Inhalt
Einleitung - Worum es nicht geht 11
Worum geht es dann? 12
Der Mensch in der Organisation 14
Was gibt's Neues? 15
Führung 17
Wozu Führung? 17
Der Zweck der Führung 17
Dafür werden Sie nicht bezahlt 19
Erfolg - was ist das? 21
Gibt es "gute" Führung? 23
Was ist Führung? 28
Führen als Nebenbei-Tätigkeit 28
Führen als Etikett 29
Wer beobachtet wen beim Beobachten? 31
Wechselseitige Abhängigkeit 34
Was prägt das Führungsverhalten? 35
Führung ist mehr als Führungskraft 35
Institution und Individuum 37
Gute Leute? Oder passende Leute? 40
Arbeit im System und Arbeit am System 42
Der Manager: Held oder Opfer? 44
Das System hat ein Gesicht 46
Wie kann Führung Wandel bewirken? 47
Erste Kernaufgabe: Zusammenarbeit organisieren 51
Einer für alle, alle für einen 51
Eine kleine Naturgeschichte 51
Zusammenarbeit als Kern des Unternehmens 53
Was behindert Zusammenarbeit? 55
Institution 57
Was Zusammenarbeit ermöglicht 57
Kooperationsstützende Systeme 68
Kleine Einheiten 80
Räumliche Nähe 83
Die Überschrift ändern 86
Konsequenz für die Personalauswahl 89
Individuum 93
Das Anderssein des Anderen 93
Wenn der Andere nicht kooperieren kann 95
Fremdoptimierung 97
Commitment für Zusammenarbeit 100
Zweite Kernaufgabe: Transaktionskosten senken 105
Was sind Transaktionskosten? 105
Knappheit 105
Effizienz 106
Vom Wettbewerber zum Kooperationspartner 107
Interne Märkte 110
Institution 114
Planungen und Zielvereinbarungen überprüfen 115
Mitarbeiter-Loyalität erhöhen, Fluktuation mindern 120
Kundenorientierung 123
Vertrauenskultur 130
Individuum 135
Das Unsichtbare sehen 135
"Auf-den-anderen-zu" 137
Risikomündigkeit und Selbstvertrauen 141
Dritte Kernaufgabe: Konflikte entscheiden 145
Entscheidungen 145
Die Überfülle der Möglichkeiten 145
Entscheidbarkeit sichern 147
Entscheidung oder Wahl? 149
"Richtige" Entscheidungen 153
Zielkonflikte und Wertkonflikte 154
Institution 156
Auf Prinzipien verzichten 157
Widersprüche aushalten 163
Von der Moral zum Kunden 164
Individuum 170
Führen - die Kunst des Als-ob 170
Entscheidungsstärke 172
Toleranz für Mehrdeutigkeiten 177
Gelassenheit - die Leidenschaft des Ausgleichs 178
Verhalten im Konfliktfall 181
Entscheiden mit der Sherlock-Holmes-Regel 182
Vierte Kernaufgabe: Zukunftsfähigkeit sichern 185
Allgemeines 185
Wir Reaktionäre 186
Die Erfolgsfalle 188
Erfolgsrezepte: Ursache, Wirkung und das Problem der Zukunft 191
Nach der Krise ist vor der Krise 197
Warum Resilienz immer wichtiger wird 200
Der Störungsauftrag des Managements 201
Die Spannung zwischen Zukunftsfähigkeit und Transaktionskosten 204
Institution 206
Zelte statt Paläste 206
Experimentieren 208
Schwache Signale erkennen 210
Von der Zukunft her denken 213
Projektmanagement 215
Dezentral ist stärker 217
Planungen mittlerer Reichweite 218
Redundanzen bilden 219
Störung 220
Individuum 221
Möglichkeitsbewusstsein und andere Notwendigkeiten 221
Zukunft rekrutieren 225
Offensiver werden 227
Sich selbst unterbrechen 230
Vertrauen in die gemeinsame Zukunft entwickeln 233
Fünfte Kernaufgabe: Mitarbeiter führen 237
Finden Sie die Richtigen! 238
Wen suchen Sie? 239
Wie erkennen Sie die Besten? 244
Fordern Sie sie heraus! 250
Was uns antreibt 250
Sich bewähren dürfen 251
Sprechen Sie oft miteinander! 256
Kontakt statt Lob 256
Sich Zeit nehmen 258
Sprechen statt Schreiben 259
"... wie dich selbst" 262
Vertrauen Sie ihnen! 263
Wozu Vertrauen? 263
Was ist Vertrauen? 265
Vertrauen schaffen 266
Vertrauen zerstören 268
Zutrauen schafft Unternehmertum 269
Bezahlen Sie gut und fair! 271
Gehen Sie aus dem Weg! 275
Führung zur Selbstführung 275
Was tun? 280
Seien Sie ein Beitragender! 282
Literatur 285
Register 291
Erste Kernaufgabe: Zusammenarbeit organisieren
Einer für alle, alle für einen
Eine kleine Naturgeschichte
Es gibt immer "natürliche" Erklärungen für bestimmte Verhaltensweisen. Und es gibt "kultürliche". Die natürlichen Erklärungen werden von der Biologie oder der Anthropologie bereitgestellt, die kultürlichen von den Sozialwissenschaften. Das, was hier mit "Natur" gemeint ist, ist schlicht unser biologisches Gepäck, das uns durch einige Millionen Jahre Entwicklung als Gattungswesen mitgegeben wurde. Eine mächtige Mitgift. Wir sind gut beraten, der Stimme der Biologie wenigstens zuzuhören, bis wir sie mit kultürlichen Argumenten des Zeitbedingten zum Schweigen bringen.
Fragt man Anthropologen nach dem wesentlichen Unterschied zwischen Menschen und Affen, dann ist das nicht - wie man lange glaubte - die Sprache. Es ist die partnerschaftliche Grundhaltung. Anders gewendet: Bevor der Mensch sprechen kann, kann er gemeinsam planen und handeln. "Der vermutlich bemerkenswerteste Aspekt der Evolution", schrieb der Evolutionsbiologe Martin Nowak, "ist ihre Fähigkeit, in einer konkurrenzorientierten Welt Kooperation zu erzeugen." Es ist unklar, warum es dazu kam (ich folge hier vor allem Michael Tomasello) und warum andere Primaten von der Evolution dafür nicht ausgestattet wurden. Denn der Mensch war naturgeschichtlich ein Selbstversorger. Er kümmerte sich nicht in der Gruppe um Nahrung, Wohnung und Fortpflanzung, sondern allein. Sein Interesse an Kooperation war gering - wie bei anderen Primaten auch. Was aber veranlasste den "cooperative turn", die Hinwendung zu gemeinsamem Planen und Handeln? Die wahrscheinlichste Antwort lautet: dass sich irgendetwas in der Umwelt verändert hatte, was ein Vorgehen "mit vereinten Kräften" überlebensnotwendig machte. Wahrscheinlich sahen sich Menschen zur gemeinsamen Nahrungssuche gezwungen - sowohl beim Sammeln als auch beim Jagen.
Es ist also weder unsere Sprache noch unsere Denkfähigkeit, die uns entwicklungsgeschichtlich einzigartig macht, sondern unsere Fähigkeit zur Kooperation: geteilte Absicht, abgestimmte Handlungen, gemeinsame Zukunft. Wer eine gemeinsame Absicht teilt, nimmt sich Aufgaben vor, welche die eigenen Möglichkeiten übersteigen. Und zählt darauf, dass sich die anderen zum Mittun bewegen lassen - aus welchen Gründen auch immer. Diese Handlungen sind durch ein gemeinsames Ziel und verschiedene, aber allgemein anerkannte Rollen gekennzeichnet. Und allen Handelnden ist bewusst, dass ihr Erfolg von ihrem wechselseitigen Einsatz abhängt.
Als also die Menschen zu kooperieren begannen, begab man sich in wechselseitige Abhängigkeit. Dem Einzelnen war es nun wichtig (mitunter überlebenswichtig), jenen zu helfen, von denen er abhängig war. Er war sich dessen bewusst und signalisierte, dass man sich auf ihn verlassen konnte. So empfahl man sich als Partner für zukünftige Beutezüge. Dadurch begannen die Individuen, sich mit der Gruppe zu identifizieren. Sie entwickelten neben ihrer individuellen Identität auch eine Gruppenidentität. Phänomene wie kollektiver Stolz und kollektive Scham weisen darauf hin.
Wenn also Individuen eine Absicht teilen, dann löst sich ihre Individualität nicht auf. Sie beabsichtigen ja je individuell eine gemeinsame Handlung. Zudem teilen sie die gemeinsame Handlung auf. Und drittens wissen sie voneinander - von individuellen Absichten und arbeitsteiligen Festlegungen. Aber sie bilden doch ein "Wir", einen Sozialkörper, in dem sich die Beteiligten wechselseitig ihre Bereitschaft signalisieren, ihren Beitrag zum gemeinsamen Projekt zu leisten. Allerdings nur - und das ist die Bedingung -, wenn die anderen dies auch tun.