Textprobe:
Kapitel 6.1.1, Begriffsdefinition 'Innovation':
Die Autorin wählt zur Beantwortung der Forschungsfrage für die Begriffsdefinition 'Innovation' die erweiterte Betrachtungsweise von Pernicky (1988, 139; zit. nach Ullmann 2000, 86):
1. Innovation im Bereich 'Kundenbeziehung'.
-Produktinnovation (Produktdifferenzierung, Qualität, Mehrwert schaffen).
-Marketinginnovation (Preisgestaltung, Vertriebskanäle).
-Distributionsinnovation (Vertriebskanalgestaltung, -mix).
-Serviceinnovation (Kundenbetreuung, Reaktionsfähigkeit).
2. Innovation im Bereich 'Unternehmensorganisation'.
-Struktur- und Kulturinnovation (Geschäftsprozessdenken, Unternehmens-organisation, soziale Struktur).
-Managementinnovation (Strategisches Denken, Führungsformen, Kooperationen)
-Finanzinnovation (Finanzierungsmodelle).
-Sozialinnovation (Weiterbildung, Kulturentwicklung).
Anhand dieser Definitionen ist die strategische Neuausrichtung eines Unternehmens als ganzes gesehen eine Innovation.
6.1.2, Voraussetzungen für Innovativität:
Unter Innovativität wird das ständige Hervorbringen von Innovationen verstanden. Inkrementelle und radikale Innovationen erfordern eine unterschiedlich große Bereitschaft zur Veränderung der Personen und auch der Organisation. In den meisten Branchen ist Innovation in der Unternehmenskultur verankert, nicht aber im Tourismus. (vgl. Pechlaner et al. 2005, 65ff; Keller (2002) betrachtet die Unternehmensführung als Schlüsselstelle zur Entwicklung von Innovationen. Ebenso hat Weismeier (2008, 92) in ihrer Diplomarbeit herausgefunden, dass Innovationen in der Hotellerie auf der Ebene der Geschäftsleitung angesiedelt sind. Die Unternehmenskultur sollte daher die Lernbereitschaft der Organisation und das Wissensmanagement als zentrale Aufgaben beinhalten, um Innovativität zu fördern. Die adäquate Personalauswahl und Kompetenzen der Mitarbeiter haben ebenfalls einen erheblichen Einfluss. Der Austausch von Erfahrungen und Ideen innerhalb der Branche ist hilfreich. (vgl. Beritelli/Romer 2006, 60f). Pechlaner et al. (2006, 126) meinen, dass Innovation auch Risikofreudigkeit des Unternehmers voraussetzt, was wiederum eine gewisse Eigenkapitalausstattung erfordert.
Die geringe Unternehmensgröße erlaubt (und das bisherige Branchenwachstum schien das auch nicht zu erfordern) kein eigenständiges Innovationsmanagement, so wie in anderen Branchen. Dies wird noch verstärkt durch die fehlende Strategieorientierung und eine eher auf Bestandssicherung ausgerichtete Unternehmenskultur. (vgl. Pompl/Buer 2006, 32).
Die Vielzahl von KMU, knappe finanzielle und personelle Ressourcen, die Bündelung einzelner Leistungen zu einem Leistungsbündel und die starke Ausrichtung auf Kundenbedürfnisse führen dazu, dass die meisten Innovationen im Tourismus inkrementeller Natur sind und nur selten radikale Innovationen sind. (vgl. Beritelli/Romer 2006, 53).
6.1.3, Innovation in der KMU Hotellerie:
Grundsätzlich kann gesagt werden, dass es nur wenige empirische Studien zum Thema Innovation und Innovationsverhalten in der KMU Hotellerie gibt. (vgl. Weiermair 2005, 62). Den kleinstrukturierten familiengeführten Hotels fehlt es leider an Zeit, Geld und Wissen, um innovative Aktivitäten in Gang zu setzen. Pechlaner et al. (2006, 126) behaupten, dass sie daher oft eher die Strategie der Imitation wählen.
Ein Hemmnis für Innovativität sind laut Widauer (Interview vom 22.05.09) die Rahmenbedingungen für die Hotellerie. Durch die hohen Lohnnebenkosten wird bei den Mitarbeitern gespart, sodass sich die Unternehmerfamilie stark mit ihrer Arbeitszeit in den operativen Bereich einbringt. So bleibt zum Nachdenken wenig Zeit und Kreativität wird verhindert.
Peters/Pikkemaat (2005, 304) merken an, dass der Arbeitsmarkt für den Tourismus traditionell aus einem hohen Anteil niedrig qualifizierter und billiger Arbeitskräfte besteht. Dies geschieht aus Gründen der Produktivitätssicherung, führt aber dazu, dass gerade im Bereich der Prozessinnovation wenige Fortschritte erkennbar sind.
Volo (2004) stellte in seiner Studie bezüglich der Innovativität von KMU folgendes fest: Kleine Unternehmen können keine Unterscheidung treffen in der Art der Innovation (z.B. Produkt, Prozess, Organisation, Markt). Die meisten Innovationen sind Übernahmen von Innovationen aus anderen Branchen. Als echte Neuheit werden nur die Informations- und Kommunikationstechnologien genannt. Der Hauptnutzen von Innovationen hat keinen Einfluss auf die Gästezufriedenheit oder Produktivität, nur einen schwachen Einfluss auf die Erlöse und die Gewinnung von neuen Gästen, aber eine hohe Auswirkung auf die Verbesserung des Hotel-Images. Innovationen entstehen oft, um ein existierendes Problem zu beheben. (vgl. Pikkemaat/Peters 2005, 98).
Pikkemaat und Peters (2005) befragten im Jahr 2003 großteils Hoteliers und Gastronomen in Tirol und fanden in ihrer empirischen Studie heraus, dass die Innovationstätigkeit in der Hotellerie sehr gering ist und es sich vorwiegend nur um kosmetische Veränderungen oder um Maßnahmen zur 'Verbesserung der Gästezufriedenheit' (vgl. Klausegger/Salzberger 2006, 50) handelt. Die Innovation ist neu für die Zielgruppe oder für die Organisation, nicht aber für den Markt oder die Hotel-Industrie. Prozessinnovation ist vorherrschend, wohingegen Produktinnovation kaum vorkommt. Pikkemaat/Peters (2005, 107f) meinen, dass der Hauptgrund für diese Situation die Risiko-Aversion des Unternehmers ist. Ullmann (2000, 80) beschreibt in ihrer Dissertation den 'Änderungswiderstand bei unternehmerisch verantwortlichen Personen' als den zentralen Grund für das Fehlen von Innovationsfähigkeit. Klausegger/Salzberger (2006, 50) nennen auch noch die mit Innovationen verbundenen hohen Kosten als Innovationshemmnis in ihrer Studie. Sie stellten dabei auch noch Kausalbeziehungen her und es zeigte sich, dass die Entwicklung von neuen Dienstleistungen einen direkten Beitrag zum Unternehmenserfolg leistet.
Pechlaner et al. (2006, 131f) befragten Leistungsträger aus dem Tourismus, warum Produktinnovationen gescheitert sind. Der am häufigsten genannte Grund ist das falsch eingeschätzte Zielgruppenpotential. Daraus lässt sich schließen, dass es mehr an der Innovationskompetenz und den notwendigen Informationen fehlt, als an den finanziellen Mittel. Im Vergleich mit anderen Branchen sind trotzdem die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sehr niedrig. (vgl. Pikkemaat/Peters 2005, 90f).
6.2, Relevante Nachfrage-Trends:
Trends lassen sich nicht erfinden, sie müssen in der Gesellschaft und Ökonomie aufgespürt, erkannt, analysiert und entwickelt werden. Trends weisen den Weg in die Zukunft, weil sie Hinweise darauf geben, wie sich Gesellschaft, Business und private Lebensentwürfe verändern. (vgl. Kirig/Wenzel 2005, 22). Sie beschreiben Trends als mittelfristige Veränderungen, die von den Lebensgefühlen der Menschen im sozialen Wandel geprägt werden, sich aber auch stark in den Konsum- und Produktwelten bemerkbar machen. (2009, [online]).
Veränderungen im Nachfrageverhalten der Gäste haben immer wieder zu neuen speziellen Leistungsangeboten geführt, die sich in entsprechenden Varianten zeigen können, wie bspw. Öko-Hotel, Biohotel, Frauenhotel, Arthotel, Themenhotel, Boutiquehotel, Designhotel, Kinderhotel u.ä., mit denen Marktnischen besetzt werden. (vgl. Henschel 2008, 11). Im Folgenden werden Trends beschrieben, die für die Produktentwicklung von Bedeutung sind.
6.2.1, Der neue Kunde:
Der Gast hat sich verändert. Er diktiert die Richtung und Geschwindigkeit, in welche sich der Tourismus in Zukunft entwickeln wird. (vgl. Steinhauser/Theiner 2005, 290). Der Gast von heute ist reiseerfahren, hat höhere Ansprüche und Erwartungen als früher und ist zugleich preissensibel. Er verspürt den Wunsch nach Zusatznutzen zum herkömmlichen Angebot und strebt nach Individualität. Er denkt flexibler und bucht kurzfristiger. Er bleibt nicht mehr 14 Tage an einem Ort, sondern leistet sich zusätzlich Kurzurlaube zur schnellen Erholung zwischendurch. Er informiert sich im Internet, vergleicht und bucht online. Den Wert einer Dienstleistung beurteilt er verstärkt über die Qualitätswahrnehmung. Er strebt im Urlaub nach sensualer Anregung, Selbstverwirklichung und nach verfeinertem emotionalem Erleben. (vgl. Brunner-Sperdin 2004, 155).
Steinhauser/Theiner (2005, 290) ergänzen, dass der Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt dem Kunden eine neue Machtposition auf dem Markt beschert.
Der Gast von heute ist hybrid, somit nicht mehr einfach einzuordnen. 'mal verhält er sich knallhart nach dem Preis, mal fordert er bockig Qualität, mal zahlt er horrende Preise für billigste Ware, die nach Gummibärchen schmeckt und im Grunde nichts als Zucker enthält, mal antwortet er nicht einmal auf die härtesten Kampagnen.' (Horx 2002, 202).
Individualismus und Gemeinschaftlichkeit widersprechen sich nicht länger und nicht der Ort sondern der kommunikative Faktor ist das vorrangige Ziel. Die Vernetzung und das Internet sind daher für diese Gruppen besonders wichtig. Von der Informationssuche über die Reisebuchung bis zur Nachberichterstattung, all dies geschieht im Internet und wird in der virtuellen Community mit Gleichgesinnten besprochen. Durch die Unsicherheit und Ungewissheit von neuen Angeboten bieten Communities subjektiv verlässliche Informationsquellen zur Orientierung, die auf den einzelnen Kunden positiv oder negativ wirken können.