Gül hatte sich verlaufen, als sie Klinge begegnete. Hatte eines Nachts ihre ferne Kindheit und die blaue Schuluniform,
die sie nicht anziehen konnte, mitgenommen und war auf die Straße gegangen. Als sie ihr Filiz, ihre neugeborene
Schwester, auf den Schoß setzten, war Gül, die nackte Königin der Stadt, neun Jahre alt. In der unbarmherzigen
Nacktheit der Sprache sagte man ihr: »Du bist jetzt sozusagen auch eine Mutter. Du hast ein Baby, wie alle anderen Mütter.« Gül, ihre Mutter, die Nachbarn im Viertel, die Polizisten, die ihren Vater abgeführt hatten, und die Frauen, die mit ihrer Mutter im Konfektionsatelier arbeiteten, waren alle nackt. Sie hatten Gül ihre Kindheit geraubt, die Bücher, aus denen sie das ABC des Lebens hätte lernen sollen, ihre auf dem Schulweg ausgetretenen Schuhe und das Amulett gegen den bösen Blick, das ihre Mutter ihr unter der Schuluniform um den Hals gehängt hatte. An dem Abend, als ihr Vater von der Polizei abgeführt wurde. Als ihre Mutter die Tür geöffnet hatte, war sie von einem Polizisten grob zur Seite gestoßen worden, ehe Dutzende weitere hereingestürmt kamen. Ihr war aufgefallen, wie sehr die Polizisten, die ihn festhielten, ihrem Vater ansahen mit seiner dunklen Haut, seinen buschigen Augenbrauen und seinen schwarzen Haaren, und sie hatte geschrien: »Papa kann ohne Filiz nicht leben. Lasst ihn hier!« Während sie schrie, sah sie aus zusammengekniffenen Augen einen Schatten durch die Tür verschwinden. Den ihres Vaters.