Im Bootsschuppen stand die Hitze, Sonnenstreifen sickerten durch die Wandbretter, und dort, wo die Sonnenstreifen auf den Boden trafen, wuchsen kurze gr?ne Grasb?schel zwischen den Steinen hervor. Am liebsten h?e sie sich jetzt ausgezogen, um in den noch winterkalten Fjord hinauszuwaten, den Muschelsand unter ihren Fu?ohlen zu sp?ren, die Tanglappen an Waden und Schenkeln vorbeigleiten zu lassen, ihn f?r kurze Zeit zu vergessen, ihn zu vergessen und sich desto mehr zu freuen, wenn er ihr wieder einfiel.?Komm doch endlich, bitte.?Sie hatte die T?r angelehnt und konnte hinausschauen. Drau?n lag das Boot an Land, leicht schr?auf der Seite. Der Bug bohrte sich ins Wasser, kleine Wellen leckten schmatzend an den geteerten Brettern. Austernfischer jagten einander ?ber die Wasseroberfl?e, schwarzwei? Wuschel mit knallroten Streifen, benommen und ausgelassen von der Sonne und der pl?tzlichen Hitze. Alle sprachen ?ber die Hitze, dar?ber, dass die warmen Sommer mit dem Frieden gekommen seien. Zwei Jahre Frieden im Land, und pl?tzlich war es wieder warm. Die Felder strotzten vor Korn und Saatkartoffeln, Beerenstr?her und B?e waren ?bers?von neuen Knospen, sogar die deutschen B?e wuchsen wie besessen. In dem Fr?hling, in dem die Deutschen gekommen waren und mit dem Land gemacht hatten, was sie wollten, war es so kalt gewesen, dass bis weit in den Mai hinein in den Fjordarmen Eis gelegen hatte.Noch immer freute sie sich ?ber den Frieden und fragte sich, wie viel Zeit vergehen m?sste, bis sie ihn so selbstverst?lich nehmen w?rde, wie man das doch eigentlich sollte. Aber vielleicht kam die Freude auch noch von woandersher, von ihm. Sie hatte ihn im Friedenssommer kennengelernt. Wenngleich, kennengelernt. Sie hatte doch immer gewusst, wer er war, bei mehreren Gelegenheiten hatte sie sogar ganz normal mit ihm gesprochen, er kam ja auf alle H?fe, wie die meisten Menschen aus der Nachbarschaft. Aber pl?tzlich, an diesem Sommerabend auf Snarli, als sie drau?n auf der Hofwiese sa?n, nachdem sie den ganzen Tag mit Torfstechen besch?igt gewesen waren, als sie schwei?ass und benommen von Hitze und Anstrengung dasa?n, kam er von Neshov aus ?ber die Felder geschlendert, und sie sah sofort, dass er zu ihr wollte. Ihr K?rper verstand, jede Faser ihres Leibes wurde von ihm gesehen, ihr Hals, die schwei?assen Locken, die an ihrer Stirn klebten, die H?e, die sie hinter sich ins Gras st?tzte, die Waden, von denen sie wusste, dass sie braun und blank aus ihren Schuhen ragten, ihm entgegen. Irgendwer holte einen Becher Bier, das Bier brachte sie zum Lachen, auch er lachte, versuchte, vor allem die anderen anzulachen, aber sein Blick landete doch immer wieder bei ihr und machte sie sch?n, und als sie sp?rte, wie ihr Rocksaum ein wenig ?ber ihre Knie glitt, dahin, wo die Oberschenkel sich nach innen w?lbten, lie?sie ihn ein wenig weiter gleiten, und noch ein wenig weiter, und spreizte leicht die Knie, und sie lachte noch mehr und sp?rte den Schmerz, der ihr das Kreuz hochwanderte, so dass sie fast aufgejammert h?e.Sie ging heimw?s, und er stand im Laubwald und wartete, sie durfte ihre Handfl?en auf seine Haut legen und seinem Blick begegnen, und sie wusste, dass von jetzt an alles neu sein w?rde. Nicht nur der Frieden und dass sie im Laufe der Kriegsjahre erwachsen geworden war, sondern die ganze Welt, hier standen sie und erschufen die Welt, sie beide zusammen, B?e und Boden wurden neu, der Fjord dort unten, der Sommerhimmel mit den jagenden Schwalben, als er den Kopf senkte und fest damit rechnete, dass sie seinen Lippen begegnen w?rde.An das Ungeheuerliche daran verschwendete sie nicht einen einzigen Gedanken.Da kam er! Allein, Gott im Himmel sei Dank.Sie schluchzte auf und sp?rte, wie das Zittern einsetzte, ihre Beine ?berzogen sich in der stehenden Hitze mit G?ehaut, ihr Mund trocknete aus. Er schwenkte die Arme, seine Stirn leuchtete blank und braun, w?end er seine Holzschuhe anstarrte und seine Schritte auf dem steinigen, unebenen Weg plante. Unter der groben Arbeitskleidung geh?rte er ihr, hinter den Ger?chen harter Arbeit lagen ihre Ger?che, sie wollte seine Augen lecken, bis nur noch f?r sie Platz dort w?, obwohl sie doch wusste, dass es ohnehin schon so war. Sie geh?rte jetzt nach Neshov, w?rde dort sein, er hatte daf?r gesorgt, dass sie immer dort sein konnte. Und ab und zu w?rden sie sich davonschleichen, hierher oder in die Scheune oder in den Wald, weg von den d?nnen Schlafzimmerw?en, die nur aus Ohren zu bestehen schienen.Seine Holzschuhe knirschten auf dem sonnengetrockneten Tang. Vor dem Bootshaus blieb er stehen.?Anna??, fragte er leise in den dunklen T?rspalt.?Hier bin ich?, fl?sterte sie und versetzte der T?r einen kleinen Sto?Als an einem Sonntagabend um halb elf das Telefon schellte, wusste er nat?rlich, was los war. Er griff nach der Fernbedienung und drehte den Fernseher leiser, ?ber den Bildschirm flimmerte eine Reportage ?ber Al-Quaida.?Hallo, hier spricht Margido Neshov.?Und er dachte: Ich hoffe, da ist ein alter Mensch in seinem Bett gestorben, ich hoffe, es ist kein Verkehrsunfall.Es war jedoch keins von beiden, sondern ein Junge, der sich erh?t hatte. Der Vater rief an, Lars Kotum, Margido wusste genau, wo in Byneset der gro? Kotumhof lag.Im Hintergrund h?rte er laute Schreie, tierisch, schrill. Schreie, mit denen er in gewisser Weise vertraut war, die Schreie einer Mutter. Er fragte, ob der Vater bereits Polizei und ?ztin verst?igt habe. Nein, der Vater hatte sofort Margido angerufen, er wusste, wer Margido war und welchen Beruf er aus?bte.?Du musst auch Polizei und ?ztin anrufen, oder soll ich das tun???Er hat sich nicht... auf normale Weise erh?t. Er hat sich eher... erw?rgt. Es ist einfach entsetzlich. Ruf du an. Und komm. Bitte, komm.?Er nahm nicht den schwarzen Leichenwagen, sondern den Citroen. Sollte doch die Polizei einen Krankenwagen kommen lassen.Er rief von unterwegs an, w?end die Autoheizung w?tend gegen die Windschutzscheibe blies, er musste rufen, um das Rauschen zu ?bert?nen, es waren viele Grade unter null an diesem dritten Adventssonntag. Er erreichte Polizei und ?ztin, die Sonntagabende waren immer ruhig. An diesem kalten, stillen Abend w?rde es auf einem Hof bald schwarz vor Autos sein, die Leute von den Nachbarh?fen w?rden sich zu den Fenstern vorbeugen und sich wundern. Sie w?rden den Krankenwagen sehen, die Wagen von Polizei und ?ztin und einen wei?n Citroen CX, einen Kombi, den einige von ihnen vielleicht erkennen w?rden. Sie w?rden Licht hinter den Fenstern sehen, wenn es sonst schon l?st dunkel dort war, aber sie w?rden es nicht wagen, so sp?noch anzurufen, sie w?rden bis tief in die Nacht hinein wach liegen und leise in der Dunkelheit ?ber alles reden, was auf dem Nachbarhof passiert sein k?nnte und wem, und insgeheim w?rden sie eine besch?e Freude versp?ren, dass nicht sie betroffen waren.Der Vater empfing ihn in der T?r.