Von Angesicht zu Angesicht zuhören zu können, das ist eine große, seltene
Kunst. Tante Gerda war immer eine gute Zuhörerin gewesen. Seit ihrer Jugend
hatte sie ihnen zugehört, hatte ihnen ihr Ohr geliehen, während sie über sich
selbst und die anderen redeten, sie hatte sie in einer immensen, ausgeklügelten
Übersicht aus Lebensläufen in sich getragen, lauter Lebenslinien, die sich
überschnitten und nebeneinander herliefen. Sie lauschte mit dem ganzen
großen, flachen Gesich , regungslos, leicht vorgeneigt und mit gesenktem Blick.
Sie rührte ihren Kaffee nicht an und ließ die igarette herunterbrennen.
Nur in den kurzen Pausen, die selbst ein größeres Drama für triviale, aber
notwendige Erklärungen zulässt, gestattete sie sich einen heftigen Zug an der
Zigarette, kippte den Kaffee in sich hinein und stellte die asse behutsam und
ohne zu klirren ab.
Tante Gerda war, eigentlich, nichts als Stille.«