Natürlich hätte Lisl Seidler die Wäsche wie immer am Samstag gemacht, wenn ihr gestern Mittag nicht im Treppenhaus Frau Sammet begegnet wäre. Sie hatte die Nachbarin lange nicht gesehen, der Mann war als NSKK-Mitglied zum Motorrad-Kurierdienst auf dem Parteitagsgelände eingeteilt und somit essensmäßig versorgt, die Kinder trieben noch ihr Ferienunwesen bei der Verwandtschaft im ländlichen Mainfranken. Deshalb leistete sie nur schwachen Widerstand gegen das verlockende Angebot, zum Ratschen und Kaffeetrinken zur Sammetin zu kommen. Aus einem Tässchen gutem Bohnenkaffee wurden eine Kanne und anschließend ein paar Schoppen Silvaner, wobei sie sich mit dem Gedanken beruhigen konnte, dass morgen auch noch ein Tag sein würde - wenn sie rechtzeitig vor der Messe in St. Sebald aus den Bettfedern käme.
Deshalb wurde sie zwischen ihren nassen Laken, die sie gerade im Innenhof des verwinkelten Anwesens Burgstraße 24 zum Trocknen aufhängte, Zeugin, wie über dem Rand des alten Hausbrunnens zunächst eine SS-Mütze auftauchte, gefolgt von einem schmutzigen Boxergesicht und dem dazu passenden Athletenkörper, an dessen Schulter eine schwere Tasche hing.
Lisl versteckte sich hinter der weißen, im leichten Morgenwind flatternden Stoffbahn, doch waren für die bedrohliche Erscheinung selbstverständlich ihre bepantoffelten Beine sichtbar. Der Wunsch, das Ungeheuer möge nur ein Albtraum sein und sich einfach in Luft auflösen, blieb unerfüllt. Stattdessen kam es schnaufend auf sie zu.
"Keine Angst, Frau! Bin ich Sicherheitskontrolle - der Führer kommt!"
Frau Seidler lugte ungläubig und fragend hinter dem Leintuch hervor, wobei sie sich mit spitzen Fingern an seinem Rand festhielt.
Szlama wusste, dass seine bisherige Vorstellung nicht sehr überzeugend gewesen war. Er musste schauspielerisch deutlich nachlegen, um bei den anstehenden Vorbereitungen seine Ruhe zu haben. Allerdings wurde die Realisierung des guten Vorsatzes dadurch erschwert, dass sich seine aktiven Deutschkenntnisse in der Aufregung nicht gerade verbesserten, besonders die Grammatik.
"Przepraszam, bin ich Volksdaitscher aus Poilen, deshalb Sprache nicht gut. - Muss alles durchsuchen, weil haben Information, irgendwo ist Bombe, um Führer zu sprengen in die Luft. Also alle sich verstecken in Haus, Fenster zu und nicht telefonieren, weil Elektrisch kann machen furchtbare Explosion mit Funken - Buuuum!"
Seine Windmühlenflügelarme beschrieben in einer weit ausholenden Bewegung die Welle der Verwüstung, womit er die Nürnbergerin noch mehr verschreckte. Als sie daraufhin mit dem Wäschekorb unter dem Arm eilig ins Haus schlapperte, rief ihr der wasserpolnische Sprengstoffexperte nach:
"Alle Bescheid sagen: In Wohnung bleiben und nicht rauskommen bis Entwarnung, sonst großes Buuuum und Hitler kaputt!"
Die Frau quittierte seine Anweisung mit einem hektischen Ja, gewiss! und verschwand in der Tür unter dem windschiefen Laubengang.