Wenn durch Rechnung oder Messung nachgewiesen wird, dass eine
gleichmäßige Stromaufteilung auf die parallelen Leitungszweige
nicht möglich ist oder bestehen hierüber berechtigte Zweifel,
so muss nach Abschnitt 1.5.1 die Möglichkeit (3) oder (4) gewählt
werden. In diesem Fall muss jedoch gewährleistet sein,
dass durch das Auslösen einer Überstrom-Schutzeinrichtung nicht
ein Zweig ausfällt und anschließend der gesamte Betriebsstrom
über die verbleibenden parallelen Leitungen geführt wird. Dies
kann z.B. durch die Wahl der Möglichkeit (3) nach Abschnitt
1.5.1 sowie durch die gegenseitige Verriegelung der Schutzeinrichtungen
erfolgen, so dass beim Auslösen einer Schalteinrichtung
alle übrigen zwangsläufig mit auslösen. Wählt man diese Verriegelung,
kann in der Regel auf den beidseitigen Schutz nach (4)
aus Abschnitt 1.5.1 verzichtet werden.
1.5.3 Schutz von parallelen Kabeln und Leitungen bei Kurzschluss
Auch für den Schutz bei Kurzschluss kann eine gemeinsame
Überstrom-Schutzeinrichtung gewählt werden. Natürlich müssen
auch in diesem Fall bestimmte Bedingungen berücksichtigt werden
(siehe Abschnitt 1.5.2 dieses Buchs).
In VDE 0100-430, Abschnitt 434.4 werden die grundsätzlichen
Anforderungen für den Schutz bei Kurzschluss durch eine einzige,
gemeinsame Schutzeinrichtung beschrieben: Die Überstrom-
Schutzeinrichtung muss in diesem Fall in der Lage sein, ein wirksames
Ansprechen sicherzustellen, wenn ein Fehler an der
kritischsten Stelle in einem der parallel geschalteten Leiter auftritt.
Die Frage bei dieser Forderung ist jedoch, wo sich die kritischste
Stelle im Parallelsystem befindet.
Als weitere Erläuterung findet man im zuvor erwähnten Abschnitt
dieser Norm den Hinweis, dass ein Fehler von beiden Enden
der parallel geschalteten Leiter gespeist werden kann. Der
kritischste Fall liegt z. B. dann vor, wenn im Schadenfall ein Leiter
durchtrennt wird und dabei nur an einem der beiden Leiterenden
ein Kurzschluss eintritt (z. B. durch Kontakt mit dem
Schutzleiter oder mit einem leitfähigen Teil, das mit dem Schutzleiter
in Verbindung steht).
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Schutz vor Überstrom bei parallelen Kabeln und Leitungen
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Schutz vor Überstrom bei parallelen Kabeln und Leitungen
Diese Situation ist in Bild 5 am Beispiel eines Parallelsystems mit
drei parallel geschalteten Leitern dargestellt (siehe auch Bild 6
dieses Buchs). Wenn der zuvor beschriebene Kurzschluss zu Beginn
der Parallelstrecke (am Punkt A nach Bild 5) stattfindet, wäre
es möglich, dass der Kurzschlussstrom über die noch intakten Leiter
bis zum Ende der Parallelstrecke fließt (also über die beiden
unteren Leiter von Punkt C bis zum Punkt B nach Bild 5) und von
dort zurück über den betroffenen Leiter (den oberen Leiter nach
Bild 5) bis zum Kurzschlussort (Punkt A nach Bild 5).
Im Bild 6 wird auch der entsprechende Stromfluss dargestellt -
dort allerdings für den Fall, dass mehrere Schutzeinrichtungen
vorgesehen wurden.
In diesem Fall würde der Kurzschluss die höchstmögliche Impedanz
überwinden müssen und dementsprechend niedrig ausfallen.
Bei Kurzschlüssen an anderen Orten innerhalb der Parallelstrecke
würde der Kurzschluss stets höher ausfallen und dadurch
die Wahrscheinlichkeit, dass die vorgeschaltete Überstrom-
Schutzeinrichtung rechtzeitig auslöst, erhöhen.
Die Fehlerschleifenimpedanz für diesen kritischen Kurzschlussort
kann man mit folgender Formel berechnen:
ZgS = ZvS + + ZpL (17)
ZgS gesamte Fehlerschleifenimpedanz bis zum Kurzschlussort
(Punkt A nach Bild 5)
ZvS Schleifenimpedanz des Netzes bis zum Beginn der Parallelstrecke
(also bis zum Punkt C nach Bild 5)
ZpL Impedanz eines Leiters der Parallelstrecke
n Anzahl der parallelen Leiter, dabei ist n immer größer als 1
Bild Beispiel eines Parallelsystems mit drei parallel geschalteten Leitern und einem
5 Kurzschluss an der kritischsten Stelle.
A Kurzschlussort
B Ende der Parallelstrecke
C Beginn der Parallelstrecke
240mm2
70mm2
70mm2
70mm2
315A
A
C B
Leitung 1
Leitung 2
Leitung 3
ZpL
n - 1