Vorwort
Als wir erstmals auf die 1779 erschienene deutschsprachige Übersetzung des Buches von Jérôme Richard "Histoire naturelle, civile et politique du Tonquin" (1778) stießen, waren wir sofort fasziniert von dieser ungewöhnlich detailreichen Darstellung des alten Nordvietnam. Richard verwertete Aufzeichnungen des französischen Missionars und Abbés Saint-Phalle, die viel informativer waren als alle anderen Missionarsberichte jener Periode, einschließlich der Mitteilungen des berühmten Alexandre de Rhodes (1591-1660). In keinem anderen Werk, weder in einer europäischen noch in vietnamesischer Sprache, hatten wir zuvor so exakte Angaben zum vorkolonialen Alltagsleben oder zu speziellen Themen wie beispielsweise zur traditionellen Salz- oder Papierherstellung finden können wie hier.
Natürlich waren in der Zeit des 17.-19. Jh. weitere Bücher vor allem von Missionaren, Gesandten, Handlungs- oder Entdeckungsreisenden über Tunkin verfasst worden. Doch hatte keines dieser anderen Werke den Anspruch oder die Absicht jenes fernöstliche Land und seine Bewohner in möglichst vielen Facetten darzustellen. Die meisten basieren auf Beobachtungen 'beim Durchreisen' oder entstanden unter einem eingeschränkten Blickwinkel.
Das deutschsprachige Buch von 1779 mit dem Titel "Sittliche und natürliche Geschichte von Tunkin" war 'nur' eine gekürzte Übersetzung aus dem Französischen. Also verglichen wir beide Ausgaben miteinander. Dabei war festzustellen, dass dieses Werk in der komprimierten Übersetzung für einen breiteren Leserkreis interessanter ist. Der Übersetzer hatte sich auf jenen Teil der vielen hundert Seiten umfassenden Berichte Saint-Phalles konzentriert, der - ganz im Geiste der Aufklärung jener Epoche - Informationen über Land und Leute einer unbekannten Region vermittelt. Die vorgenommenen Kürzungen betrafen fast ausschließlich sehr allgemein erläuternde Abschnitte ohne Informationswert über Tunkin. Außerdem verwarf er jene Passagen, in denen über die Geschichte, besondere Ereignisse und den Stand der christlichen