Als ich neun Jahre alt war, lernte ich schwimmen. Meine Mutter brachte es mir im Traum bei, da war sie schon tot.
In dem Traum spielten der Nachbarsjunge und ich mit Murmeln. Ich war gut und hatte schon mehrere Runden gewonnen, als meine Mutter mich rief, sie stand unten an der Straße. Ich unterbrach das Spiel sofort, ließ die kostbaren Glasmurmeln liegen und lief zu ihr. Sie drückte mich an sich und fragte, ob wir baden gehen wollten. Im Einkaufsnetz hatte sie alles dabei, was wir brauchten: Unsere Badeanzüge und die großen, hellblauen Handtücher, die immer so rau waren, weil sie immer draußen in der prallen Sonne und dem rastlosen Wind auf der Leine trockneten. Sie hatte kalten Saft in der Thermosflasche, eine alte Zeitung und ein paar Holzscheite. Es war ein Wunschtraum. Ich war so glücklich.
Am Strand machten wir zwischen den Steinen ein Feuer. Wir zogen die Badeanzüge an und gingen ins Wasser.
»Es ist lauwarm«, sagte ich. »Wir sind wohl auf eine warme Quelle gestoßen.«
»Vielleicht hat das Feuer das Meer aufgewärmt«, meinte meine Mutter.
Als wir weiter draußen waren, zeigte sie mir, wie ich Arme und Beine bewegen musste. Die rechte Hand hielt sie unter meinem Kinn, die linke unter dem angespannten Bauch.
»Du musst nicht zappeln«, sagte sie. »Es ist nicht nötig, dass du dich so anstrengst.«
Sie sprach ruhig, sagte, ich solle mich vom Wasser tragen lassen, dürfe das Atmen nicht vergessen.
»Wenn du die Luft anhältst, gehst du unter.«
Es war, als glitte ich in ein anderes Dasein hinein, für kurze Zeit bewegte ich mich in einer neuen Wirklichkeit, aber kaum hatte ich gesagt, jetzt könne sie mich loslassen, jetzt könne ich schwimmen, wachte ich auf, und obwohl es noch Nacht war, stand ich auf, nahm den Badeanzug aus der Kommode und schlich mich aus dem Schlafzimmer.