Polymorphkernige Neutrophile (PMN) sind die am häufigsten vorkommenden Leukozyten in Lymphe sowie im Blut. Sie werden schnell aus dem Blutkreislauf an Infektionsstellen rekrutiert, um dort Krankheitserreger zu bekämpfen. So reagieren PMN auf protozoäre und metazoische Parasiten durch folgende Effektormechanismen: Freisetzung von immunmodulatorischen Molekülen (d. h. Zytokinen und Chemokinen), Phagozytose, Produktion von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) und der Freisetzung von neutrophilen extrazellulären Traps (NETs). NETs wurden als feine extrazelluläre Strukturen beschrieben, die aus dekondensiertem Chromatin bestehen und mit antimikrobiellen Komponenten wie Myeloperoxidase (MPO), Neutrophiler Elastase (NE), Lactoferrin, Calprotein, LL37, Pentraxin, Proteinase 3 oder Cathepsin G vesehen sind. Es wurden bereits mehrere Parasitenarten als Induktoren von NETs beschrieben, darunter unter anderem Besnoitia besnoiti, Neospora caninum und Dirofilaria immitis. Die vorliegende Dissertation thematisiert weitere relevante Parasiten, wie z.B. die Blutstromparasiten Trypanosoma brucei brucei und Angiostrongylus vasorum. Dabei sind folgende Ergebnisse besonders hervorzuheben:
Die Kokultur von Rinder-PMN mit T. b. brucei-Stadien, d.h. prozyklische Trypomastigoten und metazyklische Blutkreislauf-Trypomastigoten, führten zu einer starken NET-Freisetzung und PMN-Aktivierung. Dieser Prozess war unabhängig von Zeitpunkt und Parasitenstadium. Bei Konfrontation von vitalen T. b. brucei-Stadien mit Rinder-PMN wurde eine schnelle und anhaltende Erhöhung der Sauerstoffverbrauchsrate (OCR) und der extrazellulären Ansäuerungsrate (ECAR) erreicht, was auf eine Produktion von ROS als Reaktion auf den Parasiten hindeutet. Des Weiteren wurden NET-Strukturen durch SEM-Bilder, konfokale Laserscanmikroskopie und holotomographische 3D-Mikroskopie-Analysen lebender Zellen visualisiert. Diese zeigen die Ko-Lokalisierung von DNA mit antimikrobiellen Molekülen, die im PMN-Kern und -Granula vorhanden sind. Dabei konnten Histone (H1, H2A/H2B, H3, H4) und Neutrophile Elastase als klassische Komponenten der extrazellulären Abwehrstrukturen dargestellt werden. Darüber hinaus wurden morphologische Veränderungen in der Ausdehnung des Kernbereichs von Rinder-PMN als Folge der Chromatin-Dekondensation beobachtet. Hier wurde eine Analyse von Fluoreszenzmikroskopie-Bildern durchgeführt, wobei eine halbautomatische Quantifizierung der NETs-Bildung angewendet wurde, die als "DNA-Bereichs- und NETosis-Analyse" (DANA) bezeichnet wird.
Darüber hinaus wurde eine Bewertung verschiedener Phänotypen von NETs durchgeführt, die zeigte, dass die Bildung von aggNETs der am häufigsten vorkommende Phänotyp war, wenn
Rinder-PMN mit T. b. brucei prozyklische Trypomastigoten und metazyklische Trypomastigoten konfrontiert wurden. Dieses Ergebnis war unabhängig vom Zeitpunkt und von dem PMN/Parasiten-Verhältnis.
Um die Beteiligung purinerger Rezeptoren an der Aktivierung von Rinder-PMN und an der Bildung von aggNETs zu untersuchen, wurden die purinergen Inhibitoren NF449 (Antagonist des P2X1-Rezeptors) und MRS2578 (Antagonist des P2Y6-Rezeptors) getestet. In diesem Zusammenhang enthüllte NF449 bei 100 µM und 10 µM eine inhibitorische Wirkung, was die spezifische Rolle von P2X1 in T. b brucei-vermittelter NETose widerspiegelt. Die Wirkung von MRS2578 wurde bei 10 µM bestätigt, was eine Rolle von P2Y6 in diesem Prozess beweist. Diese Ergebnisse wurden erzielt, indem die Hemmung der Bildung von aggNETs mit Bildanalysen und OCR-Messungen in Rinder-PMN untersucht wurde.
Hunde-PMN wurden mit vitalen A. vasorum-L3 stimuliert und die Veränderungen in der NAE der Zellen und der NET-Bildung analysiert. Dabei war sprNETs der am häufigsten vorkommende Phänotyp. Nach der Stimulation von Endothelzellen der Aorta des Hundes (CAEC) durch lösliches Antigen von A. vasorum (AvAg) wurde deren Aktivierung durch Messungen klassischer Adhäsionsmoleküle, einschließlich P-Selectin, E-Selectin, VCAM-1 und ICAM-1, bestätigt.
Zusätzlich konnte eine Endothelzellschädigung beim Wirt nachgewiesen werden, die durch NETs und H2A durch Aktivierung von B. besnoiti-Tachyzoiten, ausgelöst wurde. Dies bestätigt die von NETs stammenden schädlichen Wirkungen auf mit B. besnoiti infizierte BUVEC-Monolayer unter physiologischen Bedingungen.
Es wurden hier Experimente mit Kolostrum-PMN von Hündinnen durchgeführt, wobei beobachtet wurde, dass Hunde-Kolostral-PMN in der Lage sind, NETs gegen vitale sowie tote N. caninum-Tachyzoiten zu bilden. Des Weiteren konnte die phagozytische Funktion von Kolostral-PMN bei Neugeborenen gezeigt werden.
Schließlich wurden Experimente mit Rinder-PMN gegen S. scabiei-Stadien (Adulte, Nymphen, Larven und Eier) sowie lösliches S. scabiei-Antigen (ScAg) durchgeführt. Dabei konnte eine leichte Anheftung von PMN an das Exoskelett von S. scabiei-Stadien beobachtet werden. Es wurde jedoch nach Stimulation von Rinder-PMN mit 10 µM ScAg nur eine schwache NET-Produktion erreicht. Phagozytose, ROS-Produktion und Ca++-Flüsse konnten nach der Stimulierung mit 10 µM ScAg beobachtet werden. Insgesamt belegen die präsentierten Daten, dass nicht alle Parasiten NETose in gleicher Art und Weise induzieren können, weshalb zukünftige Arbeiten im Bereich Modulations- sowie Evasionsstrategien des angeborenen Immunsystems auf Parasiten erforderlich sind.
Reihe
Thesis
Dissertationsschrift
2023
Justus-Liebig-Universität Gießen
Sprache
Verlagsort
Maße
Höhe: 21.5 cm
Breite: 15.5 cm
Gewicht
ISBN-13
978-3-8359-7105-9 (9783835971059)
Schweitzer Klassifikation