Ausgehend von den verschiedenen Erklärungsansätzen in der Politischen Ökonomie zur Bedeutung gewerkschaftlicher Lohnpolitik zeichnet der Autor die lohnpolitische Entwicklung der letzten Jahrzehnte nach und diskutiert gewerkschaftliche Ansätze für eine Rekonstruktion solidarischer Lohnpolitik.
Letztere scheint dabei nur durch eine verstärkte lohn- und tarifpolitische Kooperation der europäischen Gewerkschaften denkbar.
Die tarifpolitischen Strategien der europäischen Gewerkschaften orientieren sich traditionell am Konzept der solidarischen Lohnpolitik. Dieses zielt sowohl auf eine möglichst günstige Verteilung zwischen Kapital- und Arbeitseinkommen als auch auf eine möglichst egalitäre Verteilung "innerhalb der Klasse", d.h. auf eine möglichst niedrige Lohnspreizung.
Spätestens seit den 1980er Jahren ist das Konzept der solidarischen Lohnpolitik jedoch in eine grundlegende Krise geraten. Fast überall in Europa lässt sich ein säkularer Fall der Lohnquote beobachten, der eine wachsende Umverteilung zugunsten der Kapitaleinkommen zum Ausdruck bringt. Gleichzeitig nehmen die Lohndifferenzen zwischen den einzelnen Beschäftigtengruppen stetig zu und vergrößern damit das Ausmaß sozialer Ungleichheit. Schließlich steht der Flächentarifvertrag als wichtigste institutionelle Stütze einer solidarischen Lohnpolitik in den meisten europäischen Ländern unter Druck.
Auflage
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ISBN-13
978-3-89965-073-0 (9783899650730)
Schweitzer Klassifikation
Thorsten Schulten ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut in der Hans-Böckler-Stiftung in Düsseldorf.
Vorwort
Einleitung
Teil I: Politische Ökonomie des Lohnes und der Gewerkschaften
1. Klassik: Existenzlohn- und Lohnfondstheorie
1.1 Die Existenzlohntheorie
1.2 Die Lohnfondstheorie
1.3 Bedeutung und Funktion der Gewerkschaften in der Klassik
2. Marxismus: Lohngesetz und Lohnpolitik
2.1 Der Lohn als Preis der Ware Arbeitskraft
2.2 Bedeutung und Funktion der Gewerkschaften bei Marx und Engels
3. Neoklassik: Grenzproduktivitätstheorie, allgemeiner Gleichgewichtslohn und der politische Lohn des Neoliberalismus
3.1 Grenzproduktivitätstheorie der Verteilung
3.2 Lohn und Verteilung im Allgemeinen Gleichgewicht
3.3 Der Vorrang des politischen Lohns im Neoliberalismus
3.4 Bedeutung und Funktion der Gewerkschaften in der Neoklassik (Gewerkschaften im neoklassischen Basismodell / Gewerkschaften im Neoliberalismus / Alternative Ansätze für eine positive Funktionsbestimmung der Gewerkschaften innerhalb der Neoklassik bei Marshall und Clark)
4. Keynesianismus: Politischer Nominal- und ökonomischer Reallohn
4.1 Lohn- und Verteilungstheorie im Originalwerk von Keynes (Die ökonomische und soziale Bedeutung des Geldes / Lohntheorie und Lohnpolitik)
4.2 Lohnpolitik im Keynesianismus (Die Entstehung einer "gesamtwirtschaftlichen" Lohnpolitik / Das Konzept der produktivitätsorientierten Lohnpolitik)
4.3 Bedeutung und Funktion der Gewerkschaften im Keynesianismus (Gewerkschaften im Originalwerk von Keynes / Keynesianische Funktionsbestimmungen der Gewerkschaften)
Teil II: Gewerkschaftliche Lohnpolitik in Europa
5. Gewerkschaftliche Konzeptionen einer solidarischen Lohnpolitik
5.1 Moralische Ökonomie und gerechter Lohn
5.2 Politische Ökonomie gewerkschaftlicher Lohnpolitik (Theorien hoher Löhne / Solidarische Lohnpolitik und das Rehn-Meidner-Modell)
6. Politisch-institutionelle Voraussetzungen gewerkschaftlicher Lohnpolitik
6.1 Entwicklung der Gewerkschaften
6.2 Entwicklung der Tarifvertragssysteme
7. Entwicklung der Löhne und der Einkommensverteilung zwischen Kapital und Arbeit
7.1 Entwicklung der Nominallöhne
7.2 Entwicklung der Reallöhne
7.3 Entwicklung der Verteilungsbilanz
7.4 Entwicklung der Lohnquote
7.5 Lohn- und verteilungspolitische Trendwende: Von der produktivitäts- zur wettbewerbsorientierten Lohnpolitik
8. Entwicklung der Lohnstruktur und der Einkommensverteilung "in der Klasse"
8.1 Entwicklung der Lohnspreizung
8.2 Entwicklung des Niedriglohnsektors
8.3 Entwicklung geschlechtspezifischer Lohnunterschiede
8.4 Wachsende Lohnungleichheit als Ausdruck einer Krise solidarischer Lohnpolitik
9. Krise gewerkschaftlicher Lohnpolitik in Europa
9.1 Neoliberale Verschiebungen in der Moralischen Ökonomie
9.2 Solidarische Lohnpolitik im Dienstleistungskapitalismus
9.3 Gewerkschaftliche Lohnpolitik und neoliberale Globalisierung
9.4 Die Bedeutung der europäischen Integration
10. Reorganisation der Arbeitsbeziehungen im europäischen Mehrebenensystem
10.1 Krise und Renaissance des Korporatismus
10.2 Der neue nationale Wettbewerbskorporatismus
10.3 Neue betriebliche Wettbewerbsbündnisse
10.4 Der symbolische Euro-Korporatismus
10.5 Perspektiven des Korporatismus in der Europäischen Union
11. Ansätze für eine gewerkschaftliche Koordinierung der Lohn- und Tarifpolitik in Europa
11.1 Koordinierung auf interregionaler Ebene: Die "Doorn-Initiative"
11.2 Koordinierung auf sektoraler Ebene: Die Europäischen Gewerkschaftsausschüsse (Der Europäische Metallgewerkschaftsbund [EMB] / Gewerkschaftliche Koordinierungsansätze in anderen Branchen)
11.3 Koordinierung auf sektorübergreifender Makroebene: Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB)
12. Barrieren und Chancen für eine Rekonstruktion solidarischer Lohnpolitik in Europa
12.1 Strukturelle Barrieren des gewerkschaftlichen Koordinierungsansatzes
12.2 Entwicklungspotentiale des gewerkschaftlichen Koordinierungsansatzes (Politisch-institutionelle Weiterentwicklung des gewerkschaftlichen Koordinierungsansatzes / Inhaltliche Fundierung des gewerkschaftlichen Koordinierungsansatzes)
12.3 Perspektiven der europäischen Gewerkschaften: Sozialpartner oder soziale Bewegung?
Literatur