Vorwort
Die Herausforderung: Regierungspartei "am Rande des Abgrunds"
Grundprobleme der Grünen: Strategie- und Identitätsschwäche
Strategiefähigkeit
Regierungsfähigkeit
Identitätsschwäche
Strategisches Zentrum: Leerstelle
Führungsvakuum der Regierungspartei
Voraussetzungen und Funktionen eines strategischen Zentrums
Strömungsblockade und "Fischerismus"
Ideelles Zentrum: Orientierungslücke
Kompaß und Koordination
Grundlegende Strategieoptionen
Ideelles Zentrum
Wählerauftrag: in viele Richtungen zugleich
Regierungsbildung: Pyrrhussiege und falsche Weichenstellung
Verhandlungspoker
Posten und Personen
Regierungssteuerung im Parteienstaat
Sozialdemokratisches Regieren - mit und ohne Strategie
Lafontaine, Schröder und der Kampf um das Zentrum
Zwischen Chaos und Ordnung: die Effekte von Regierungssteuerung
Grünes Regieren - ohne Zentrum und Strategie
Ungleiche Augenhöhe
Strategische Defizite
Politikfelder und Profilierung
Umweltpolitik
Atomausstieg
Neue Energiepolitik
Ökosteuer
"Verkehrswende"
Reform des Staatsbürgerrechts
Probleme grünen Regierens
Durchsetzungsprobleme
Kommunikationsprobleme
Die Wahlkrise der Grünen
Falsche Stärke
Wo bleiben die Jungwähler?
Wahlaussichten
Organisation und Strategiefähigkeit
Die Patchwotkpartei
Strukturreform: erst eingemottet, dann blockiert
Ewige Strukturmalaise der Grünen?
Strömungen: zwischen Burgfrieden und Ausscheidungskampf
Der Burgfrieden der 90er Jahre
Die Linken: buntscheckig, aber ohne Profil
"Strömungen sind die gespaltene Partei"
Identitätsprobleme: Was hält die Grünen zusammen?
Fragmentierung und Instabilität
Problematische Bewegungserbe
Personifizierung: Fischer, Ströbele, Trittin
Kuhn und Künast - ein erfolgreiches Notstandsregime?
Perspektiven
Rot-Grün - ein Auslaufmodell?
Szenarien grüner Entwicklung
Regierungsbildung: Pyrrhussiege und falsche Weichenstellung
Verhandlungspoker
Posten und Personen
Schluß
Anmerkungen
Chronologie
Dank
Bildnachweis
Personenregister
Vorwort
"So kann man nicht regieren", sagte mir ein führender Sozialdemokrat aus der rot-grünen Bundesregierung, und er meinte die Grünen. Vieles im Buch wird dieses Urteil bestätigen. Die ersten zwei Jahre haben die Grünen eine schlechte Figur gemacht.
"Wir haben nicht analysiert", gestand die neue Parteivorsitzende Renate Künast, "was es eigentlich heißt, auf Bundesebene zu regieren." Diese Analyse wird hier nachgeholt. Worauf kommt es an beim Regieren, was muß man von einer regierungsfähigen Partei erwarten, was genau ist denn falsch gelaufen beim grünen Regieren? Das führt zu tieferliegenden Ursachen, einigen Maßstäben, und viel Kritik an den
Grünen.
Aber hatten nicht auch die Sozialdemokraten, mit ihrer Skepsis gegenüber den Grünen, ein erstes Regierungsjahr hingelegt, das die
Überschrift verdiente: "So kann man nicht regieren"? Woran lag es bei ihnen, daß sie im zweiten Jahr wie ausgewechselt wirkten? Gibt es, wenn nicht Rezepte, so doch einige Regeln, die man beachten muß, wenn man erfolgreich regieren will?
"Regieren ist schwerer geworden" titelte unlängst Günter Bannas in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Dabei sind es nicht Zufälle und Stimmungen, die die Berg- und Talfahrten der Regierungs- und schon längst auch der Oppositionsparteien erklären. Politik selbst ist schwerer geworden, nicht nur die Lösung komplexer Probleme, sondern die Gewinnung von Handlungsfähigkeit zunehmend fragmentierter Akteure und das immer schwerer berechenbare Zusammenspiel staatlicher und gesellschaftlicher Handlungsträger.
Mich beschäftigt seit längerem die Frage, wie die heutigen Parteien, die sich intern immer mehr zu "lose verkoppelten Anarchien" entwickeln, extern dennoch erfolgreich sein können. Meine These: durch ein kompliziertes, professionelles Zusammenspiel zwischen wenigen, strategiekompetenten Personen an der Spitze, der Partei als einem zunehmend symbolischen Akteur, den Wählern und den Medien. Wer die Regeln dieses Spiels, das immer weniger mit älteren Vorstellungen von innerparteilicher Demokratie, Programm- oder Mitgliederpartei zu tun hat, nicht kennt und sich für dieses strategisch-symbolische Spiel nicht fit macht, verliert über kurz oder lang.
Hier lagen die Probleme der SPD in ihrem verflixten ersten Jahr, aber auch ihr bisher erfolgreicher Versuch einer Selbstrettung. Und auf diesem Feld liegen die noch viel tiefer reichenden Probleme der Grünen. Wenn sie scheitern, so meine Vermutung, scheitern die Grünen wesentlich an sich selbst. Bei der Suche nach Wegen, auf denen Parteien heute als strategiefähige Akteure erfolgreich sein können, sind die Grünen der Negativfall. Sie zeigen nicht alles, aber sehr vieles von dem, was man falsch machen kann. Ihr innerer Bauplan ist unbrauchbar für einen strategiefähigen Akteur. Was ein bißchen Halt geben sollte, ihre Identität, ist zerrissen. Beim Regieren zeigen sie alle Schwächen, die sie als Partei nicht überwinden konnten.
Und warum wird Joschka Fischer, beliebtester deutscher Politiker, nicht einfach Vorsitzender dieses Vereins, und alles wird gut? Weil er weiß, daß er manches kann, aber gerade diesen Job nicht. Weil der Fischer der Grünen ein anderer ist als der Fischer des demoskopischen Volkes. Weil sein Führer-Gefolgschafts-Modell zu den Grünen tatsächlich paßt wie die Faust aufs Auge. Weil er ein Teil der verkorksten Beziehungsgeschichten ist, die die Grünen immer aufs Neue blockieren. Weil er, überraschenderweise, destruktiv ist für die Entwicklung der Grünen.
Nicht allein die Partei ist das Problem, obwohl auch über die Vorbelastungen aus ihrer Geschichte zu reden sein wird. Die basisdemokratische Partei hat, trotz langen Widerstands, die Bildung von Eliten zugelassen. Aber diese waren unfähig, aus sich heraus das kleinere, wenngleich unerläßliche Segment "strategisches Zentrum" zu entwickeln. Von einem solchen Zentrum sind grundlegende Orientierungs- und Steuerungsleistungen zu erwarten. Daran fehlt es bei dieser Partei. Die Krise der Grünen als Regierungspartei hat viele Ursachen. Eine der wichtigeren heißt Führungsversagen.