Träume.
»Entschuldigen Sie.« Ich schrecke auf, vor mir steht ein Mann.
»Entschuldigen Sie, ich suche meine Frau. Sie hatte einen kleinen Hund dabei, haben Sie vielleicht etwas gesehen?«
Ich sage: »Gegenüber war eine, aber wohin sie nun ist, weiß ich nicht.«
»Danke«, sagt er und geht links den Weg entlang, dann rechts um den Teich.
Ich blicke ihm nach, er geht unter den Bäumen entlang und nähert sich dem Schatten. Die Hitze flimmert mir vor den Augen und der Mann erscheint mir etwas undeutlich. Die Schatten scheinen sich zu erheben und ihn einhüllen zu wollen. Dann geht alles sehr schnell, der Mann reißt die Arme hoch, wie im Nebel sehe ich noch seine Gestalt - dann ist er verschwunden. Der Nebel senkt sich zu Boden und liegt als Schatten da, als wäre nichts geschehen. Träume ich? Ich reibe mir die Augen. Alles ist ruhig und friedlich, nichts bewegt sich.
Ich glaube es nicht, frisst der Schatten etwa Lebewesen? Es ist spät, die Schatten von drüben sind mir schon sehr nahe. Ich bin allein, wie komme ich hier weg? Die Frage stellt sich mir mit Unbehagen und ich bekomme eine Gänsehaut. Der Weg zur Straße scheint frei von Schatten zu sein und ich komme auch gut nach Hause, mit Angst im Nacken. ...