Vorwort
Endometriose ist eine gutartige Frauenkrankheit, die in jedem Alter nach der ersten Regelblutung auftreten kann!
Die biochemischen und psychologischen Abläufe und Zusammenhänge der Erkrankung sind noch nicht wissenschaftlich ausreichend erforscht.
Die Ursachen, die zur Endometriose führen, sind noch unbekannt, und wie sie entsteht, ist nur teilweise geklärt.
Und ein nicht unbedeutender Teil aller Endometriosen ruft überhaupt keine Beschwerden hervor.
Umfangreich untersucht wurde, wie eine Endometriose fortschreitet und Krankheitssymptome hervorruft.
Die Erkrankung, die das Zellgewebe der Organe der Bauchhöhle, aber auch anderer Organe befallen kann, verursacht nicht vorhersehbare Beschwerden unterschiedlichster Qualität.
Endometriose spielt sich dabei nicht nur im biologischen, sondern auch im sozialen Leben von Frauen ab. Denn eine Frau, die längere Zeit an chronischen Schmerzen leidet, verändert sich.
Im Umgang mit Endometriose ist eine ganzheitliche Sicht notwendig, die die Lebensqualität und nicht nur das Funktionieren« berücksichtigt. Durch mehr Wissen und Kompetenz können Frauen lernen, mit einer chronischen Endometriose gut zu leben und sich eine optimale Behandlung zu sichern.
Die Endometriose ist eine komplexe Erscheinung, die einerseits für die betroffene Frau ohne jegliche Bedeutung sein kann, andererseits aber eine extrem belastende Erkrankung mit weitreichenden Folgen für das körperliche und seelische Befinden darstellen kann. Obwohl eine der häufigsten gutartigen gynäkologischen Erkrankungen, ist das Wissen über die Endometriose noch unzureichend.
Bei der Lektüre dieses Buches werden Sie als Betroffene feststellen, dass es für viele Faktoren, Einflüsse und Wirkmechanismen, die bei der Entstehung, dem Fortschreiten und dem Verlauf der Endometriose eine Rolle spielen, noch keine abschließend befriedigenden medizinischen Erklärungen gibt. Medizin kann aber aufgrund des heutigen Wissensstandes aus unterschiedlichen erprobten Therapiekonzepten, die für den individuellen Fall bestmögliche Behandlungsform anbieten. Denn jede Endometriose ist anders. Unterschiedliche Ausprägungen und Verlaufsformen der Endometriose, aber auch individuelle Bedürfnisse der Betroffenen - je nach Lebensgeschichte und Lebenssituation - machen diese individuelle Behandlungsstrategie nötig.
Dieses Buch gibt Ihnen einen Überblick über die derzeitig wichtigsten Erkenntnisse aus der Endometrioseforschung und die daraus entwickelten Therapiekonzepte, die ausführlich beschrieben werden. Die unterschiedlichen Verfahren stehen dabei nicht konkurrierend, sondern ergänzend zueinander, damit sich Betroffene über das ganze Spektrum möglicher Hilfen informieren können. Denn eine informierte Patientin kann entscheidend dazu beitragen, gemeinsam mit den behandelnden Experten und Expertinnen sich die für ihre Endometriose optimale Therapieform zu sichern.
Jörg Keckstein
Auszug aus: Warum die Diagnose oft schwierig ist (H.-W. Schweppe)
Symptome, Lokalisation und Häufigkeit
Die Endometriose verursacht typischerweise unterschiedlich starke, langsam zunehmende und zeitweise unerträgliche Menstruations-beschwerden, chronische, zyklische oder permanente Schmerzen vor allem im Beckenbereich, aber auch im gesamten Bauchraum. Häufig ist sie die Ursache für ungewollte Kinderlosigkeit. Ferner klagen Endometriosepatientinnen häufig über uncharakteristische Störungen des Allgemeinbefindens.
Eine Endometriose kann wiederholte stationäre Behandlungen, operative Eingriffe und langfristige medikamentöse Therapien erforderlich machen. Je nachdem, wo sich die Endometriose angesiedelt hat und welche Organe mit befallen sind, variieren die Beschwerden. Und endometriosebedingte Verwachsungen und Narben führen zu zyklusunabhängigen Beschwerden. Oft steht die Schwere der Erkrankung nicht im Zusammenhang mit der Intensität der Beschwerden. Und ein nicht unbedeutender Teil aller Endometriosen ruft überhaupt keine Beschwerden hervor.
Präzise Angaben über die tatsächliche Häufigkeit der Endometriose können deshalb nicht gemacht werden, sondern nur für Häufigkeitsbereiche von genau bezeichneten Untergruppen.
Das typische Alter zum Zeitpunkt der Erstdiagnose liegt zurzeit zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Ursache für die steigende Erkrankungsrate »jüngerer Frauen« ist wahrscheinlich die verbesserte Diagnostik, da die diagnostische Laparoskopie (Bauchspiegelung) häufiger eingesetzt wird, um ungewollte Kinderlosigkeit, unklare Unterbauchbeschwerden und sekundäre Menstruationsschmerzen abzuklären.
Bis zu zehn Prozent der Endometriosen wurden bei Frauen vor dem zwanzigsten Lebensjahr nachgewiesen, und man schätzt, dass bis zu zwei Prozent der Frauen auch nach den Wechseljahren noch an Endometriose oder ihren Folgen leiden.
In 60 % der Fälle findet man die Absiedelungen im Douglas'schen Raum (Bereich zwischen Gebärmutterhinterwand und Dickdarm) und/oder an den Haltebändern der Gebärmutter, insbesondere an denen, die um den Dickdarm herum in die Kreuzbeinhöhle ziehen.
Die Eierstöcke sind bei etwa der Hälfte aller Patientinnen befallen. Andere Organe einschließlich der Blase (15 %) und der Eileiter (bis zu zehn Prozent) sind häufig mit befallen. Eine Endometriose im Bereich der Bauchhöhle oder an sonstigen Körperstellen außerhalb des Bauchraumes, ohne dass das kleine Becken gleichzeitig mit befallen ist, wird selten beobachtet und wird mit unter acht Prozent der Fälle angegeben. Sind die inneren Genitalorgane von Endometriose befallen, so sind in bis zu 20 % der Fälle auch der Darm, Enddarm, Blinddarm oder Harnleiter mit betroffen.
Eine Endometriose außerhalb des Bauchraumes ist selten, aber es gibt gut dokumentierte Fälle von Endometriose in den Lungen, des Lungenfells oder des Rippenfells sowie Endometrioseabsiedelungen im Bereich der Arme und Beine, des Rückenmarkkanals oder in Operationswunden (Bauchschnitt, Dammschnitt).
Neben diesen Beschwerden, die die Endometriose am Ort ihrer krankhaften Wachstumsprozesse hervorruft, leiden die betroffenen Frauen noch an verschiedenen unspezifischen Symptomen, die ihr Befinden z. T. erheblich beeinträchtigen und sie durch chronische Beschwerden auch psychisch belasten.
Allgemeines Unwohlsein, diffuse Bauchbeschwerden, Völlegefühl, Stimmungsschwankungen und Antriebsarmut sind viel häufiger mit Endometriose verbunden, als dies aus der medizinischen Literatur hervorgeht. Dies konnten die amerikanischen Selbsthilfegruppen (Tab.1) eindrucksvoll anhand großer Datenerhebungen nachweisen.
Nur wenn wir Ärzte und Ärztinnen in der Zukunft auch auf uncharakteristische Beschwerden genauer achten und die Endometriose in allen Altersklassen mit in Erwägung ziehen, werden wir den betroffenen Frauen helfen und unnötige jahrelange Schmerzzustände, Beeinträchtigungen des Wohlbefindens und der Leistungsfähigkeit vermeiden können.
Da die diagnostische Abklärung schwierig ist und bei der gynäkologischen Untersuchung die Endometriose in den frühen Stadien unauffällig bleibt, wurden diese Beschwerden von den Ärzten in der Vergangenheit entweder nicht genügend berücksichtigt oder es wurden falsche Diagnosen gestellt (Tab. 2) und damit erfolglose Fehlbehandlungen eingeleitet. Oder die Beschwerden wurden als psychosomatisch bedingt falsch interpretiert. So erklären sich die oft bis zu fünf Jahre dauernden Leidensgeschichten der Frauen, bis endlich durch Bauchspiegelung die richtige Diagnose gestellt wird.
Auszug aus: Die chirurgische Therapie der Endometriose (Jörg Keckstein)
Indikationsstellung - Gründe für operative Maßnahmen
Ziel jeder Operation ist die Entfernung und die weitgehende Zerstörung aller Endometrioseherde. Aufgrund der unterschiedlichen Erscheinungsformen dieser Krankheit werden entsprechend unterschiedliche Operationsmethoden angewandt. Vor jeder Operation steht deshalb die exakte Indikationsstellung, d. h., durch eine gründliche Erhebung der Krankengeschichte und Diagnostik wird der behandelnde Arzt in Abstimmung mit der Patientin und unter Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse einen chirurgischen Eingriff planen und durchführen.
Operative Methoden dienen zur Diagnose der Erkrankung und zur Therapie. So kann eine exakte Diagnose nur durch entnommene Gewebeproben mit anschließender feingeweblicher Untersuchung (Histologie) gestellt werden.
Ist die Erkrankung bereits mit den üblichen gynäkologischen Untersuchungen darstellbar (z. B. in der Scheide oder am Muttermund sichtbar), wird dort direkt eine Probeentnahme (Biopsie) zur Diagnosebestätigung durchgeführt. In den meisten Fällen ist die Endometriose jedoch im Bauchraum lokalisiert und nur durch eine Bauchspiegelung (Laparoskopie = Pelviskopie) oder über einen Bauchschnitt darstellbar.
Die häufigsten Indikationen zu einer Operation sind Schmerzen und Unfruchtbarkeit bzw. Funktionsstörungen der Organe. Diese Schmerzen werden durch anatomische Veränderungen und Funktionsstörung der Organe verursacht:
zunehmende Schmerzen während der Periodenblutung (auch unmittelbar vor und nach der Menstruation)
Schmerzen beim Geschlechtsverkehr
periodenabhängige Störungen der Darmfunktion (Diarrhoe etc.)
periodenabhängige Schmerzen bei der Stuhlentleerung
periodenabhängige Schmerzen beim Wasserlassen
periodenabhängige Schmerzen in der Nabelgrube, im Zwerchfellbereich, in der Leistenregion oder in anderen Körperregionen
Durch die Endometriose zeigen die betroffenen Organe meistens Veränderungen an ihrer Struktur, Größe und Funktion. Organveränderungen, wie druckschmerzhaftes Gewebe (Knoten), treten im Bereich hinter und neben der Gebärmutter, in der Scheide, zwischen Scheide und Darm, zwischen Scheide und Blase, in der Gebärmutterwand etc. auf.