Die vorliegende Dissertation widmet sich der Untersuchung der Organverteilung von Bornaviren und der möglichen altersabhängigen Infektionsverläufe bei Infektion mit dem Borna Disease Virus 1 (BoDV1), dem Variegated Squirrel Bornavirus 1 (VSBV1) und dem Parrot Bornavirus 4 (PaBV4). Die Virusorganverteilung - disseminiert versus neurotrop - lässt bei Bornaviren vermutlich Rückschlüsse auf Reservoir- und End- bzw. Fehlwirte zu. Ziel war es, Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen möglichen Reservoirspezies und End-/Fehlwirten verschiedener Bornaviren innerhalb der Familie Bornaviridae zu beleuchten und somit neue Erkenntnisse zur Pathogenese, Infektions- und Übertragungswegen und der klinischen Erkrankung bei Bornavirus-Infektionen zu erlangen.
Die hier vorgestellten Studien und bisher in der Literatur vorliegende Daten deuten darauf hin, dass VSBV1-Infektionen in exotischen Hörnchen eine asymptomatische Infektion und eine disseminierte Organverteilung von Virusantigen und -RNA aufweisen, wie in der BoDV1-Reservoirspezies, der Feldspitzmaus (Crocidura leucodon). Dies steht im Gegensatz zum strikten Neurotropismus und den in der Regel fatal verlaufenden neurologischen Erkrankungen bei BoDV1- bzw. VSBV1-Infektionen von End- bzw. Fehlwirten wie Pferden und Menschen.
Für BoDV1-Infektionen sind Unterschiede hinsichtlich histopathologischer Läsionen und dem Auftreten von klinischen Symptomen in Abhängigkeit vom Alter zum Zeitpunkt der Infektion in der Literatur beschrieben. Neonatale, immuninkompetente Ratten zeigen klinische und histologische Infektionsmuster, die den Verhältnissen in Reservoirwirtspezies nahekommen, während adult infizierte Ratten typischerweise ein neurotropes Infektionsmuster - passend zur Situation im End-/Fehlwirt bei BoDV1-Infektion - entwickeln. Bei der experimentellen BoDV1-Infektion von Mäusen verhält es sich in Abhängigkeit der gewählten Mauslinie konträr zu der Situation in experimentell BoDV1-infizierten Ratten.
Die vorliegende Arbeit liefert weiterhin Erkenntnisse über aviäre Bornaviren, die sich in ihrer Organverteilung und klinischen Manifestation von den Säugetier-Bornaviren unterscheiden.
Von Gartner et al. publizierte und hier vorgestellte Ergebnisse aus einem PaBV4-Infektionsversuch konnten zeigen, dass abhängig vom Alter zum Zeitpunkt der PaBV4-Infektion - ähnlich wie bei Säugetier-Bornaviren - Unterschiede im klinischen Verlauf und dem Auftreten von histopathologischen Läsionen zu beobachten sind. Der Großteil der adult PaBV4-infizierten Nymphensittiche zeigte eine klinische Erkrankung im Sinne einer PDD, wohingegen juvenil PaBV4-infizierte Nymphensittiche histologische Läsionen aufwiesen, aber keine typische klinische Erkrankung entwickelten.
Im Gegensatz zu den Säugetier-Bornaviren lassen sich für die aviären Bornaviren keine Unterteilungen in Reservoir- und End-/ bzw. Fehlwirte vornehmen. Die potenzielle Rolle der vertikalen Übertragung bei aviären Bornaviren bleibt offen, wird jedoch durch den Nachweis von Virus-Antigen, -RNA und erfolgreicher Virusisolierung aus embryonierten Nymphensitticheiern PaBV4-infizierter Elterntiere untermauert.
Ein bedeutender Beitrag dieser Dissertation ist die detaillierte Charakterisierung der Organverteilung bei VSBV1-infizierten exotischen Hörnchen, die Hinweise auf eine Persistenz der Infektion und eine mögliche Virusausscheidung liefern. Dies stützt die Hypothese, dass exotische Hörnchen als Reservoir für diese zoonotischen Viren fungieren könnten.
Zukünftige Forschungsvorhaben sollten die noch unklaren Übertragungswege von Reservoir- auf Fehl- bzw. Endwirte, aber auch innerhalb der Reservoirpopulation bei Säugetierbornaviren bzw. innerhalb einer Vogelhaltung bei aviären Bornaviren und mögliche Faktoren, die eine Infektion begünstigen, beleuchten. Die Rolle des Immunsystems und das Alter zum Zeitpunkt der Bornavirus-Infektion scheinen eine entscheidende Rolle für den Verlauf der Infektion zu spielen. Somit bieten sich hier Ansätze für zukünftige Präventions- und Behandlungsstrategien im Sinne einer Immunmodulierung und antiviralen Behandlung.