Señora Dolores holt einen Esslöffel aus der offenstehenden Besteckschublade, taucht ihn in den Eintopf, pustet, probiert, zieht Luft zwischen die Lippen, kaut und schluckt mit geschlossenen Augen. Sie schüttelt den Kopf, das ist es noch nicht. »Haben Sie vielleicht freundlicherweise ein Glas Sherry für mich?«, fragt sie.
»Nicht offen«, antwortet Antonio. Seine Frau sieht verärgert zu ihm hinüber, nickt ihm kurz und energisch zu, er versteht: »Aber hier .«, Antonio geht zum Kühlschrank und wählt einen Fino Sherry, ».der hier ist ganz wunderbar!«
Felipa schüttet Salzmandeln aus einer Tüte in eine Schale und schiebt sie über den Küchentresen. Antonio öffnet den Sherry, der hellgelb ins Weinglas fließt, das sogleich kühl beschlägt. Señora Dolores dankt, nimmt das Glas und riecht hinein, ein Lächeln im Gesicht: »Ah! Bodegas Lustau! Der gute Puerto Fino, ich danke!«
Antonio und Felipa stehen und staunen, Dolores nimmt einen winzigen Schluck, der ihren Mund reich füllt mit dem Geschmack von Mandeln und Hefebrot, kühlen Birnen und Zitrone, dem Aroma grüner Oliven, später Kamille und einer Idee von Salz. Und sofort ist alles wieder da, sie schließt die Augen und steht im Keller ihrer alten Bodega, atmet den vertrauten Geruch der knochenbleichen Erde, es riecht nach Kreide und warmem Holz, nach süßen Rosinen und dem Duft reifer Orangen. Sie steht zwischen den schwarzen Fässern, die sich übereinander stapeln, ein leichter Wind geht durch die schweren Bastmatten vor den Fensterbögen, die Mittagshitze bleibt draußen. Gleich müsste eigentlich ihr Mann um die Ecke kommen, der stolze Kellermeister, in der Hand die langstielige Kelle schwenkend, den Schalk im Blick: »Na, kleine Fassprobe für meine geliebte Loli?« Dolores vermisst ihren Mann. Sie haben sich lange nicht mehr gesehen. Apropos. Wo treibt der sich eigentlich rum?
»Señora?«
Sie schrickt aus ihren Gedanken hoch, zurück in die Küche der jungen Leute: »Ja, großartiger Tropfen, ein Genuss!« Schnell nimmt sie noch einen zweiten kleinen Schluck. Dann gießt sie den übrigen Sherry im Glas in den Eintopf.
»Halt!«, ruft Filipa und eilt zum Kochtopf, blickt hinein, als wäre da vielleicht noch was zu machen: »Was machen Sie denn da?«
Die alte Dame lächelt ungerührt: »Das ist mein Kichererbsen-Geheimnis, Liebes!«