Vorwort
Mensch und Arbeit, eine unendliche Geschichte. Keiner der 'stakeholder' eines Unternehmens hat eine derart schillernde Vergangenheit - und wohl auch Zukunft - wie der Mensch im Unternehmen. Auch wenn die Literatur nicht müde wird zu behaupten, der Mensch 'stehe im Mittelpunkt', kann man sich trotzdem des Eindruckes nicht erwehren, dass er eher im Wege stehe, zum Beispiel den Interessen der 'shareholder'.
Welche Rolle spielt der Mensch im Unternehmen? Er ist Arbeitnehmer, fest Angestellter, Zeitarbeiter, Führungskraft, Unternehmer. Er kann also eine Vielzahl von Rollen
wahrnehmen. Er kann weisungsbefugt oder auch zum Gehorchen verdammt sein.
Der Mensch will Lohn für seine Arbeit, das ist ein weiteres Problem. Lohn ist für den Mitarbeiter Einkommen, für das Unternehmen ein Kostenfaktor. Damit liegt ein
Interessenkonflikt vor, der nicht nur in Tarifauseinandersetzungen eine Rolle spielt, sondern auch das tägliche Miteinander beeinflusst. Die Liste von Problemen und Herausforderungen
ließe sich fortsetzen.
Für die traditionelle Betriebswirtschaftslehre - und damit für die Personalwirtschaftslehre - war der Mensch im Unternehmen schon immer ein Phänomen, das man schwer greifen konnte. Denn diese ordnete den Menschen in die Kategorie der Produktionsfaktoren ein und behandelte ihn als 'homo oeconomicus', dessen Verhalten ausschließlich rational und objektiv bestimmbar erschien. Es hat lange gedauert, bis in Personalmanagementkonzepten akzeptiert wurde, dass der Mensch nicht 'DIN-genormt' ist, sondern (auch) von Emotionen
gesteuert wird und deshalb nicht bloß auf der rationalen Ebene ansprechbar ist. Zugleich wurde anerkannt, dass Potenziale des Menschen, die über eine kurzfristige Verwertbarkeit
hinausreichen, für das Unternehmen erfolgsentscheidend werden können. Diese Überlegungen bilden die Ausgangspunkte des vorliegenden Buches. Die zu diskutierenden Fragestellungen beleuchten wir nicht alleine aus personalwirtschaftlicher
Sicht. Wir wollen vielmehr verdeutlichen, dass der Mensch in seiner Arbeit immer als ganze Person relevant bleibt, mit seinen Kompetenzen und Talenten, mit seinen Eigenschaften,
seinen Bedürfnissen und Gefühlen, seinen Werten und Einstellungen.
Die Bedeutung des ganzen Menschen eröffnet sich aus zwei Perspektiven: Einerseits hat jede Maßnahme zur Gestaltung menschlicher Arbeit, zum Einsatz des Menschen und zur
Steuerung seines Arbeitsverhaltens diesen ganzen Menschen zu berücksichtigen. Mit der Folge, dass einzelne Maßnahmen der Personalarbeit wechselseitig voneinander abhängen
und häufig neben erwünschten Wirkungen auch nicht beabsichtigte, gar kontraproduktive Nebenwirkungen bringen können. Andererseits stellt der ganze Mensch auch eine zentrale
Voraussetzung erfolgreicher Betriebs- und Unternehmenssteuerung dar.
Um beide Perspektiven einzuholen, bedarf es interdisziplinären, besser: transdiziplinären Denkens als Grundlage der Personalarbeit. Neben der ökonomischen Sicht sind Impulse
aufzugreifen, die sozusagen von außen, von anderen Disziplinen (unter anderem Psychologie, Soziologie, Jurisprudenz) an die betriebswirtschaftlich geprägte Personalarbeit
herangetragen werden.
Die in diesem Buch enthaltenen Beiträge knüpfen an diese Überlegungen an und versuchen die Fragestellungen der Personalarbeit unter Berücksichtigung der 'Schnittstellen' zu
anderen wissenschaftlichen Disziplinen zu hinterfragen.
Dieses Buch ist als Handbuch, als Begleiter für Studium und beruflichen Alltag, also 'anwendungsorientiert' konzipiert. Als solches kann und soll es keine einfachen 'Rezepte'
liefern, wie routinehaft in jedem beliebigen Anwendungsfall mit Personalmaßnahmen zu verfahren sei. Das führte nach unserem Verständnis an praktischen Erfordernissen völlig
vorbei, da jede (personalwirtschaftliche) Entscheidungssituation jeweils spezifische Merkmale und Merkmalsausprägungen aufweist. Vielmehr behandelt das Buch 'Konzepte', also grobe,
aber belastbare Entwürfe und schafft so die Voraussetzungen dafür, dass der mit ihm arbeitende Leser Kompetenz für Aufgaben im Personalmanagement erwerben kann. Als
Kompetenz gelte die Fähigkeit, mit einer notwendig begrenzten Zahl von Elementen (Wissen, Können, Fertigkeiten, Beherrschung von Instrumenten) eine letztlich unbegrenzte Anzahl von
Handlungen der eigenen Person und anderer Personen in wechselnden Situationen zu verstehen, deren ('technische' und normative) Richtigkeit zu beurteilen und - ex ante
immer unbestimmbare - Handlungen in immer wieder neuen Situationen hervorzubringen.
Um hierzu Unterstützung zu leisten, setzt sich das Buch mit Denkhaltung und Arbeitsweise der Personalfunktion elementar auseinander. Es behandelt zu diesem Zweck aus den
aufgezeigten Blickwinkeln heraus eine Auswahl von Problemfeldern, Theorien und Methoden, die geeignet scheinen, solches Denken zu fördern und das Handeln im Berufsfeld Personal zu unterstützen. Gerade die theoretische Untermauerung ist für eine erfolgreiche Personalpraxis unverzichtbar, weil sie - hoffentlich - gute Gründe liefert für Auswahl und Einsatz
bestimmter Verfahren. Der mit unserem Buch arbeitende Leser kann sich kognitives Wissen aneignen und kognitive Einsichten vertiefen, er kann seine Einstellungen und Haltungen zu
den behandelten Themen prüfen, schärfen, gegebenenfalls revidieren, und er bekommt Anstöße, auf dieser Basis situationsgerecht zu handeln.
Inhaltsverzeichnis
0. 0. Vorwort; Klaus, Hans / Schneider, Hans J.
1. 1. Der ganze Mensch: Herausforderungen für die Personalarbeit; Klaus, Hans
1. 2. Moderne Instrumente im Human Resource Cycle; Laudahn, Heike
1. 3. Unternehmensethik und Personalarbeit; Löhr, Albert
1. 4. Studieren für das Berufsfeld Personal; Klaus, Hans
1. 5. Unternehmer im Unternehmen - fordern und fördern; Wunderer, Rolf
2. 1. Motivation; Klaus, Hans / Schneider, Hans J.
2. 2. Personalführung; Klaus, Hans / Schneider, Hans J.
2. 3. Führungsgrundsätze und Zielvereinbarungen; Lieber, Bernd
2. 4. Glücksforschung; Ruckriegel, Karlheinz
2. 5. Leadership Communication; Regnet, Erika
3. 1. Menschliche Arbeit zwischen Unternehmensstruktur und -kultur; Klaus, Hans
3. 2. Hierarchie und Selbstabstimmung; Hahne, Anton
3. 3. Innovations- und Veränderungsmanagement; Bartscher, Thomas / Frick, Juliane
3. 4. Flexible Arbeitszeitgestaltung im Tag- und im Schichtdienst; Hoff, Andreas
3. 5. Wissensorientierte Unternehmensführung; North, Klaus
4. 1. Total Compensation; Cisek, Günter
4. 2. Erfolgsbeteiligung der Mitarbeiter; Schneider, Hans J.
4. 3. Erfolgsbeteiligungen mit personalwirtschaftlichen Systemen; Schneider, Hans J.
4. 4. Wertorientierte Erfolgsbeteiligungen (Aktienoptionen); Schneider, Hans J.
4. 5. Kapitalbeteiligung der Mitarbeiter; Schneider, Hans J.
4. 6. Grundzüge der betrieblichen Altersversorgung; Voß, Jürgen
4. 7. Wertguthaben; Fritz, Stefan
5. 1. Flexicurity; Keßler, Jürgen
5. 2. Industrielle Arbeitsbeziehungen; Gaugler, Eduard
5. 3. Wertewandel und personalpolitische Auswirkungen;Krüger, Karlheinz
Leseprobe
Der ganze Mensch: Herausforderungen für die Personalarbeit
Zwei Grundfragen für das Personalmanagement
Der Mensch bleibt in der Arbeit als ganze Person relevant. Die folgenden zwei Grundfragen
erhellen die Bedeutung dieser schon im Vorwort gebrauchten Aussage für das betriebliche
Personalmanagement (synonym: Personalarbeit):
- Wie geht der Betrieb mit der menschlichen Arbeit um beziehungsweise welchen Stellenwert
billigt er der insoweit zuständigen Personalfunktion zu?
- Wie geht der Mensch mit seiner Arbeit um beziehungsweise was bringt er ein und wie
bringt er sich in seine Arbeit ein?
Die erste Grundfrage betrifft den Stellenwert, der der Personalfunktion mit ihren generischen
Teilfunktionen Personalgewinnung, Personalentwicklung und Personalerhaltung für die
Steuerung eines
Unternehmens beigemessen wird. Versteht man Personalarbeit rein operativ, die Strategie
umsetzend, als 'Lückenbüßer' der Unternehmensführung, oder gilt Personalarbeit als
eigenständige Funktion der Unternehmenssteuerung von strategischer Bedeutung, die in
ihrer Steuerungsleistung zu den anderen Funktionen komplementär wirkt? In operativer Sicht
ginge es darum, die als personenunabhängig, rein von den Aufgaben her definierte und
insofern 'menschenleere' Organisationsstruktur, die zur Umsetzung der Strategie gestaltet
wurde, mit den erforderlichen 'Aufgabenträgern' zu versorgen. Es wird zu zeigen sein, dass
ein anderes, strategisches Verständnis der Personalfunktion geboten ist. Denn nur eine
entsprechend ausgerichtete Personalarbeit ermöglicht Entwurf, Entwicklung, Umsetzung und
Kontrolle von Strategien; aufgrund von Komplexität und Dynamik kann den Anforderungen
betrieblicher Aufgaben letztlich nur auf der personalen Ebene Rechnung getragen werden.
Personalarbeit als Unternehmensführungsfunktion muss also den ganzen Menschen in den
Blick nehmen, sie ist auf diesen ganzen Menschen angewiesen.
Die zweite Grundfrage fokussiert das Menschenbild, das der Personalarbeit zugrunde liegt.
Sie korrespondiert mit der ersten Grundfrage, bringt allerdings zusätzliche
Herausforderungen an die Personalarbeit mit sich, in strategischer wie in operativer Hinsicht.
Ohne ein triftiges Bild von Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft des Menschen, von
dem, was diesen antreibt oder bindet, hat Personalarbeit keine sinnvolle Grundlage.
Beispielhaft mag es um folgende Fragen gehen: Kann und darf man erwarten, dass der
Mensch mehr oder weniger bereitwillig perzipierte 'Zumutungen' seiner betrieblichen
Aufgaben erträgt, hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsinhalt und Umgebungseinflüssen? Welche
Anreize oder 'Incentives' soll man ihm anbieten, damit er (trotz solcher Zumutungen)
rollengemäß funktioniert? Unter welchen Bedingungen wird er Weiterbildung aktiv betreiben,
gegebenenfalls sogar außerhalb der Arbeitszeit und ohne materielle Entschädigung? An
Fragen wie diese mag man empirisch herangehen; man kann dann mit entsprechenden
Personalmanagementinstrumenten reagieren. Dabei ist allerdings mit erheblichen
interindividuellen Unterschieden zu rechnen und ferner damit, dass der empirische Zugang
immer nur zeitlich begrenzt gültiges Wissen um jeweils aktuell herrschende Werte,
Einstellungen und Motivationslagen arbeitender Menschen liefert. Wichtiger sind aber noch
die beiden folgenden Argumente. Es bleibt ausgeblendet, ob und inwieweit gerade die
Gestaltung von Arbeit selbst die Bedingungen herstellt, auf die Personalmanagement
reagieren soll. Und es bleiben normative Aspekte, wie Arbeit gestaltet werden soll,
unberücksichtigt. Einen Ausweg liefert nur das systematische Aufarbeiten der möglichen
Wechselwirkungen zwischen Mensch und Arbeit.
Über die Herausgeber:
Dr. Hans J. Schneider ist Professor für Personalwirtschaft an der Georg-Simon-Ohm Hochschule Nürnberg. Die betriebliche Mitarbeiterbeteiligung steht seit Jahrzehnten Im Mittelpunkt seiner wissenschaftlichen und beratenden Tätigkeit. Als geschäftsführender Gesellschafter der Gesellschaft für innerbetriebliche Zusammenarbeit GIZ GmbH hat er an der Einführung einer Vielzahl von Beteiligungsmodellen in der Praxis mitgewirkt. Über zwei Jahrzehnte hat er neben seiner Hochschultätigkeit die Schriftleitung der Zeitschrift PERSONAL wahrgenommen.
Prof. Dr. Hans Klaus, Jahrgang 1956, Studium der Betriebswirtschafslehre (Dipl.-Kfm.) und der Wirtschaftspädagogik, anschließend Tätigkeit im Handel und in der Unternehmensberatung, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Betriebswirtschaftlichen Institut der Universität Erlangen-Nürnberg, Promotion zum Dr. rer. pol., seit 1990 Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensführung an der Fachhochschule Kiel.