Textprobe:
Kapitel 5.5, Vergreisung von Tarifen:
Die Versicherten erwarten von den Versicherern einen Versicherungsschutz, der dem aktuellen Stand der Medizin angepasst ist. Um dem gerecht zu werden, entwickeln die Versicherer neue Tarife, die die medizinischen Verbesserungen in den Leistungszusagen einschließen. So sieht beispielsweise der neue Tarif BestMed 5 der Deutschen Krankenversicherung eine Erstattung der Kosten für die Korrektur von Sehschwächen mittels Laser-in-Situ-Keratomileusis-Operation (Lasik-OP) an Leistungen vor. Ältere Tarife leisten für die Korrektur von Sehschwächen lediglich für Sehhilfen wie Brillen oder Kontaktlinsen. Ein weiterer Grund für die Entwicklung und den Vertrieb neuer Tarife ist das Wettbewerbsinstrument 'Preis'. Neue Tarife können günstig angeboten werden, da sich nur gesunde Menschen versichern können, bzw. in diesen Tarif hineingelassen werden. Werden die Versicherten mit der Zeit älter und kränker, werden die Beiträge angepasst und der Tarif wird für das Neugeschäft unattraktiver. Mit den neu eingeführten Tarifen und den damit verbundenen niedrigen Beiträgen, wurden so ausschließlich neu zu versichernde Personen umworben.
Die Folge der Einführung von neuen Tarifen, ist eine Spaltung des Versichertenbestandes. Neukunden schließen fast ausschließlich die neu entwickelten Tarife ab, wodurch die älteren Tarife faktisch vom Neuzugang abgeschottet sind. Diese Tarife können auch vom Versicherer für den Neuzugang komplett geschlossen werden.
Dadurch verschlechtert sich die Risikostruktur der Alttarife enorm, da die in diesen Tarifen Versicherten immer älter und damit statistisch gesehen immer kränker werden. Diese Alttarife 'vergreisen' damit.
Durch Vergreisung können und werden die Beiträge überproportional steigen und somit zur Unbezahlbarkeit führen.
Um eine derartige Entwicklung zu vermeiden räumt der Gesetzgeber den Versicherten mit dem § 204 VVG ein Tarifwechselrecht ein. Danach haben die Versicherten das Recht in einen anderen, gleichartigen Tarif desselben Versicherers zu wechseln, ohne dass die bisher erworbenen Rechte und die aufgebaute Alterungsrückstellung verloren gehen. Dieses Recht soll den Versicherten eine Art sozialen Schutz (Bestandsschutz) bieten. Niemand muss so in einem geschlossenen Tarif, dessen Beiträge in die Höhe schnellen, gefangen bleiben. Möchte der Versicherungsnehmer jedoch in einen Tarif mit einem höheren Versicherungsschutz - oder einfacher gesagt: in einen Tarif neuerer Auflage - wechseln, führt der Versicherer eine Risikoprüfung durch und darf für bestehende Krankheiten für den hinzu kommenden Teil des Versicherungsschutzes Risikozuschläge oder Leistungsausschlüsse bzw. Kostenerstattung nach dem Alttarif für bestimmte Krankheiten vereinbaren.
Weiterhin sind im Normalfall für den hinzu kommenden Teil des Versicherungsschutzes Wartezeiten zu durchlaufen.
Diese 'Schikanen' Zuschläge und Ausschlüsse machen für ältere, kranke Versicherte die neuen Tarife derart uninteressant, dass eine 'Zwangsvergreisung' vorprogrammiert ist. Die Beiträge werden aufgrund der Versichertenkonstellation weiter steigen. Gute Risiken wandern in neue (billigere) Tarife ab und ältere Personen sind auf Gedeih und Verderb in Ihrem alten Tarif gefangen.
'Der in einem solchen Tarif des Altbestands Versicherte ist der Vergreisung schutzlos ausgeliefert, weil das gesetzliche Tarifwechselrecht in Wirklichkeit nicht greift.'
Die Vorschrift des § 204 VVG ist somit unbrauchbar. Das ursprünglich erklärte Ziel, die Beiträge konstant gleich und bezahlbar zu halten, wird verfehlt.
5.6, Der teure Basistarif:
Durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz wurde das Recht der privaten Krankenversicherungen umgestaltet. Nach dem §12 Abs. 1a sind alle inländischen
Krankenversicherer, die die substitutive (ersetzende) Krankenversicherung betreiben, verpflichtet den brancheneinheitlichen Basistarif anzubieten. Die Leistungen des Basistarifs müssen der Art und Höhe nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen.
Für Kinder und Jugendliche, sowie für Beihilfeberechtigte muss der Tarif entsprechende Varianten vorsehen. Weiterhin haben die Versicherten die Möglichkeit im Basistarif Selbstbeteiligungen in Höhe von 300,00 EUR, 600,00 EUR, 900,00 EUR und 1200,00 EUR zu vereinbaren. Der Verband der privaten Krankenversicherung legt entsprechend den gesetzlichen Vorgaben die genauen Leistungen fest. Ein weiterer wichtiger Punkt der Gesundheitsreform ist die Pflicht zum Abschluss eines Krankenversicherungsvertrages. Diese Pflicht gilt nach dem § 193 Absatz 3 VVG für alle Personen, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind.
Mit der Regelung soll sichergestellt werden, dass sich Personen nicht oder verspätet gegen die finanziellen Folgen von Krankheit versichern und so zum Kostenrisiko für die Allgemeinheit werden.