Vorwort
Kap 1 Das System des Bauleistungs-Reverse-Charge
1.1 Einführung
1.2 Unionsrecht
1.3 Verhältnis zu anderen Bestimmungen
Kap 2 Betroffene Leistungen
2.1 Allgemeines
2.2 Begriff des Bauwerks
2.3 Lieferung oder sonstige Leistung
2.3.1 Lieferungen
2.3.2 Sonstige Leistungen
2.3.3 Gestellung von Arbeitskräften
2.4 Zweifelsfälle
2.5 Exkurs: Liefer- oder Leistungsort
2.6 Bauleistungskatalog
Kap 3 Betroffene Unternehmer
3.1 Erbringer von Bauleistungen
3.2 Empfänger von Bauleistungen
3.2.1 Allgemeines
3.2.2 Beauftragter Bauleister
3.2.3 Üblicherweise Bauleister
3.3 Ausländische Unternehmer
3.3.1 Ausländischer leistender Unternehmer
3.3.2 Ausländischer Leistungsempfänger
3.4 Einzelfälle
3.4.1 Bauträger
3.4.2 Hausverwaltung
3.4.3 Personalgesteller
3.4.4 Versorgungsunternehmen
3.4.5 Wohnbauvereinigungen
3.4.6 Wohnungseigentumsgemeinschaften
Kap 4 Rechtsfolgen
4.1 Steuerschuld und Vorsteuerabzug
4.1.1 Steuerschuld
4.1.2 Vorsteuerabzug
4.1.3 Anzahlungen
4.2 Verbuchung
4.3 Rechnungsstellung
4.4 Haftung und Folgen bei Fehlern
4.5 Aufzeichnungspflichten
4.5.1 Leistungserbringer
4.5.2 Leistungsempfänger
4.6 Beispiele
Kap 5 Entscheidungsbaum und Übersichtstabellen
5.1 Entscheidungsbaum: Bauleister
5.2 Übersichtstabelle: Bauleister
5.3 Übersichtstabelle: Bauleistungsempfänger
Kap 6 Grundstücksumsätze
6.1 Begriff und Abgrenzung
6.1.1 Allgemeines
6.1.2 Der Grundstücksbegriff
6.2 Unechte Steuerbefreiung
6.3 Option zur Steuerpflicht
6.3.1 Ausübung der Option
6.3.2 Vorsteuerabzug
6.4 Änderung der Verhältnisse
6.5 Aufbewahrungspflicht
Anhang
Beispielverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Kap 2 Betroffene Leistungen
2.1 Allgemeines
§ 19 Abs 1a 2. Absatz 2. und 3. Satz UStG:
"Bauleistungen sind alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Reinigung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Das gilt auch für die Überlassung von Arbeitskräften, wenn die überlassenen Arbeitskräfte Bauleistungen erbringen."
Bauleistungen sind alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung, Beseitigung oder Reinigung (seit 1. Jänner 2011) von Bauwerken dienen (vgl EuGH 13.12.2012, BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH, C-395/11).
Bei der Auslegung der Begriffe "Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung und Änderung von Bauwerken" wird auf die einkommensteuerliche Beurteilung von Baumaßnahmen zurückgegriffen. Aus einkommensteuerlicher Sicht sind unter den angeführten Maßnahmen solche zu verstehen, die entweder (als Änderung der Wesensart des Gebäudes) zu aktivierungspflichtigem Herstellungsaufwand auf dieses Wirtschaftsgut "Gebäude" führen oder sich als Gebäudeerhaltung (Instandhaltung, Instandsetzung) darstellen (VwGH 19.9.2013, 2011/15/0049).
Verpflichtet sich ein Unternehmer zur Durchführung einer Bauleistung (zB Einbau von Fenstern) und bedient er sich zur Durchführung seiner Leistung Subunternehmer, ist seine Leistung als Bauleistung zu beurteilen, auch wenn er selbst unmittelbar keine Bauleistung erbringt. Bei den Subunternehmern ist bei jeder einzelnen Leistung zu prüfen, ob eine Bauleistung vorliegt.
BEISPIEL 2: Leistungen von Subunternehmern:
Ein Bauunternehmer beauftragt für einen Neubau einen Tischler mit der Herstellung inklusive Einbau der Fenster. Der Tischler beauftragt im Rahmen der Herstellung der Fenster seinerseits einen Glaser mit dem Einbau der Scheiben. Anschließend werden die Fenster vom Tischler eingebaut.
Der Tischler führt eine Bauleistung durch. Der Glaser erbringt keine Bauleistung, da kein hinreichender Bezug zum Gebäude vorliegt.
Jede Leistung ist für sich zu beurteilen. Werden aus umsatzsteuerlicher Sicht selbständige Leistungen erbracht, die teilweise Bauleistungen und teilweise keine Bauleistungen sind, so können diese nicht einheitlich als Bauleistung betrachtet werden. Selbst bei einheitlicher Abrechnung sind in diesem Fall die Leistungen aufzuteilen und je nach Qualifikation dieser Leistungen zu versteuern oder dem Reverse-Charge-System zu unterwerfen.
Die Frage, ob eine Bauleistung vorliegt oder nicht, ist stark vom Einzelfall abhängig. Bei der Beurteilung können die UStR zur Hilfe herangezogen werden. Siehe dazu Rz 2602c UStR.
2.2 Begriff des Bauwerks
Der Begriff des Bauwerks ist weit auszulegen und umfasst nicht nur Gebäude, sondern darüber hinaus sämtliche mit dem Erdboden verbundene oder infolge ihrer eigenen Schwere auf ihm ruhende, aus Baustoffen oder Bauteilen mit baulichem Gerät hergestellte Anlagen.
Mit anderen Worten ist ein Bauwerk
- jedes mit oder in dem Boden über oder unter dem Meeresspiegel befestigte Gebäude oder jedes derartige Bauwerk, das nicht leicht abgebaut oder bewegt werden kann;
- jede Sache, die einen wesentlichen Bestandteil eines Gebäudes oder eines Bauwerks bildet, ohne die das Gebäude oder das Bauwerk unvollständig ist, wie zum Beispiel Türen, Fenster, Dächer, Treppenhäuser und Aufzüge;
- Sachen, Ausstattungsgegenstände oder Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder einem Bauwerk installiert sind, und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder das Bauwerk zu zerstören oder erheblich zu verändern.
Siehe dazu auch Abschnitt 6.1.2.
BEISPIEL 3: Beispiele zu Bauwerken:
Anlagen zur Ver- und Entsorgung von Grundstücken, Ausstattungsgegenstände von Gebäuden (zB Fenster, Türen, Bodenbeläge, Heizungsanlagen), Böschungsbefestigungen, Brücken, Brunnen, Einrichtungsgegenstände, wenn sie mit einem Gebäude fest verbunden sind (zB Ladeneinbauten, Schaufensteranlagen, Gaststätteneinrichtungen oder Einbauküchen), Folien- oder Betonteiche (ohne Bepflanzung), Garagen, Gebäude, Hoch- und Tiefbauten, Kanäle, Maschinen und sonstige Betriebsvorrichtungen, sofern sie mit dem Grund und Boden fest verbunden sind (zB Windkraft-, Klärwerksanlagen, Strommasten, Schiffshebewerke, Silos), Platz- und Wegebefestigungen, Straßen, Tunnel, Umzäunungen.
2.3 Lieferung oder sonstige Leistung
Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es bei der Auslegung des Begriffes der "Bauleistungen" unter Berücksichtigung des Sprachgebrauchs dieses Begriffes sowie der Ziele, die mit der speziellen Bauleistungs-Reverse-Charge-Regelung verfolgt werden, unerheblich, ob das Unternehmen, das ein Gebäude errichtet, Eigentümer der bebauten Fläche oder des verwendeten Materials ist, oder ob der betreffende Umsatz als "Dienstleistung" oder als "Lieferung von Gegenständen" einzustufen ist (vgl EuGH 13.12.2012, BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH, C-395/11 unter Hinwies auf EuGH 4.5.2006, Massachusetts Institute of Technology, C-431/04 sowie EuGH 29.1.2009, Petrosian, C-19/08).
2.3.1 Lieferungen
Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich, dass auch eine umsatzsteuerlich als Lieferung zu qualifizierende Leistung eine Bauleistung iSd Bestimmung darstellen kann.
Um sich als Bauleistung zu qualifizieren, ist aber ein hinreichender Bezug zum Bauwerk notwendig. Eine Lieferung ist daher nur dann eine Bauleistung, wenn der gelieferte Gegenstand vom liefernden Unternehmer bzw seinen Erfüllungsgehilfen mit dem Grundstück oder dem darauf befindlichen Bauwerk fest verbunden wird. Dies ist insbesondere bei Werk- und Montagelieferungen der Fall.
BEISPIEL 4: Lieferung mit Montage - Theke:
Die von einem Generalunternehmer für einen Gastwirt bestellte Theke ist vom beauftragten Unternehmer individuell nach den Wünschen des Auftraggebers geplant, gefertigt, geliefert und vor Ort montiert worden.
Die Planung und die Fertigung am Standort des leistenden Unternehmers stellen noch keine Bauleistungen dar. Auch die Lieferung inkl Transport zur Baustelle ist noch nicht als Bauleistung anzusehen. Da die Theke durch die Montage aber fest mit dem Gebäude verbunden wird, ist insgesamt von einer Bauleistung auszugehen (Rz 2602c UStR).
Der VwGH hat jedoch klargestellt, dass nicht jede Montage zu einer Bauleistung führt. Die Lieferung und Montage eines Wirtschaftsgutes ist danach dann keine Bauleistung, wenn das gelieferte Wirtschaftsgut auch nach der Montage noch ein eigenständiges Wirtschaftsgut und nicht Teil des Gebäudes ist und die Montage nur eine unselbständige Nebenleistung zur Lieferung darstellt.
BEISPIEL 5: Lieferung mit Montage - Beleuchtung:
Die Lieferung und Montage von Beleuchtungskörpern stellt insgesamt keine Bauleistung dar, selbst wenn die Montage im Wege von Trageschienen isoliert betrachtet eine Bauleistung darstellen sollte (VwGH 19.9.2013, 2011/15/0049).
BEISPIEL 6: Lieferung mit Montage - Bühnenbilder:
Bei der Herstellung und Montage von Gegenständen, die zu Dekorationszwecken auf Theaterbühnen verwendet werden, ist grundsätzlich nicht von einer Bauleistung auszugehen, auch wenn sie für die Dauer einer Produktion bzw Veranstaltung mit der Bühne fest verbunden werden, da sie nach dem Ende der Spielsaison oder Veranstaltung idR ohne relevante Beschädigung der Bühne (oder der Dekorationsgegenstände) entfernt werden können (BFG 1.9.2014, RV/2100809/2009).
Diese Rechtsprechung ist aber kritisch zu sehen. Im Falle von Einbauküchen gehen die UStR zB davon aus, dass es sich insgesamt um eine Bauleistung handelt. Aber auch in diesem Fall bleibt die Küche wirtschaftlich betrachtet ein eigenständiges Wirtschaftsgut und die Montage stellt auch nur eine Nebenleistung zur Lieferung der Küche dar.
Eine Bauleistung setzt aber jedenfalls voraus, dass mit der Lieferung nicht bloß untergeordnete Arbeiten am Bauwerk verbunden sind.
BEISPIEL 7: Lieferung mit Montage - Feuerlöscher:
Die Lieferung von Feuerlöschern, die in Halterungen an der Wand befestigt werden, stellt keine Bauleistung dar.