Die Franzosen bezeichnen das Fahrrad schon lange liebevoll als »La petite reine« - die kleine Königin. Das ist allerdings etwas verwunderlich, denn aus nun über hundert Jahren Fahrradgeschichte entsteht eher der Eindruck, dass daran kaum Frauen beteiligt waren und sind. Schaltet man im Juli den Fernseher ein, kommt man nicht am größten Sportevent des Jahres vorbei, bei dem sich fast zweihundert Radsportler über mehrere tausend Kilometer durch Frankreich quälen. Jeder dieser Teilnehmer ist ein Mann. Und auch in den meisten Städten und Gemeinden der Welt sieht man mehr Männer auf Rädern als Frauen. Es scheint, als sei das Radfahren eher eine Angelegenheit für Männer und hätte mit kleinen Königinnen nicht viel zu tun.
Und doch war das Radfahren von Anfang an auch ein feministisches Anliegen. Die Frauenrechtlerin Susan B. Anthony war im späten 19. Jahrhundert der Ansicht, das Fahrrad habe »mehr zur Emanzipation der Frau beigetragen als irgendetwas anderes auf der Welt«. Als das Fahrrad in den 1880er-Jahren aufkam, löste es eine Revolution aus. Das Leben der Menschen wurde durch dieses praktische und effiziente Fahrzeug verändert; es ermöglichte nicht nur, mit vergleichsweise geringem Aufwand größere Entfernungen zu überwinden und an Orte zu gelangen, an die man sich sonst vielleicht nie gewagt hätte, sondern es machte auch noch Freude, sich damit fortzubewegen. Und auch heute, wo es so viele Möglichkeiten des Reisens gibt, ist das Radfahren noch immer beliebt. Das Gefühl, in die Pedale zu treten, den Wind in den Haaren zu spüren, sich beim Bergabfahren ein wenig vorzukommen, als könne man fliegen - all das wird einfach nie langweilig.