Alexander Sixtus von Eisenhardt deckte seine Patientin liebevoll zu. Endlich war das Fieber gesunken. Der Herzschlag war schwach, aber stetig. Erleichtert legte er das Hörrohr in seine Ledertasche. Mit einem Seufzer strich er sich über seine brennenden Augen - den säuerlichen Geruch seiner Hände ignorierte er. Der Mediziner hatte die ganze Nacht über die hoch fiebernde Frau gewacht und ihr in regelmäßigen Abständen Laudanum verabreicht. Ohne Unterlass hatte er die Leinenbinden an ihren Füßen abgenommen, in kaltem Essigwasser gespült und wieder vorsichtig um die mageren Glieder geschlungen.
Erschöpft blies er die Luft aus. Ein Geräusch an der Tür ließ ihn aufsehen. Die schwer gezeichnete Mutter der jungen Patientin blickte Alexander müde an. Mit einem leichten Nicken signalisierte er ihr, dass das Schlimmste überstanden war. Sein Gegenüber schloss die Augen. Im blassen Schein der Kerze war zu erkennen, dass sich die Lippen der alten Frau bewegten - ein Dankgebet an den Herrn, dass er das Leben der Tochter diese Nacht noch einmal verschont hatte.
Mit zitternden Händen hielt sie ihm eine Schale frisches Wasser hin. Der junge Arzt nahm die Waschmöglichkeit dankbar entgegen und griff nach einer Spezialseife, die er ständig bei sich trug. Aufmerksam wusch er sich die Hände und das Gesicht. Einmal und noch einmal - er sollte bei seinen nächsten Patienten kein Krankheitsherd sein. Alexander fischte nach einem ausgekochten Leinentuch, das in einem Seitenfach seiner Behandlungstasche steckte. Später wollte er es durch ein frisches Wäschestück ersetzen.
Mit einem letzten Blick auf seine tief schlafende Patientin verließ der Arzt das Krankenlager. So leise wie möglich schloss er die schlecht eingehängte, fürchterlich knarrende Türe. Die ärmlich gekleidete Mutter hatte auf ihn gewartet und führte ihn einen muffigen Gang entlang, der in einem Raum endete, der als Vorraum, Küche, Ess- und Wohnzimmer der Familie diente.
In der Eile am Vorabend war Alexander der Weg nicht aufgefallen. Frau Brugg hatte ihn regelrecht zum Krankenlager gezerrt - panisch vor Angst vor dem höchst besorgniserregenden Zustand ihrer Tochter. Auch jetzt schenkte Alexander der Behausung so wenig Beachtung wie möglich - er konnte es nicht, denn die Armut dieser Menschen war bedrückend.
Auf dem Tisch lagen zwei Münzen bereit. Diese Bezahlung würde nicht einmal die Kosten für das verabreichte Laudanum decken, doch Alexander wusste, dass diese Frau ohnehin alles gab, was sie hatte. Hätte die verzweifelte Mutter ihre Tochter in die Räume des Soldatenspitals vor den Toren Wiens gebracht, wäre der Preis für die Behandlung zehn Kreuzer gewesen. Doch nur bei tatsächlich nachgewiesener Bedürftigkeit. Wohlhabendere Patienten wurden um einen halben Gulden erleichtert, wenn sie in den Genuss ärztlicher Zuwendung kommen wollten.