Vorwort
Was ist eigentlich Kultur- und Kreativwirtschaft im Handwerk? Vereinfacht gesagt: Wenn ein Zimmermann das Bühnenbild zusammensetzt, eine Geigenbauerin Musikinstrumente baut, ein Goldschmied ein neues Design entwirft und umsetzt, ein Tischler einen neuen Designerschrank baut, dann ist man mittendrin in der Kultur- und Kreativwirtschaft. Sie kennzeichnet einen Bereich, in dem Akteure schöpferisch tätig sind und damit einen Impuls für Innovationen geben. Diese Kultur- und Kreativwirtschaft ist nicht nur wichtig für die Neu- und Weiterentwicklung bestimmter Güter und Dienstleistungen, sondern auch für die ganze Volkswirtschaft.
Richard Florida hat mit seinen drei "T" für Toleranz, Talente und Technologie die frühere Hypothese, dass die Unternehmen den Standort wählen (Technologie), dann die Arbeitnehmer (Talente) folgen und daraus ein bestimmtes lokales, regionales oder nationales Milieu (Toleranz) entsteht, umgekehrt und behauptet, dass inzwischen die Toleranz Anziehungskraft auf die Talente entfalte, denen dann zwangsläufig die Technologie folge. Wenn das stimmt, dann sorgt einerseits ein tolerantes Milieu für die Entstehung kultur- und kreativwirtschaftlichen Schaffens verschiedener Akteure und andererseits das Vorhandensein einer ausgeprägten Kultur- und Kreativwirtschaft für die Festigung und Weiterentwicklung eines solchen kreativen Umfelds. In diesem Sinne besteht eine zusätzliche volkswirtschaftliche Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft darin, dass sie ein Umfeld schafft, in dem sich die Talente wohl fühlen: Sie fragen Kulturgüter nach. Sie verwirklichen neuartige Konzepte, Ideen, und unverwechselbare Produkte und Leistungen. Sie generieren Know-how und Wissen, denken Altes neu und markieren durch ihren Umgang mit Informationen, Netzwerken und innovativer Arbeitsorganisation den Übergang zur Wissensökonomie. Das vorliegende Arbeitsheft zeigt, dass es für das Verstehen um Bedeutung und Tragweite der Kultur- und Kreativwirtschaft auch einer handwerklichen Perspektive bedarf. Ohne den Blick auf die Vielfalt und das Leistungsspektrum kultur- und kreativwirtschaftlichen Schaffens im Handwerk würden wichtige Facetten der Sichtweise auf die Kultur- und Kreativwirtschaft und die "creative class" Richard Floridas fehlen. Und genau für diese Klasse muss ein Land attraktiv sein, da aus ihr heraus Innovationen entstehen, die auf die gesamte Volkswirtschaft ausstrahlen.
Wirtschaftspolitisch kann die Kultur- und Kreativwirtschaft deshalb von großem Interesse sein, weil man an ihr möglicherweise ablesen kann, ob sich ein Zusammenhang zwischen Innovationsaktivitäten einerseits und Umfang der Kultur- und Kreativwirtschaft andererseits zeigt. Dafür bedarf es jedoch einer sinnvollen Abgrenzung der Kultur- und Kreativwirtschaft einschließlich der Bereiche, die im Handwerk dazuzählen. Ohne das Handwerk - und das verdeutlicht das vorliegende Arbeitsheft - wäre die Erfassung höchst unvollständig und würde zu kurz greifen.
Darüber hinaus gibt das Arbeitsheft Aufschluss darüber, welchen Umfang und welche Qualität die Kultur- und Kreativwirtschaft im Handwerk hat.
Diese Veröffentlichung leistet dafür einen wichtigen Beitrag und hilft, das volkswirtschaftlich zentrale Wirtschaftsfeld des Handwerks mit der Kultur- und Kreativwirtschaft in Verbindung zu bringen und es so als einen integralen Bestandteil ihres Konzepts zu etablieren. Mit Hilfe dieser Grundlagenarbeit lässt sich die Frage nach den positiven Wirkungen der Kultur- und Kreativwirtschaft mit einem umfassenderen Verständnis betrachten.
Die Untersuchung wurde im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums für Wirtschaft und Technologie erstellt. Zur Unterstützung des Projektes wurde ein Beirat eingerichtet, dem neben Vertretern des Ministeriums auch Experten aus dem Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft angehörten.
Darüber hinaus haben verschiedene Handwerkskammern (Aachen, Berlin, Dresden, Erfurt, Flensburg, Hannover, Kassel, Magdeburg, Mannheim, München und Oberbayern sowie Rheinhessen) die Studie durch mannigfaltige Hilfen unterstützt. Die Studie wurde zudem durch zahlreiche wertvolle Hinweise vieler Experten zu verschiedensten Aspekten der Kultur- und Kreativwirtschaft wesentlich bereichert. Allen beteiligten Institutionen und Personen sei an dieser Stelle herzlicher Dank ausgesprochen.
Das Volkswirtschaftliche Institut für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen freut sich, der interessierten Öffentlichkeit eine Arbeit von hoher Aktualität vorzulegen. Wir hoffen, dass diese Veröffentlichung dazu beiträgt, die Bedeutung des Handwerks im breiten Spektrum der Kultur- und Kreativwirtschaft zu stärken und weitere Diskussionen anregt, welche Rolle die kultur- und kreativwirtschaftlich tätigen Handwerker im diesem Konzept spielen.
Göttingen, im November 2011
Prof. Dr. Kilian Bizer
Direktor des Volkswirtschaftlichen Instituts für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen
Bei diesem Arbeitsheft handelt es sich um die Kurzfassung einer ausführlichen Studie: "Das Handwerk in der Kultur- und Kreativwirtschaft" (320 Seiten). Die Studie ist erhältlich bei Mecke Druck und Verlag, Duderstadt, ISBN 978-3-86944-050-7.
Sprache
Maße
Höhe: 29.7 cm
Breite: 21 cm
ISBN-13
978-3-86944-051-4 (9783869440514)
Schweitzer Klassifikation