Vorwort ... 4
Eine Kugel Schoko bitte! ... 7
Ich bin Emmo, wer bist du? ... 9
So war es früher ... 10
Die Geige und ich ... 14
Im Wildpark ... 16
Haue in der Kita ... 20
Pflaster vor dem Mund ... 25
Sprechen lernen mit Frau Dr. Sperling ... 28
Sprechen ohne Stimme ... 30
Das Flüsterspiel ... 35
Die Überraschung beim Dart ... 38
Auf dem Trampolin ... 40
Im Freizeitpark mit Onkel Tobi ... 42
Schreien auf der Achterbahn ... 44
In der Eisdiele ... 47
Endlich Schule ... 52
Sprechen lernen: Rituale für Familien ... 61
Du bist stark: Das Glaubens-Ritual ... 62
Du bist gut so: Das Akzeptanz-Ritual ... 64
Du kannst alles schaffen: Das Motivations-Ritual ... 66
Du bewältigst Aufgaben: Das Perlenglas-Ritual ... 68
Geige, Reiten, Karate: Das Selbstwert-Ritual ... 72
Der Kinderbesuch: Das Freundschafts-Ritual ... 76
Die sichere Routine: Das Milchshake-Ritual ... 78
Die Ausflüge: Das Bindungs-Ritual ... 80
Sprachlos vor Glück: Das Dankbarkeits-Ritual ... 82
Im eigenen Tempo: Das Kein-Druck-Ritual ... 83
Positive Menschen: Das Unterstützungs-Ritual ... 84
Die Kommunikation: Das Mitteilungs-Ritual ... 85
So war es früher ...
Früher hieß es oft: "Emmo, warum sagst du nichts? Du bist schon groß genug. In deinem Alter müssen andere nicht mehr für dich sprechen!"
Wenn das passierte, hatte ich ein ganz doofes Gefühl. Ich war traurig und schämte mich irgendwie. Denn natürlich wollte ich gerne etwas sagen. Aber es ging einfach nicht.
Zum Glück gab es Mama und meinen Bruder Theo.
Immer dann, wenn ich lieber schweigen wollte, sagte Mama zu den Leuten: "Emmo spricht nicht mit Fremden." Oder: "Emmo ist zu schüchtern zum Reden." Manchmal antwortete Mama auch gleich ganz für mich. Das war eine echte Erleichterung und ich fühlte mich besser.
Teilweise redete mein Bruder Theo statt mir. Theo war damals zwar erst vier Jahre alt, doch mit dem Sprechen tat er sich viel leichter als ich.
Als mich mein Freund Luis einmal zu Hause zum Spielen besuchte, fragte er mich: "Spielen wir Fangen?"
Ich flüsterte Theo meine Antwort ins Ohr, und Theo sprach sie dann laut für mich aus.
Zum Beispiel: "Emmo möchte lieber Verstecken spielen."
Oder: "Emmo möchte im Garten spielen."
So half mir Theo beim Sprechen, seit er selbst sprechen konnte.
Zu Hause redete ich meistens sehr viel. Meine Mama sagte immer: "Emmo, du plapperst wie ein Plappergei und klingst schon richtig schlau."
Doch sobald jemand Fremdes oder Freunde von meiner Mama und meinem Bruder Theo zu Besuch kamen, sprach ich nicht mehr.
Mamas Freundin Claudi sagte gerne: "Hallo Emmo, geht's dir gut?"
Ich nickte und lächelte. Diese Frage war nämlich eine meiner Lieblingsfragen: Einfach nicken reichte aus! Oder auch mit dem Kopf schütteln, wenn ich Nein sagen wollte.
Für die meisten Leute war es okay, dass ich nickte oder den Kopf schüttelte. Sie mussten nur die Fragen entsprechend formulieren.
Es gab aber auch Erwachsene, die mit Unverständnis reagierten. Sie sagten dann Dinge wie: "Emmo, warum spricht du nicht mit mir? Wir kennen uns doch schon so lange!"
Oder sie nörgelten an meiner Mama rum: "Wenn du ihm nicht dauernd mit dem Antworten helfen würdest, würde er bestimmt reden." Manche meinten auch: "Theo soll nicht ständig für Emmo sprechen, das kann Emmo wirklich selbst."
Weil mich die Meinung der anderen zunehmend stresste und ich mich immer mehr in mein Schildkrötenhaus zurückzog, beschloss Mama eines Tages: "Ich möchte, dass sich jeder wohlfühlt zu Hause und es diese lästigen Ansagen nicht mehr gibt. Es dürfen uns deshalb nur noch diejenigen besuchen, die kein Problem mit Emmos Nichtsprechen haben. Denn echte Freunde wollen ihn unterstützen. Sie verstehen, dass er momentan eben nicht spricht."
An diese Worte hielt sich meine Mama und aus diesem Grunde trafen wir uns nur mehr mit den Menschen, die mich so akzeptierten, wie ich war.
Sprechen lernen: Rituale für Familien
Die folgenden Rituale im Alltag ließen das große Ziel, dass auch Emmo eines Tages ganz normal sprechen kann, Stück für Stück näherkommen.
Probiert sie einfach nach Lust und Laune aus!
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Du bist stark: Das Glaubens-Ritual
Ich sage dem Kind täglich positive Sätze, die den Glauben an sich selbst stärken:
... "Ich glaube an dich und ich weiß, dass du es schaffen wirst!"
... "Jeder Tag ist ein neuer Tag, an dem wir stärker werden!"
... "Ich sehe, wie du dich anstrengst. Es fehlt nicht mehr viel, bis ein 'Hallo' aus deinem Mund heraus möchte."
... "Du bist ein sehr starkes Kind und ich sehe, wie du jeden Tag stärker wirst."
... "Sei in der Schule mutig und stark."
... "Du schaffst es in der Schule."
Ich gebe dem Kind einen Mutgegenstand als Begleiter mit, den es mit dem Mut zum Sprechen verbindet. Beispiele für Mutgegenstände:
Eine Mutfigur, zum Beispiel in Form der Lieblings-Actionfigur
Eine Halskette mit einem Mutanhänger in Herzform oder als Schutzengel
Ein Mutarmband
Ein kleines Mutstofftier in Form des Lieblingstieres
Ein Mutstein, der sich in der Hosentasche des Kindes befindet. Diesen fasst das Kind an, wenn es sich unwohl fühlt und Mut benötigt.
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[.]
Du kannst alles schaffen: Das Motivations-Ritual
Auch und vor allem in schwierigen Zeiten stehe ich dem Kind stets zur Seite und motiviere es. Ich zeige dem Kind, dass Rückschritte akzeptabel sind, und übe mich in Geduld.
Es ist wichtig, das Kind kontinuierlich zu motivieren. Insbesondere dann, wenn Fortschritte beim Sprechen trotz großer gemeinsamer Anstrengungen ausbleiben.
Durch konstante Ermutigung und Motivation helfe ich dem Kind, Vertrauen in sich selbst zu entwickeln.
Ich spreche täglich mit dem Kind über seinen Tag.
Wir erforschen zusammen, was für es gut und was schlecht war. Ich bestärke es, wenn das Sprechen noch nicht funktioniert hat.
Ich sage dem Kind am Abend vor dem Einschlafen einen dieser Sätze und gebe ihm ein positives Gefühl:
... "Morgen ist ein neuer Tag, du kannst ganz neu anfangen."
... "Höre nicht darauf, was die anderen sagen. Du weißt: Du kannst das."
... "Du bist so schlau, dass du alles schaffen kannst."
... "Vertraue darauf, dass du eines Tages sprechen kannst."
... "Fehler sind okay. Sie machen dich robust und werden zu deinen Helfern."
... "Du kannst alles erreichen, was du willst."
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Du bewältigst Aufgaben: Das Perlenglas-Ritual
Ich nehme ein leeres Glas mit Deckel, ein volles Säckchen mit bunten Perlen und einen Notizblock.
Auf den Notizblock schreibe ich zusammen mit dem Kind eine Liste.
In die linke Spalte der Liste kommt die Aufgabe und in die rechte Spalte die Anzahl der Perlen, die es für die gemeisterte Aufgabe in das Glas geben kann.
Auf eine weitere Seite schreibe ich gemeinsam mit dem Kind Belohnungen auf, die es für eine gewisse Anzahl an Perlen bekommt.
Als Aufgabe stehen Herausforderungen wie zum Beispiel "Sag etwas zu einem Freund" oder "Grüße jemanden auf der Straße".
Nach erfolgreich gemeisterter Aufgabe kommen die Perlen in das leere Glas.
Das Ziel ist, dass alle Perlen aus dem Säcken das Glas füllen.
Als Belohnungen können zum Beispiel Aufkleber, Fingerfarben, Malstifte, ein Spielzeug oder - bei sehr vielen Perlen - sogar ein Kinobesuch dienen.
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Der Kinderbesuch: Das Freundschafts-Ritual
Ich ermutige das Kind, Freunde einzuladen und eine vertraute Umgebung zu schaffen.
Ideen, wie man das machen kann:
Ich schreibe zusammen mit dem Kind zu Hause eine Einladungskarte. Diese Karte gibt das Kind, falls dies möglich ist, direkt an seinen Freund oder seine Freundin weiter.
Sollte das Kind dies nicht wollen oder können, lade ich zunächst die Mama (Papa, Oma, Tante, .) zusammen mit dem Freund oder der Freundin des Kindes und eventuellen Geschwisterkindern zu uns nach Hause ein. Das wiederhole ich ein paar Mal.
Die Kinder spielen zusammen und lernen sich in der Umgebung bei uns zu Hause besser kennen.
Später kommen nur der Freund oder die Freundin zu uns zum Spielen.
Wir sollten dabei Folgendes bedenken: Je öfter der Freund oder die Freundin zu Besuch kommen, desto gewohnter und vertrauter ist die Situation für alle. Das Kind kann in geschützter häuslicher Umgebung mit dem Freund oder der Freundin die ersten Worte sprechen.