Der dir Halt gab so oft, am Ende selbst halt-
los, droht zurückzusacken auf die Klobrille,
halbseitig gelähmt, während wir zu dritt ver-
zweifelt versuchen, ihn zu fassen, ihm unter
die Arme zu greifen, damit er zurückkann
ins Bett, endlich wieder zum Liegen kommt.
Aber er stemmt sich mit Bärenkräften da-
gegen, krallt sich fest am Türstock. »Los-
lassen, bitte lass los, keiner von uns kann
dich länger halten.« Aber er klammert weiter,
wehrt sich, will sich nicht fallenlassen, nur
nicht aufgefangen werden, schreit, vielmehr
lallt: »Neejm, Neejm« - er, der so Wort-
mächtige scheitert jetzt schon am Wörtchen
Nein und nochmals am Nein, er ist schlicht-
weg nicht mehr von der Stelle zu bewegen,
droht ganz in sich zusammenzusinken. »Es
geht einfach nicht mehr, ich kann dich nicht
länger«, und ich komm nicht an ihn ran, es
ist viel zu wenig Platz, wenn ich nur wüsste,
wie man einen Hilflosen am besten anfasst,
der schon weit weg ist mit den Augen und
noch panischer wird, als ich zum Handy
greife in meiner großen Verzweiflung und
Eins-Eins-Zwei tippe: »Bitte kommen Sie
schnell, kommen Sie bitte!« Da schreit er
nur noch: »Neejm, Neejm, Neejm«, in einem
fort: »Neejm«, und ich wünschte, ich wäre
noch weiter fort, als er es schon ist. Auf der
Trage draußen, eingerahmt von Notarzt und
Sanitätern, hebt er noch eine Hand zum Ab-
schiedsgruß, auf einmal wieder souverän
wie eh und je, fast Aristokrat oder Segen
erteilender Priester, Don Antonio, und ich
rufe und ich rufe ihm laut nach: »Vater,
komm bald wieder, wir brauchen dich hier,
denn ohne dich ist es viel zu still im Haus!«
Weßling, 22. Januar 2022