IST DIE KÜNDIGUNG FORMELL WIRKSAM?
Die Schriftform ist zwingend
Wann gilt eine Kündigung als zugegangen?
Kündigungsfrist eingehalten?
Wurde der Betriebsrat angehört?
Der besondere Kündigungsschutz
Sofortmaßnahmen bei formellen Fehlern
IST DIE KÜNDIGUNG INHALTLICH BERECHTIGT?
Die Rechtsgrundlage: das Kündigungsschutzgesetz
Was tun, wenn keine Gründe angegeben wurden?
Die verhaltensbedingte Kündigung
Exkurs: Die Abmahnung
Die personenbedingte Kündigung
Die betriebsbedingte Kündigung
Exkurs: Der Sozialplan
Die außerordentliche Kündigung
Antidiskriminierungsargument im Kündigungsstreit?
WIE SIE GEGEN EINE KÜNDIGUNG VORGEHEN
Diese Sofortmaßnahmen sollten Sie ergreifen
Wenn es vor Gericht geht
Was kostet Sie ihr Recht?
Alternative zur Kündigung: Transfergesellschaft
Alternative zur Kündigung: Aufhebungsvertrag
Wann gibt es eine Abfindung?
NACH DER KÜNDIGUNG - WIE GEHT ES WEITER?
Sofortmaßnahme: das Arbeitszeugnis einfordern
Was ist mir Ihrem Resturlaub?
Ihre Pflichten und Rechte gegenüber der Arbeitsagentur
Aus rechtlicher Sicht bei der Jobsuche zu beachten
Muster
Stichwortverzeichnis
DIE SCHRIFTFORM IST ZWINGEND
BEISPIEL: MÜNDLICH GEKÜNDIGT?
"Sie sind gefeuert, holen Sie sich Ihre Papiere!" Mit solchen oder ähnlichen Sätzen gehen auch heute noch hin und wieder Arbeitsverhältnisse zu Ende. Auch der umgekehrte Fall, dass der Arbeitnehmer von heute auf morgen das Handtuch wirft, kommt vor.
In vielen dieser Fälle weinen beide Beteiligten einander keine Träne nach und es kommen weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber auf den Gedanken, das Vertragsende einer juristischen Überprüfung zu unterziehen. Tut man dies, so wird man jedoch schnell feststellen: Juristisch gesehen bewirken
solche mündlichen Kündigungen nichts. Es gilt der zwingende gesetzliche Grundsatz: Ob Kündigung oder Aufhebungsvereinbarung - ein Arbeitsverhältnis ist nur dann beendet, wenn sich dies aus einem unterschriebenen Schriftstück ergibt. Mündliche Kündigungen, aber auch mündliche einvernehmliche Aufhebungsvereinbarungen sind damit unwirksam. Sie sind juristisch gesehen ein "Nichts".
Eine Kündigung muss unterschrieben sein. Eine wirksame Unterschrift ist nicht gegeben, wenn Ihnen eine Kündigung per E-Mail, Telefax oder gar als SMS zugeht. Denn auch wenn die Kündigung hier schriftlich vorliegt, ist damit das gesetzlich geforderte Schriftformerfordernis nicht erfüllt. Erheblich ist, dass die Kündigung eine Originalunterschrift trägt. So hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass ein unterzeichnetes Telefax lediglich die Kopie einer Unterschrift darstellt, nicht aber eine Unterschrift trägt, die dem Schriftformerfordernis genügt. Die Möglichkeit einer elektronischen Übermittlung ist für eine Kündigung auch dann ausgeschlossen, wenn in Ihrem Unternehmen ansonsten in anderen Bereichen legal mit zertifizierten Signaturen gearbeitet wird.
Die elektronische Form ist für arbeitsrechtliche Kündigungen gesetzlich ausdrücklich verboten.
LIEGT EINE SCHRIFTLICHE VOLLMACHT VOR?
Ist eine Unterschrift vorhanden, so kann die Kündigung trotzdem unwirksam sein, wenn sie von jemandem unterzeichnet wurde, der gar nicht zur Kündigung berechtigt ist. Neben dem Unternehmensinhaber selbst ist ohne Weiteres davon auszugehen, dass der Personalchef oder der Prokurist die entsprechende Vollmacht auch in Personalangelegenheiten besitzt. Andere Personen können zwar im Einzelfall vom Arbeitgeber beauftragt sein, eine Kündigung auszusprechen, sie müssen dies jedoch durch Vorlage einer Vollmacht gleichzeitig mit der Übergabe der Kündigung nachweisen. In einigen Unternehmen erfolgt die Mitteilung, wer die Kündigung aussprechen darf, per Aushang im Betrieb. Sofern dieser Aushang allgemein zugänglich ist, bedarf es in der Regel keiner weiteren Vorlage einer Vollmacht.
BEISPIEL: DER RECHTSANWALT KÜNDIGTDieter Jordan streitet sich mit seinem Chef vor dem Arbeitsgericht über seine Überstundenzuschläge. Als es im Gericht zu gegenseitigen Vorwürfen kommt, verlässt der Arbeitgeber unter Protest den Saal, nicht ohne seinem Anwalt zuzuflüstern: "Kündigen Sie dem noch heute in meinem Namen."
Erfolgt die Kündigung durch ein vom Anwalt unterzeichnetes Schreiben, so muss auch hier eine gesonderte Kündigungsvollmacht im Original beiliegen. Dies gilt selbst dann, wenn der Anwalt bereits in einem laufenden Verfahren eine allgemeine Vollmacht vorgelegt hat.
KÜNDIGUNG ZURÜCKWEISEN
Wenn Sie Zweifel an der Kündigungsberechtigung des Unterzeichners haben oder wenn die Unterschrift unter der Kündigung den Zusatz "i. V." (in Vertretung) trägt, dann müssen Sie die Kündigung unverzüglich schriftlich gegenüber dem Arbeitgeber zurückweisen. Auf Seite 119 finden Sie ein entsprechendes Musterschreiben. Unverzüglich heißt nach gesetzlicher Definition "ohne schuldhaftes Zögern"; die Zurückweisung sollte also so schnell wie möglich nach Erhalt der Kündigung erfolgen.
Haben Sie die Kündigung berechtigt zurückgewiesen, nützt es Ihrem Arbeitgeber nichts, wenn er nachweist, dass die Vollmacht zum Zeitpunkt der Kündigung vorgelegen hat. Die Kündigung muss neu ausgesprochen werden.
WANN GILT EINE KÜNDIGUNG ALS ZUGEGANGEN?
Wann ist ein Kündigungsschreiben juristisch gesehen zugegangen? Zunächst einmal dann, wenn Sie es tatsächlich in den Händen halten, es Ihnen also persönlich übergeben wurde. Wenn Sie es dann nicht sofort öffnen oder es nach dem Motto "Was ich nicht weiß, das macht mich nicht heiß" ungelesen wegwerfen, hilft Ihnen das nichts. Entscheidend ist, dass Sie die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hatten. So lautet die amtliche Version des Zugangs im Juristendeutsch: "Ein Kündigungsschreiben gilt dann als zugegangen, wenn es so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass dieser unter üblichen Verhältnissen damit zu rechnen hat, dass er von der Kündigungserklärung Kenntnis nehmen konnte."
Die Feststellung des ordnungsgemäßen Zugangs ist bei den Formalitäten einer Kündigung ein wichtiger Punkt. Geht hierbei etwas schief, so kann das entweder dazu führen, dass die Kündigung als gar nicht erfolgt gewertet wird, oder dazu, dass der Zugang auf einen späteren Zeitpunkt verlegt wird.
Die Konsequenz kann eine Verschiebung des Kündigungszeitpunkts nach hinten sein. Oft verstreicht dann ein "Kündigungsfenster".
NICHT PERSÖNLICH ZUGESTELLT
BEISPIEL: KÜNDIGUNGSSCHREIBEN IM BRIEFKASTENWalter Wirtmann wird ein Kündigungsschreiben per Einschreiben mit Rückschein zugeschickt. Als der Postbote den Brief überbringen will, ist niemand da. Am Abend übersieht Wirtmann den Abholzettel und befördert ihn mit der Werbepost in den Papierkorb. Als der Arbeitgeber nach fünf Tagen immer noch keinen Rückschein von der Post erhalten hat und der Kündigungstermin bevorsteht, lässt er den Kündigungsbrief pünktlich zum Monatsletzten um 16 Uhr von seinem Lehrling persönlich in Wirtmanns Briefkasten werfen.
Ergebnis: Der erste Zustellungsversuch ist fehlgeschlagen. Wird eine Kündigung als Einschreiben verschickt und zieht der Postbote unverrichteter Dinge wieder ab, so ist kein Zugang anzunehmen. Das Einwerfen des Benachrichtigungszettels ist dabei ohne jede Bedeutung. Tatsächlich zugegangen ist das Schreiben hingegen per Einwurf durch einen Boten. Dieser Zugang ist aber rechtlich gesehen erst später anzunehmen, nämlich erst dann, wenn der zu Kündigende mit normaler Post zu rechnen hat. Es ist allerdings zu beachten, dass andere Zustellunternehmen als die Deutsche Post auch andere Zustellzeiten haben. Sofern bei Ihnen ein privater Zustelldienst regelmäßig nachmittags die Post einwirft, muss auch zu dieser Zustellzeit der Briefkasten kontrolliert werden. Herrn Wirtmann geht das Schreiben rechtlich gesehen erst am nächsten Morgen zu. Ist der folgende Tag ein Sonn- oder Feiertag, so verschiebt sich der Zugang noch einmal. Damit hat der Arbeitgeber unter Umständen den Monatsletzten als Kündigungstermin verpasst.
Bei Entgegennahme durch Familienmitglieder oder Bewohner einer Wohngemeinschaft gilt das Schreiben als dem Arbeitnehmer zugestellt.
ZUSTELLUNG WÄHREND URLAUB ODER KRANKHEIT ERLAUBT
Was aber ist, wenn Sie längere Zeit gar nicht in Ihrer Wohnung sind? Etwa weil Sie Urlaub machen oder im Krankenhaus oder zur Kur sind.
BEISPIEL: URLAUBSABWESENHEITGustav Groll findet nach seiner Rückkehr aus einem vierwöchigen Jahreslaub eine Kündigung im Briefkasten vor. Diese hatte sein Chef durch einen Boten dort deponieren lassen, kurz nach dem Herr Groll seinen Urlaub begonnen hatte. Im anschließenden Prozess wendet der Arbeitgeber ein, auch im Urlaub habe sich jeder um seine Post zu kümmern, deswegen sei es jetzt für eine Klage gegen die Kündigung zu spät.
Der Einwand, man sei im Urlaub gewesen, zählt nicht. Dies gilt nach der Rechtsprechung selbst dann, wenn Ihr Arbeitgeber weiß, dass Sie länger abwesend sind, oder Sie ihm sogar Ihre Urlaubsadresse mitgeteilt haben. Davon muss man aber streng die Frage unterscheiden, ob Ihre Urlaubsabwesenheit auch dazu führt, dass Sie nicht mehr rechtzeitig Klage vor dem Arbeitsgericht erheben können (siehe Fristen S. 72). Im Gegensatz zum Zugang der Kündigung kann hier Ihre Urlaubsabwesenheit geheilt werden. Unserem Muster auf Seite 123 können Sie entnehmen, wie Sie Ihre Klage doch noch erfolgreich einreichen können.
BEISPIEL: ZUSTELLUNG WÄHREND EINER ERKRANKUNGSie liegen mit einer starken Erkältung im Bett oder befinden sich wegen einer Operation im Krankenhaus. In dieser Zeit bekommen Sie eine Kündigung zugestellt und wenden ein, dass es formal nicht möglich sei, einem Arbeitnehmer zu kündigen, wenn er arbeitsunfähig erkrankt ist.
Hier unterliegen Sie einem fatalen Irrtum. Tatsächlich ist Ihr Arbeitgeber keineswegs daran gehindert, Ihnen während einer Krankheit eine Kündigung auszusprechen und zuzustellen. Ob er Ihnen wegen dieser Krankheit kündigen kann, ist eine andere Frage, die Sie im Rahmen einer Kündigungsschutzklage angehen müssen. Auf eine formelle Unwirksamkeit können Sie sich mit dieser Begründung keinesfalls berufen.
VORSICHT BEI EMPFANGSQUITTUNG
Arbeitgeber lassen sich häufig den Empfang der Kündigung vom Arbeitnehmer quittieren. Dagegen ist zunächst nichts einzuwenden, vor allem dann nicht, wenn auf einer Kopie des Kündigungsschreibens nur der Vermerk "Erhalten" steht. Anders sieht dies jedoch aus, wenn Sie aufgefordert werden, eine Empfangs- und Ausgleichsquittung zu unterschreiben. Dies kann bedeuten, dass Sie schriftlich bestätigen, aus dem Arbeitsverhältnis keinerlei Ansprüche mehr zu haben, wie z. B. restliche Urlaubstage oder Vergütungsansprüche. Bestätigen Sie ein Kündigungsschreiben nur mit "Erhalten", möglichst auf einer Kopie. Unterschreiben Sie nicht voreilig ein als "Ausgleichsquittung" überschriebenes Schriftstück.
CHECKLISTE: WANN GILT EINE KÜNDIGUNG ALS ZUGEGANGEN?
- Das Kündigungsschreiben wurde persönlich übergeben.
- Die Kündigung wurde nicht persönlich übergeben, sondern ist in Ihren Machtbereich gelangt. Sie wurde also in den Briefkasten eingeworfen oder erreichte Ihren Wohnbereich auf andere übliche Weise. Entscheidend ist die Möglichkeit der Kenntnisnahme.
- Die tatsächliche Zustellungszeit ist nur dann auch der rechtliche Zugangszeitpunkt, wenn das Schreiben zu einer Zeit eingeworfen wird, zu der Sie üblicherweise mit postalischen Zustellungen rechnen müssen.
- Wird das Schreiben zu einer postalischen Unzeit eingeworfen, so wird der rechtliche Zugang auf den Zeitpunkt verlegt, zu dem Sie mit Postzustellungen rechnen müssen.
- Auch während Ihrer Abwesenheit von zu Hause wegen Urlaubs sowie während einer Erkrankung gilt eine Kündigung als zugegangen, wenn sie ordnungsgemäß in Ihren Machtbereich gelangt.
WENN ÜBER DEN ZUGANG GESTRITTEN WIRD
Nicht selten wird in Arbeitsgerichtsprozessen schon darum gestritten, ob die Kündigung überhaupt beim Arbeitnehmer angekommen ist. Die Beweislast für den Zugang trägt zunächst der Arbeitgeber. Er muss nicht beweisen, dass der Empfänger den Brief tatsächlich erhalten und gelesen hat, sondern nur, dass die Kündigung in den Machtbereich des Arbeitnehmers gelangt ist.