Sonntagabend: Wir sind immer noch hier. Wieder einmal hocke ich irgendwo in Afrika und warte. Warte auf morgen. Vielleicht tut sich bis dahin etwas, vielleicht auch nicht. Was für ein gräßlicher Ort für einen ungeduldigen Mann.
Es scheint, als hätten sich inzwischen mehr als zwei Dutzend Lastwagen hier eingefunden. Letzte Nacht haben wir draußen auf einer Matte gelegen, uns unterhalten und am kühlen Himmel Meteore beobachtet, während aus dem Boden unter uns die Wärme aufstieg. »Wir«: Das sind zwei Mohameds - Billeh aus Mogadischu und der Löwe aus Lobopar - und ich, abwechselnd White Boy oder, aus unerfindlichen Gründen, Mike genannt. Wir wollen nach Mogadischu, haben aber nur ganz vage Vorstellungen davon, wie es dann weitergeht ... »Der Löwe« wie aus dem Zauberer von Oz - Billeh ist der Tin Man, ich bin natürlich Dorothy, und alle gemeinsam sind wir auf der Suche nach der Vogelscheuche -, und ich schwöre, näher als in Afrika wird man dem Land Oz nicht kommen, geschweige denn kommen wollen.
Im Dunkeln scheint der Horizont so weit entfernt wie der Himmel über uns. Kein Mond heute Nacht, nur alle Sterne, die es jemals gab, und Satelliten auf ihrer Umlaufbahn und manchmal, ganz selten, etwas Blinkendes, ein Flugzeug in zehn Kilometern Höhe vielleicht. Eine weitere Nacht unter einem fremden Himmel in einem anderen Winkel der Welt. Im Radio höre ich Berichte von Bombenanschlägen, Kämpfen, Seuchen, ja sogar Hexenverbrennungen (in den letzten zehn Monaten wurden in Südafrika siebzig ältere Frauen verbrannt), und ich habe das Gefühl, in einer Welt zu leben, in der es nichts anderes gibt als das. Ich habe eine Taschenbuchausgabe des Neuen Testaments dabei, aber es fällt mir nicht leicht, darin zu lesen, denn im Augenblick lebe ich selbst in der Welt der Bibel - einer Welt der Krüppel und Monster, einer Welt der verzweifelten Hoffnung auf einen wütenden Gott, einer Welt der Verbannung, der Machtlosigkeit und des Wartens, Wartens und Wartens. Aber auch einer Welt der Wunder und der Erlösung.