Ewigkeit Ich schreibe für eine jüngst den Wassern entstiegene Erde, noch frisch von Blumen, Blütenstaub und Mauerkalk, ich schreibe für ein paar Krater, deren Kreidekuppen ihre sphärische Höhlung aneinanderreihen am reinen ewigen Schnee, ich gebe sogleich meine Ansicht kund über das, was der eisenhaltige, eben dem Abgrund entquollene Rauch mühsam mit sichführt, ich rede für die Grasebenen, die keinen Namen haben, nur der Moosflechte kleines Glöckchen kennen, den versengten Blütenfaden, oder das struppige Dickicht, wo die Stute in Liebesglut brennt. Woher denn stamme ich, wenn nicht aus diesen uranfänglichen und blauen Materien, die sich ineinanderschlingen, schwellen oder einander verdrängen, unter Tosen sich verbreiten oder somnambul verströmen, oder in die Höhe ranken und des Baumes Schutzwehr bilden, oder in die Erde sinken und des Kupfers Zelle binden, oder ins Gezweig der Ströme schnellen oder untergehen, erdbedeckt, als der Kohle Ursprung oder funkeln in der Traube grünen Dunkelheiten. Wie die Ströme schlaf ich in den Nächten, irgend etwasunentwegt durchmessend, durchbrechend, und ich treibedie schwimmende Nacht voran, heb die Stunden alldem Licht entgegen, befühle die geheimnisvollenBilder, die der Kalk vertrieb, steig durchs Erz aufzu den Katarakten, jüngst gebändigten, und auf einem Laufder Ströme berühre ich, was nur die Rose,die noch nie erblühte, spendet, die versunkene Hemisphäre.Die Erde ist ein Dom aus bleichen Augenliden,verbunden ewiglich einander und gehäuft in einemSeesturm von Segmenten, in einem Salz von Gewölbe,in eines begnadeten Herbstes Farbenfinale.Ihr habt nicht, habt nie am Weg berührt,was der nackte Stalaktit beschwört,zwischen den eisigen Lichtern das Fest,die große Kälte der schwarzen Blätter,ihr seid nicht eingedrungen in die Fasern mit mir,die das Erdreich verborgen hält,ihr seid nicht aufgestiegen wieder von den Toten dann,Sandkorn um Sandkorn, sandiger Erde Stufen,bis daß die Strahlenkronen des Tauserneut eine entfaltete Rose bedecken,ihr könnt nicht leben, ohne dahinzusterbenim abgetragenen Gewand des Glücks.Ich aber bin metallisch die Aureole, der Reif,den Weiten verkettet, den Wolken, den Landen,der an hinabgestürzte und verstummte Wasser rührtund der Zeit unendlichem Wirrsal abermals trotzt.Der Einsame Schulhof du, der Sonne ausgesetzter Ort,von Hütten umstellt mit bemoosten Wänden;im gelben Laub die Pappel dort,ohne Ende der Gang, den Rosenstock in Händen.Die Zeit ist ein launischer Wechsler, verkleidetmit irren Kostümen, mit denen sie uns streichelt.Sie gibt uns Trauer, wenn sie die Dinge meidet,aber es ist eine Tristesse, die uns schmeichelt.Die Pappel erhebt sich hochmütig und stolz,in goldenen Wellen zeigt sich ihr schönes Holz,trauernd kann sie so sanft mit den Dingen kosen.Mit Geringschätzung sieht sie, was am Boden ist.Verachtet blicklos den Rosenstock, der sich an ihr mißt,den geheiligten Duft der letzten Rosen .Das schmerzhafte Warten Nicht gekommen ist die Geliebte, nie wird siekommen, nie ihre Hände reichen.Am Tage ihrer Ankunft wird alles blühen wie noch nie,die Sanftmut wird der Trauer weichen .Ausgelöscht sind dann die Schmerzen dieser Nacht.Damit der Mond sich dem vollkommnen Berg vermähle.Die verzückten Augen kommen nicht los von dieser Prachtin einer Kommunion von Geist und Seele.Nicht gekommen ist die Geliebte, nie wird siekommen, doch ist sie auf dem Weg, und niewar meine Freude anders als ein Gramm an Hoffnung mehr. Sind wir über alle Zweifel und Befürchtungen erhaben, und können wir die Wunde alter Schmerzen nicht ertragen, so wird das Herz vom Warten auf die Liebe niemals leer. Seit du gegangen bist Seit du gegangen bist, spür ich die Bitterkeit, die unendliche, dir so viel nicht gesagt zu haben, verschwiegen hab ich Märtyrer die sanfte Zärtlichkeit, die ich versteckte, wie Rosen sich ins Dunkel graben, und nicht gesagt hab ich der Worte duftenden Hauch, die ich im Munde trug, sie hegte unverdrossen; auf die ich wartete und trug sie doch mit Feuer auch, und die stets zu Eis wurden, wenn sich die Lippen schlossen. Jetzt da du gegangen bist, leide ich tief in der Brust, daß ich dir verschwieg des Füllhorns süße Lust, die nur für dich, mein Lieb, erblühte . Doch weiß ich, kämst du eines Tages wieder und ich suchte nach den Worten meiner Liebeslieder, bewirkte Bitternis, daß ich mich umsonst nur mühte. 21.Juli 1919 Der Dichter, der weder Bürger noch demütig ist Ein Jüngling von kaum fünfzehn Jahr,schreibt Verse, darin die Bitternis pulsiert,er hat vom Salz der Enttäuschungen gegessen immerdar,indes ein anderer in Liebe groß stolziert.Er hat im Bestiarium des Lebens Unvernunft gesehen,wo die Natur ihre Instinkte abgerichtet hat,und er bat, die Ideale sollten sie ihm lassen stehen,die so vollkommen sind und schön wie der Tag;und durchs Leben zieht er und trägt Trauer.(Die Menschheit wurd aus ihm nicht schlauerund sah nicht, daß er ein Dichter ist seit er ein Kind.)Und er wartet allein auf bessere Tage,den Schmerz zu ertragen in besserer Lage,und er stellt sich vor, sie kommen und eilen geschwind.In der Chemiestunde am 30.Juli Ballade von der traurigen Kindheit Du meine Kindheit, traurig wie ein Kehrreim, bist verlorengegangen im Nebel, im Licht oder im Meer. Du meine traurige Kindheit so klar wie das helle Gelübde der Keuschheit. Ihr meine fernen Stunden, ihr meine verlorenen Stunden, die aus der Entfernung den Ruch von Heiligkeit annehmen. Ohne einen Bruder. Ohne die Liebe anderer. Kaum ein Bodennebel von Dingen, die im Kommen waren . Wer trübte meine Kindheit, wer warf die Asche der Toten nach mir? Was haben sie mir gegeben, was - oh Herr? Wer sammelte meiner Liebe Zärtlichkeiten, all diese rosa Liköre meines guten Herzens? Hat der Haß der Vorfahren meinen Wein verdorben? Trugen die Männer aus anderen Jahrhunderten die Wunden, die ich noch nicht kenne? Kämest du eines Tages wieder Geliebte, blonde Geliebte meiner frühen Tage,du bist aus meinem Leben gegangen, ohne es zu wissen,so wie du gekommen bist in meinen guten Tagen,wirst du meinen Frühling erzittern lassen.Geliebte, blonde Geliebte, du hast gewartet,bis ich müde war, und warten kann ich längst nicht mehr,seit meine reinsten Wünsche sich in Trübsal kehrten,und seit ich nicht mehr meinen Ort verlassen kann.Kämst du eines Tages zurück, blonde Geliebte, die ichverloren habe, wird meine Müdigkeit aus Seide sein undein Lächeln wird dich, tiefste Wunde meines Lebens,begleiten, falls du noch einmal in meinen tiefsten Kummer steigst. 8.Februar Elegie über den zeitweiligen Schmerz IHeute morgen sangen und zogen vorbei drei Soldaten auf dem Weg in die Kaserne, sie kamen über goldblühende Alleen unterm hellen Licht des frühen Tags, unterm blutenden Gold der Morgenröte, himmlischem Sieg der Sonne und des Schönen, wie sehr glänzten die Blätter und wie sehr bluteten die Lichter des frühen Tags! Die drei sangen glühende Lieder von sanfter Liebe, stummen Schmerzen, entlegenen Dingen, die nicht zurückkehren. Sie kamen singend um die staubige Straßenecke, sie sangen und singend zogen sie weiter und dann lag alles wieder unterm hellen Licht des frühen Tags. IISanfter Jüngling mit den grauen Augen,sei nicht traurig, sie kehren zurück,und sie werden deine bescheidenen Wunden lindern.Wein doch nicht, Mädchen in deinem Kummer,alle Dinge vergehen auf immer,so wie an diesem Morgen die glühenden Stimmenvergangen sind auf ihrem Weg durch die Stadt.Das Leben bringt zuweilen Erschöpfung, Mädchen,es schmerzt uns, schmerzt wie eine Glocke,die im Gold des frühen Tags vibriert,und wenn wir uns umschauen auf den Alleen,hören wir Lieder und klagende Stimmen,von Männern gesungen, die nicht zurückkehren werden .Juli 1920 Dörfliche Romanze Mädchen mit den braunen Augen und dem sanften Blick, du verschmähtest und also bekamst du sie nicht, meine Liebe, hier unter diesen Ackerbürgern eines brachliegenden Dorfes, wo ein Dichter fast soviel gilt wie ein Dieb. Ich, der ich meine Gedichte herumtrug wie einen Zahnschmerz, den all diese Leute zu heilen suchten, ich blickte in deine sanften Augen, sah dein gutes kleines Gesicht, und eine Ahnung befiel mich, was geschehen würde. Und eines Nachmittags dann, als ein Zug stöhnte(ich glaube, daß er stöhnt und nicht pfeift),wie gern hätte ich dir da ein paar herzliche Worte gesagt,und ein wenig Traum und ein wenig Honig dazugegeben.Und dann mein erträumtes Idyll. Drei Küssefür deinen Mund, für deine Stimme, für deine Gestalt,ein Idyll in diesem so bedrückenden und stillen Dorf.(Und man vergesse Trigo und Lorraine.)Aber das Leben, Mädchen, wollte es, daß an diesem Nachmittag meine Worte herabstürzten, wie nur Steine herabstürzen können, und fallen wie Schmerzen in ein sanftes Gehege . Und waren doch meine Worte Licht des neuen Tages! Mädchen (ich weiß noch, du trugst flache Absätze), du warst unkompliziert und gut wie die Einfachheit in Person! Und dennoch konnte ich dir nie meine Arme öffnen, dir meine Honigwaben zeigen und vom Honig geben . Du nanntest dich Graciela, Graciela mit den sanften Augen, jetzt, da ich gelitten habe, danke ich dir für deine Grazie. Wer mir Emotionen schenkt, wie andere Parfüm verschenken, dem geb ich ein wenig von meinem Herzen in meinen Erinnerungen . Juni 1920 Damals die kleine Schullehrerin . Die kleine Lehrerin, blond ist sie wie das reife Korn, so blond, man hielt sie anfangs für eine Engländerin, sie ist noch immer traurig, ach so traurig wie zuvor! Man könnte meinen, sie sei seit ihrer Ankunft krank nur aus Traurigkeit! Die einen nennen sie Celia, die anderen Marta, und immer liegt in ihrer Antwort diese Gleichgültigkeit. Es ist schon so lange her, daß sie Post bekam, fast sieht es so aus, als ob niemand ihre Abwesenheit beklagte. Die Kinder in der Klasse lieben sie, auch wenn sievon Mal zu Mal trauriger wird,traurig, wenn sie ihnen von fernen Sternen erzählt,traurig, wenn sie wissen will, wieviel acht mal drei ist.Und gestern, als sie ihnen ein Wort fürs Diktatbuchstabierte, stieg ihr der Nebel der Vergangenheit in die Augen und hinterm Pult stand sie da und war ganz stumm . Da fingen unter der Last eines unendlichen Schmerzes die Kinder in der Klasse, diese armen Herzchen, die nicht wissen, was sie tun, zu weinen an. Leib eines Weibes, weißblanke Hügel, blanke Schenkel, du gleichst der Welt, so weit, so willig, wie du dich hingibst. Mein Körper, eines rohen Bauern Körper, durchgräbt dich und läßt das Kind entspringen aus der Tiefe der Erde. Einsam war ich, ein Tunnel. Vor mir flohen die Vögel, und Nacht brach in mich ein mit ihren furchtbaren Heeren. Mich selbst zu überleben, machte ich dich zur Waffe, zum Pfeil für meinen Bogen, zum Stein für meine Schleuder. Doch die Stunde der Rache ist gekommen. Ich liebe. Dich, Leib aus Haut, aus Moos, aus Milch, voll Kraft und Begierde. Ah, die Becher der Brüste! Ah, die entrückten Augen! Ah, die Rosen des Schambergs! Ah, deine schwere Stimme! Leib meines Weibes, deine Anmut läßt mich bestehen. Mein Durst, endlose Sehnsucht, mein Weg ins Ungewisse! Dunkle Flußrinnen, denen unaufhörlich der Durst folgt und die Ermattung folgt und das Leiden ohne Ende. Ich weiß noch, wie du warst, damals im Herbst, dem vergangnen. Die graue Baskenmütze; das Herz, als ob es schliefe. In deinen Augen fochten Flammen des Abenddämmerns. Und es fielen die Blätter ins Wasser deiner Tiefe. Meine Arme umklammernd, warst du wie eine Winde, die Blätter dämpften deine Stimme, als ob sie schliefe. Scheiterhaufen des Schreckens, auf dem mein Durst verbrannte. Gekrümmte Hyazinthe, blau über meiner Tiefe. Ich fühle deine Augen reisen, der Herbst ist ferne: graue Mütze, Vogelstimme, Herz wie ein Zuhause, wohin meine geheimen Gedanken emigrierten und meine frohen Küsse wie rote Kohlen fielen. Himmel, von einem Schiff aus. Fruchtland, von öder Höhe. Dein Bild in mir ist Licht, Rauch, ein Teich, als ob er schliefe. Jenseits von deinen Augen flammten die Dämmerungen. Dürre Blätter des Herbstes kreisten in deiner Tiefe. Das Lied der Verzweiflung Dein Bild entsteigt der Nacht, in der ich erinnernd hause.Der Fluß verströmt ins Meer seine dauernde Klage.Verlassen wie die Molen in früher Morgenstunde.Es ist Zeit für den Abschied, ach, verlassen von allem!Auf mein Herz fällt ein Regen erfrorner Blütenkronen.Ach, Scherbengrube, Schreckenshöhle voller Gestrandeter!In dir häuften sich heillos die Kriege und die Flüge.Dir entschwebten die Schwingen von Vögeln des Gesanges.Alles verschlangst du gierig, wie die saugende Ferne.Wie das Meer, wie der Zeitlauf. Alles in dir war Schiffbruch!Es gab die frohe Stunde des Überfalls, des Kusses. Die Stunde starren Staunens, hell glühend wie ein Leuchtturm. Angst eines Steuermannes, Wut eines blinden Tauchers, trunkene Liebeswirrnis, alles in dir war Schiffbruch! Im Kindheitsnebel meine Seele mit wunden Flügeln. Irrgelaufner Entdecker, alles in dir war Schiffbruch! Du schmiegtest dich ans Leiden, klammertest dich an Sehnsucht, die Schwermut riß dich nieder, alles in dir war Schiffbruch! Ich machte, daß die Mauer aus Schatten weichen mußte, und überschritt die Grenzen von Begehren und Handeln. O Fleisch von meinem Fleische, Weib, geliebt und verloren, dich ruf ich an in dieser feuchten Stunde und singe. Wie eine Vase bargst du die unendliche Zartheit, unendliches Vergessen zerbrach dich, wie die Vase. Da war die schwarze, schwarze Einsamkeit auf den Inseln, und dort, Geliebte, dort umschlossen mich deine Arme. Da waren Durst und Hunger, aber du warst die Frucht mir. Da war Verfall und Trauer, und du warst mir das Wunder. Ach, Weib, ich weiß nicht, wie du so fest mich halten konntest am Erdgrund deiner Seele und am Kreuz deiner Arme. Mein Verlangen nach dir war schrecklich und ohne Dauer, ungebärdig und trunken, peinvoll drängend und gierig. Totenacker und Küsse, noch flammt's aus deinen Gräbern, noch glühen dort die Trauben, zerpickt von wilden Vögeln. O zerbissener Mund, oh, die zerküßten Glieder, oh, die hungrigen Zähne, oh, die verflochtnen Körper. Oh, die verrückte Paarung von Hoffen und Bemühen, in der wir uns verknoten und an uns selbst verzweifeln. Und Zärtlichkeit, so leicht wie das Mehl und leicht wie Wasser. Und dann das Wort, nur zaghaft sich von den Lippen lösend. Dies alles war mein Schicksal, und mit ihm zog die Sehnsuchtund ging mit ihm zugrunde, alles in dir war Schiffbruch! O Scherbengrube, alles stürzte in deinen Abgrund. Jedweder Schmerz entquoll dir, Schmerz hat dich zugeschüttet. Noch zwischen Sturz und Sturz hast du gelodert, gesungen. Aufrecht wie ein Matrose vorn am Bug eines Schiffes. Blühtest noch auf in Liedern, brachst aus, dich wild verströmend. O Scherbengrube, bittres Brunnenloch, finster gähnend. Blaßgrauer, blinder Taucher, glückloser Schleuderschütze, irrgelaufner Entdecker, alles in dir war Schiffbruch! Es ist Zeit für den Abschied, die harte kalte Stunde, welche die Nacht fixiert hat auf jeder Fahrplantafel. Des Meeres lauter Gürtel legt sich nun um die Küste. Kalte Sterne erscheinen, schwarze Vögel entfliehen. Verlassen wie die Molen in früher Morgenstunde. Nur der zitternde Schatten krümmt sich in meinen Händen. Ach, schon jenseits von allem. Ach, schon jenseits von allem. Es ist Zeit für den Abschied. O verlassen, verlassen.