Ich habe ein Baby entführt.Macht mich das zu einem schlechten Menschen?Wahrscheinlich schon. Ich setze die Babytrage ab, klemme sie mir zwischen die Knie und klappe den Ständer aus. Vom Gestank der vollen Windel wird mir schlecht. Als die Trage sicher auf dem flachen Felsen steht, rücke ich ihm die Fellmütze zurecht. Wie immer verliert er den blauen Schuh, und ich ziehe ihn wieder an, dann greife ich zur Kamera. »Ich kriege das wieder hin«, verspreche ich ihm. Aber er hört schon lange nicht mehr auf mich. Sein Wimmern wird lauter, und meine Knie schlottern wie verrückt, bis unter den Stiefeln die Steinchen knirschen. Auf allen Vieren robbe ich zur Kante und zwinge mich in den Abgrund zu sehen. Alles dreht sich. Hinter meinen Augen pulsiert Licht. Die violetten Wolken, der randlose Himmel, die Fjord und der Wald - alles verschwimmt und rauscht vorbei, als säße ich in einem führerlosen Zug. Ich will, dass es aufhört. Ich bin schon zu lange auf der Flucht. Ich will, dass es endlich aufhört. Der Wind heult, als regte er sich über die ganze Niedertracht auf, und peitscht mir das verfilzte rote Haar in den Mund. Ich spucke aus, dann steigt mir der Gestank meiner verschwitzten Achseln in die Nase. Ich weiß, dass es oberflächlich ist, aber in diesem Zustand will ich nicht sterben. Nur noch einen Tag. Noch einen Tag. Das ist nicht zu viel verlangt. Oder? Einmal noch möchte ich das Glück der kleinen Dinge erleben. Zahnpasta. Warmes Wasser. Linienbusse. Meine Familie? Ich habe mich nicht einmal verabschiedet. Ich habe ihnen nicht gesagt, dass ich sie lieb habe. Ich habe mein Leben in die Tonne getreten und es nicht einmal gemerkt. Plötzlich richten sich meine Nackenhaare auf. Ich spüre das Rauschen einer Kraft in der Luft, über dem Land, in den Wäldern, auf dem Felsen. Ihr Puls macht mir Angst. Wut. Wut. Sehnsucht. Doch ich höre bloß das Wüten und Toben in meinem eigenen Kopf. Er ist hier.