Das im deutschen Regierungssystem mächtige Bundesverfassungsgericht wird von der Politikwissenschaft eher selten thematisiert. Verfassungsfragen und -gerichtsentscheidungen gelten hierzulande nahezu ausschließlich als Juristensache. Gegen diese vorherrschende Sicht unterzieht Robert Chr. van Ooyen die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung einer politologischen Analyse, die das hierbei zugrunde liegende Politikverständnis herausarbeitet.Die zentrale These der Arbeit lautet: Der Begriff des Politischen des Bundesverfassungsgerichts ist der Begriff des Staates, der bis heute in einer demokratietheoretisch problematischen - weil obrigkeitsstaatlichen - Tradition der deutschen Staats- und Verfassungslehre steht.Der Nachweis erfolgt anhand aktueller Entscheidungen und der Staatslehren ausgewählter Verfassungsrichter. Dabei wird gezeigt, dass der Politikbegriff des Bundesverfassungsgerichts sich auf die direkte Rezeption der höchst einflussreichen Lehren von Schmitt, Smend, Triepel und Leibholz zurückführen lässt. Diese aber haben ihrerseits allesamt antipluralistische »politische Theologie« der »Souveränität« des »Staates« bzw. des »Volkes« betrieben, so dass selbst nach über 50 Jahren das Gericht nicht vollständig zu einem dem Grundgesetz angemessenen politischen Verständnis von Bürger, Verfassung und Gesellschaft durchdringt.
Rezensionen / Stimmen
»Der Verf. ist [...] ein ausgewiesener Kenner der Weimarer Staatsrechtslehre. Die Thesen seiner Untersuchung machen sein Anliegen überaus deutlich: Das BVerfG ist [...] Verweser der antidemokratischen Strömungen der Weimarer Staatsrechtslehre. [...] Die Untersuchung des Verf.s vermag auch wegen ihrer sprachlichen Schärfe - und zuweilen Polemik - zu polarisieren. Unabhängig von der Zustimmungsfähigkeit ihrer Ergebnisse [...] lässt sie ihren Leser bewegt und irritiert zurück. Schon um der Irritation willen ist es ein Gewinn, sie zu lesen.«Michael Droege, in: Der Staat, 3/2006»Van Ooyen ist es sehr gut gelungen, einige der Begründungsfiguren des Bundesverfassungsgerichts nachzuzeichnen.«Klaus Grimmer, in: Politische Vierteljahresschrift, 4/2006
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Produkt-Hinweis
Broschur/Paperback
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Höhe: 23.3 cm
Breite: 15.7 cm
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ISBN-13
978-3-428-11635-5 (9783428116355)
Schweitzer Klassifikation
Robert Christian van Ooyen, Prof. Dr. phil, studied political science and philosophy as well as constitutional, European and international law in Vienna, Duisburg, Bonn and Basel; formerly lecturer at the Universities of Duisburg, Berlin (FU) and Dresden; Professor at the Hochschule des Bundes (Federal University of Applied Administrative Sciences); since 2017 Honorarprofessor of political science at TU Dresden; co-editor of the »Jahrbuch Öffentliche Sicherheit« (JBÖS) and member of the editorial board of »Recht und Politik« (RuP), Berlin; research interests: Political Theory, Constitutional Law and Politics.
EinleitungA. Staat und GrundrechteLapidares Ende eines Menschenrechts - Politische Verfolgung als bloß staatliche VerfolgungB. Staat und ParteienVerstaatlichung - Parteien: Immer noch nicht ganz geheuerC. Staat und BeamteStaatsdienst als Gottesdienst: Problematische hegelianische Tradition - Beamte: Etwas ganz BesonderesD. Staat, Demokratie und gesellschaftliche GruppenTheoretischer Bezug: Schmitt - Rezeption I: Böckenfördes »staatliche Volksdemokratie« - Konsequenzen des Demokratiebegriffs von Böckenförde - Rezeption II: Rechtsprechung zur Mitbestimmung - Wir müssen leider draußen bleiben: Sinti und Roma, Kammerbeschluss (1998)E. Staatliche Einheit und IntegrationTheoretischer Bezug: Integrationslehre von Smend - Rezeption I - Rezeption II: Staatslehre von HerzogF. Staat, Volk und Europäische IntegrationKeine Aufgabe der Souveränität: Solange-Beschlüsse - Herr des Vertrags: Maastricht-Beschluss (1993)G. Staatsrecht, Politik und richterliche SelbstbeschränkungTheoretischer Bezug: Kelsen und Schmitt: Zwei Modelle des Hüters der Verfassung - Mythos: judicial self-restraintH. Nachtrag: Staat, Beamte und Religion - zum KopftuchstreitZusammenfassung: Rechtsprechung, politische Dezision und die Macht der TraditionLiteraturverzeichnisSachwortverzeichnis