Kreuzberger Novelle

Kreuzberg, den 1. September 1960
Es war ein kalter Septembermorgen. Ein junger Mann überquerte mit langsamen Schritten die
Fidicinstraße in Kreuzberg. Da war ein Tor, durch das ein Lastwagen auf die Straße fuhr. In der Pförtnerloge, die sich rechts im Inneren der Durchfahrt befand, saß ein alter Mann, der den Ankömmling fragend ansah. Der junge Mann strich rechts an der roten Mauer der Fabrik entlang und blieb an einem vergitterten Fenster stehen. Als er durch das Fenster blickte, entdeckte er den Mann, der ihm, dem ehemaligen Hauptschüler, zutraute, den Beruf eines Industriekaufmannes zu erlernen. Er unterhielt sich mit einer älteren Dame, das heißt, er redete und sie hörte ihm zu. In dem Büro hatte man vier Tische zu einem Rechteck zusammengeschoben, das fast bis zur hinteren Wand reichte. Dort hatte gerade noch ein Stuhl Platz. "Ich nehme an, dieser Platz ist für mich bestimmt", mutmaßte der neue Lehrling der Firma Wittenbecher. Er würde also die nächsten Jahre seines Lebens mit diesem alten Pärchen verbringen. Und seine Arbeit ? Was sollte das für eine Arbeit sein? Das hier war eine Schraubenfabrik. Er entfernte sich vom Fenster, sich an die bröcklige rote Wand lehnend, und schloss die Augen: Er wäre so gern Seemann geworden ...