Vincent setzt jeden Schritt mit Bedacht, als wollte er seine Fußsohlen entlasten. Frank, der ruhig auf einem beinahe ebenen Felsen sitzt, beobachtet ihn dabei mit einem wohlwollenden Lächeln. Die kräftigen Arme ausgestreckt, um das Gleichgewicht zu halten, und dieser Rücken, noch nie hat er einen so schlanken und straffen Rücken gestreichelt. Markante, ebenmäßige Schulterblätter und breite Schultern, die Rückenmuskulatur ausgeprägt, aber nicht übertrieben. Die Schönheit eines von Natur aus kräftigen Körpers, nicht zu vergleichen mit einem künstlich trainierten, dem man das Wollen und Nichtkönnen ansieht. Der Körper eines Tänzers, wohlproportioniert und im Kampf gegen die Schwerkraft geformt, perfekter noch als alle Statuen im Metropolitan. Und sein Gesicht: das Kinn im richtigen Winkel, die Stirn breit, was seinem Ausdruck Festigkeit gibt, die Nase schmal mit leicht aufwärts gebogener Spitze, tiefgründige, ein wenig melancholische Augen und volle Lippen. Aber sein Gesicht bekommt Frank erst zu sehen, als Vincent, der sich langsam auf den Felsen vortastet, ins Wasser steigt und sich dann lachend und mit einer schwungvollen Kopfbewegung zu ihm umdreht und ihm zuruft: »Komm Frank, beweg dich!« »Von hier aus kann ich dich aber besser betrachten«, ruft Frank zurück und formt dabei mit den Händen einen Trichter um den Mund, nicht um besser gehört zu werden, sondern weil er glaubt, dass die Botschaft so besser ankommt. »Aber Frank, willst du wirklich dort Wurzeln schlagen?« Franks Platz ist von einem hohen Felsen geschützt; und er möchte jetzt lieber hier im Schatten trocknen als unter der prallen Sonne. Er ordnet sorgfältig sein Haar; solange es feucht ist, lässt sich die beginnende Glatze nicht so leicht kaschieren. »Dich betrachte ich nämlich lieber als die schönsten Gemälde der Welt.« »Wirklich?«, fragt Vincent und tut ein wenig verschämt. »Na, vielleicht mit einer Ausnahme, Der polnische Reiter von Rembrandt, du weißt ja, der hängt im Frick.« »Du würdest mich wirklich gegen ein Stück bemalter Leinwand tauschen?« Jetzt hat auch er seine Hände zu einem Trichter geformt. »Du hast ihn noch nie gesehen, stimmts?« »Nein, ich war noch nie im Frick.« »Na, dann wird es höchste Zeit. Weißt du was? Wir werden einfach gemeinsam hingehen und ihn uns gemeinsam ansehen.« Vincent muss lachen, doch inmitten der Wellen, die gegen die Felsen schlagen, hört es sich seltsam an. »Wir werden ja sehen, wer von uns beiden gewinnt.«