Textprobe:
Kapitel 3, PERSONALABBAU DURCH BETRIEBSBEDINGTE BEENDIGUNGSKÜNDIGUNG:
Hinsichtlich der dargestellten Wirtschafts- und Finanzkrise und deren Auswirkung auf die Realwirtschaft ist von einem Freisetzungsbedarf aus dringenden betrieblichen Erfordernissen auszugehen. Kündigungen, die im Verhalten oder in der Person einzelner AN begründet sind, zielen auf Einzelfälle ab, entziehen sich einer hier vorzunehmenden planerischen Erfassung und werden somit nicht in die Analyse einbezogen. Entsprechend ausgegrenzt bleibt auch die aus Personen- oder Verhaltensaspekten resultierende fristlose bzw. außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund (§ 626 BGB).
Denn im Rahmen von Personalplanungsmaßnahmen muss stets von einer ordentlichen (fristgemäßen) Kündigung ausgegangen werden, da ein wichtiger Grund, dessen Vorliegen zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigt, nicht planbar ist und höchstens in Einzelfällen eintritt.
3.1, Arbeitsrechtliche Grundzüge und Vorgehen:
Unter der ordentlichen Beendigungskündigung versteht man eine einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung einer der beiden Vertragsparteien, die das Arbeitsverhältnis unmittelbar für die Zukunft oder nach Ablauf der Kündigungsfrist beenden soll. Vom Zeitpunkt seiner wirksamen Beendigung an entstehen im Arbeitsverhältnis keine Ansprüche und Leistungspflichten mehr. Ziel des AG bei der Umsetzung von ordentlichen betriebsbedingten Beendigungskündigungen ist es also, durch eine einseitige Beendigung des Dauerschuldverhältnisses und damit der Hauptpflichten 'Lohnzahlungs- und Beschäftigungspflicht' aus dem Arbeitsverhältnis, eine Personalkosten- und Personalkapazitätsreduzierung herbeizuführen. Eine Abfindungspflicht ergibt sich im Idealfall für den AG nicht.
Eine Interessensabwägung dahingehend, ob der von der Maßnahme angestrebte Erfolg in einem 'vernünftigen' oder 'angemessenen' Verhältnis zu den Nachteilen steht, die der gekündigte AN durch den Verlust des Arbeitsplatzes erleidet, ist vom AG nicht vorzunehmen. § 9 KSchG sieht eine angemessene Abfindung (vgl. dazu § 10 KSchG) nur dann vor, wenn die Kündigung sozial ungerechtfertigt ist und der AN dies auch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung durch eine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht feststellen lässt (§ 4 KSchG). Eine sozial gerechtfertigte betriebsbedingte Kündigung, mag diese den einzelnen AN auch noch so hart treffen, zieht keine Abfindungsansprüche nach sich. Lediglich bei einer Betriebsänderung i.S. des § 111 BetrVG ist nach § 112 BetrVG vorgesehen, dass durch einen Sozialplan die Nachteile ausgeglichen oder abgemildert werden, die die von der Betriebsänderung betroffenen AN erleiden. Der AG kann nach § 1a KSchG dem AN auch eine Abfindung unter der Bedingung anbieten, dass dieser auf eine Kündigungsschutzklage verzichtet. Die Höhe der Abfindung beträgt dabei 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses (§ 1a Abs.2 i.V.m. § 10 Abs.3 KSchG). Diese Option ermöglicht dem AG, in gewissem Maße die Kosten der Kündigung zu beeinflussen bzw. vorab zu planen. Die Rechtsunsicherheit bleibt jedoch bestehen, da nicht gewährleistet ist, dass der AN das Angebot annimmt und auf eine Kündigungsschutzklage verzichtet. Das Unternehmen kann auch ganz bewusst sozial ungerechtfertigte Kündigungen aussprechen und resultierende Abfindungszahlungen, Prozesskosten, Lohnnachzahlungen etc. billigend in Kauf nehmen. Vor dem Hintergrund der definierten Zielsetzungen einer Personalkosten- und Personalkapazitätsreduktion, dem interessenswahrenden strategischen Oberziel und der sozialen Verantwortung des Unternehmens kann dies jedoch nicht der geeignete Weg einer Personalfreisetzungsplanung darstellen. Zudem ist dies bei einer Personalüberkapazität größeren Ausmaßes aus rein betriebswirtschaftlichen Kosten-Überlegungen nicht sinnvoll. Ziel des AG muss es deshalb sein, rechtswirksame betriebsbedingte Beendigungskündigungen auszusprechen, um das Risiko von Kündigungsschutzprozessen, Weiterbeschäftigungs- oder Abfindungsansprüchen der AN zu vermindern und damit die verfolgte Kostenentlastung zu erreichen.
Unbefristete Arbeitsverhältnisse können dabei gemäß § 620 Abs.2 BGB grundsätzlich von jeder Arbeitsvertragspartei, also sowohl von AG als auch von AN beendet werden. Während der AN bei der hier interessierenden fristgerechten ordentlichen Kündigungen unbefristeter Arbeitsverhältnisse von tariflichen und gesetzlichen Beschränkungen weitgehend frei ist, ergeben sich für den AG aufgrund rechtlicher Schutzvorschriften zugunsten der AN vielfache Einschränkungen. Diese beeinflussen im Rahmen einer Maßnahmenanalyse in der Suchphase des Planungsprozesses den Handlungsspielraum des AG erheblich.
Denn im Zusammenhang mit der betriebsbedingten Kündigung werden alle Bestimmungen aus dem Arbeitsrecht (die den Tatbestand der abhängigen Arbeit regeln) angesprochen, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen AG und AN berühren. Das Arbeitsrecht beinhaltet dabei Abschnitte aus fast allen Rechtsdisziplinen. Eine umfassende, vollständige Darstellung der gesamten Wirksamkeitsvoraussetzungen und Fallkonstellationen, die es bei der ordentlichen Kündigung auf individualrechtlicher und kollektiver Ebene zu beachten gilt, ist hier nicht zweckmäßig und wurde in der Literatur bereits ausführlich dargelegt. Vielmehr sollen vor allem die rechtlichen Regelungen angesprochen und analysiert werden, die im Rahmen einer Maßnahmenanalyse von besonderer Bedeutung sind bzw. diese wesentlich beeinflussen.
Ziel dieses Abschnittes ist es deshalb darzustellen, inwieweit arbeitsrechtliche Regelungen bei der Maßnahme 'ordentliche betriebsbedingte Beendigungskündigung' den Gestaltungsspielraum des AG bei der Personalfreisetzungsplanung und damit auch die Eignung des Instrumentes in der aktuellen Krise beeinflussen.