Vorwort
In meiner langjährigen Tätigkeit als Kinder- und Jugendarzt begegnen mir immer wieder Eltern, die verzweifelt und erschöpft mit ihrem kleinen Baby, auf das sie sich so gefreut haben, zur Vorsorgeuntersuchung kommen. Wochenlanger Schlafentzug durch nächtliche Unruhe bei ihrem Kind und die ständige Sorge, bei dessen anhaltendem Weinen etwas falsch gemacht zu haben, steht ihnen ins Gesicht geschrieben. Die Lifetime-Forschung beschreibt diese erste Phase der Eltern mit ihrem Neugeborenen deshalb nicht zu Unrecht als die härteste Zeitspanne, die man im Erwachsenenleben mitunter zu bestehen hat. Bei der Suche nach Ursachen dieses erschwerten Starts ins Leben kennt die Schulmedizin viele dieser Ursachen und Wirkbeziehungen wie Frühgeburtlichkeit, Medikamenten-, Nikotin- und Alkoholmissbrauch der Mutter, Allergien oder angeborene Stoffwechsel- und Regulationsstörungen. Bei der Frage nach Behandlungsmöglichkeiten fallen die Antworten jedoch schwerer. Vor allen Dingen die so genannten 'Dreimonatskoliken' sind ein Phänomen, auf das ich durch meine Ausbildung zunächst keinen rechten Lösungsvorschlag machen konnte. Umso mehr erstaunte es mich, als mir Eltern erstmals tief erleichtert von den erstaunlichen Veränderungen im Verhalten ihres Babys nach osteopathischer Behandlung berichteten. Heute, viele Jahre nach meiner ersten Begegnung mit dieser Heilmethode, weiß ich die Zusammenarbeit mit Therapeuten dieser Fachrichtung sehr zu schätzen. Dabei fallen mir zwei Dinge besonders auf: Osteopathie stellt auf wunderbare Weise Beziehungen her zwischen aktuellen Problemen und abgelaufenen, zum Teil vorgeburtlichen Störungen, Verletzungen und Kränkungen, die sich sogar auf die Mutter- oder Elternbeziehung erstrecken.
Diese Sichtweise rückt die Osteopathie in die Nähe von Heilmethoden wie Homöopathie oder familientherapeutischer Psychotherapie. Sie stützt sich dabei auf wissenschaftliche Erkenntnisse der Anatomie, Neurophysiologie und Schmerzforschung. Zum anderen appellieren die osteopathischen Behandlungstechniken auf sanfte und einfühlsame Weise an die Selbstheilungskräfte und Ressourcen in uns. Sie stellt damit nicht so sehr Mängel und Defizite in den Vordergrund, sondern hilft den Betroffenen und Angehörigen eine positive Weltsicht zu entwickeln.
Birgit Gillemot gehört zu den erfahrensten Therapeutinnen. Ihre Arbeit zeugt von tiefem Verständnis des sensiblen Wechselspiels zwischen Mutter und Kind vor, während und nach der Geburt und ermöglicht ihr die erfolgreiche Behandlung von Problemen dieser Zeit bei beiden. Mit diesem Buch beschreibt sie die vielfältigen Möglichkeiten der Osteopathie in den ersten Lebensjahren bis zum Gestaltwandel der Pubertät. Sie stellt Wechselbeziehungen zur Schulmedizin und anderen Heilmethoden her und vermittelt nebenbei Grundwissen zu häufigen Erkrankungen. Es gibt Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, einen guten Einblick in die Arbeitsweise und vor allen Dingen auch Anwendungsmöglichkeiten dieser Behandlungstechnik. Ich wünsche diesem Buch und der Autorin viel Erfolg und Anerkennung.
Dr. med. Peter Thilemann
Osteopathie - eine ganzheitliche Heilmethode
Heilen ohne Medikamente und Instrumente - das ist es, was sich Eltern im Bedarfsfall für ihre Kinder wünschen. Und genau dies versucht die Osteopathie.
Osteopathie setzt bei den Selbstheilungskräften an. Sie hilft dem Körper, sich
selbst zu heilen. Alles was der Körper dafür braucht, besitzt er bereits. Es muss nur aktiviert werden.
Selbstheilungskräfte
Seit dem Beginn unserer Entwicklungsgeschichte mussten wir uns vor Krankheiten und Feinden schützen. Nur die stärksten Individuen konnten überleben und ihre Gene weitergeben. So entwickelten sich im Laufe der Jahrmillionen Schutzmechanismen und Abwehrkräfte, angepasst an die jeweiligen Bedürfnisse. Wer heute lebt, verfügt über ein ausgefeiltes System solcher Kräfte, das seit Urzeiten für das Überleben seiner Ahnen gesorgt hat. Diese Systeme zu aktivieren und dem Körper den Zugriff darauf zu ermöglichen, ist das Ziel einer osteopathischen Behandlung. Die osteopathische Philosophie geht davon aus, dass es die (göttliche) Kraft des Lebens selbst ist, die jedem Lebewesen innewohnt und ihren Ausdruck sucht. Unter den Selbstheilungskräften versteht man also die Fähigkeiten des Körpers, sich gegen schädliche Einflüsse zu wehren und seinen möglichst optimalen Gesundheitszustand wiederherzustellen. Dazu gehören z.B. das Immunsystem, die Fähigkeit zur Wundheilung, die Anpassung an verschiedenste Bedingungen der Umwelt, aber auch die Kompensation von nicht behebbaren Störungen des Körpers, wie z. B. Anomalien oder irreparable Schäden durch Verletzungen oder Krankheiten. Die Selbstheilungskräfte sichern also die Gesundheit und sind im Laufe der Evolution in Millionen von Jahren ausgebildet worden.
So hilft sich der Körper
In unseren Genen ist die Information über unseren bestmöglichen Zustand festgelegt. Unsere Gelenke z. B. haben ein bestimmtes, begrenztes Maß an Beweglichkeit, unsere Organe eine definierte Funktion und Leistungsfähigkeit.
Wir haben Schwächen und Stärken, und wenn alles im Gleichgewicht ist, dann spricht man von Gesundheit. Diesen Zustand versucht der Körper gegen alle Angriffe und Störungen zu verteidigen und, so gut es geht, immer wieder herzustellen. Das Immunsystem erkennt viele Bakterien und andere Krankheitserreger und kann sie mithilfe von Abwehrzellen unschädlich machen. Nieren, Leber, Darm und Haut sind ständig damit beschäftigt, Gifte zu neutralisieren und auszuleiten. Wunden heilen, und Knochen wachsen wieder zusammen. Reflexe schützen uns vor Verletzungen und Stürzen, und die Sinneswahrnehmungen warnen uns vor Gefahren. Auch die Psyche besitzt Verarbeitungsmechanismen und kann sich nach einem Trauma wieder erholen. All diese Fähigkeiten sind fein aufeinander abgestimmt und wirken in allen Ebenen unseres Seins. Dabei funktionieren sie als untrennbare Einheit und stehen alle ständig miteinander in Verbindung. Blut- und Lymphgefäße, Nervenbahnen und die Faszien, also die feinen Bindegewebsschichten, die alles umhüllen, bilden das Transportsystem für Informationen und Substanzen.
Bewegung als Voraussetzung für Regeneration
Die Beweglichkeit aller Anteile des Körpers bis hin zu seinen kleinsten Bestandteilen, den einzelnen Zellen, betrachtet die Osteopathie als wichtigste Voraussetzung für gutes Funktionieren. Nur in der Bewegung kann der lebensnotwendige Austausch von Nährstoffen und der Abtransport von Abbauprodukten stattfinden. Der Körper besteht zu 95% aus Flüssigkeit, und nur wenn diese Flüssigkeit in Bewegung ist, kann sie etwas transportieren. Geht diese Beweglichkeit verloren, dann verlieren auch das Organ, der Muskel, die Zelle oder eine ganze Körperregion ihre Fähigkeit zur Regeneration.
Wie der Körper krank wird
Nur wenn die Beweglichkeit gegeben ist, können die Selbstheilungskräfte auch wirken, denn die Beweglichkeit bestimmt die Funktion. Nur eine richtig arbeitende Leber z.B. kann genügend Giftstoffe aus dem Blut filtern, und nur ein ausreichend bewegliches Gelenk kann durch eine reflexgesteuerte Bewegung einen Sturz verhindern. Werden die Belastungen für unsere Selbstheilungskräfte zu groß, dann können diese nicht mehr heilen, sondern nur noch notdürftig reparieren, d.h. der Körper kompensiert diese Schwachstelle. Er funktioniert zwar wieder, aber nicht mehr ganz so gut und oft zu Lasten einer anderen Struktur. Das Risiko für weitere Störungen steigt. Es kommt zu sogenannten Kompensationsketten.
Eigentlich sollten Kinder in diesem Alter kerngesund sein. Aber viele bringen schon aus dem Mutterleib Verspannungen mit.
Der Körper wird nach und nach geschwächt und schließlich krank. Immer mehr 'Baustellen' erfordern die Arbeit der Selbstheilungskräfte, und das belastet den Organismus in seiner Gesamtheit. Plötzlich genügt ein scheinbar banaler Anlass, und das ganze Kompensationsgebäude bricht ein, der Körper schmerzt oder erkrankt.
Beispiele zur Entstehung einer Kompensationskette.
Oft bleiben diese Kompensationen lange Zeit unbemerkt, und erst wenn der Körper an einer anderen Stelle Symptome zeigt, werden wir auf eine Störung aufmerksam. Die Ursache dafür liegt dann aber oft nicht da, wo wir etwas spüren. So können sich weitverzweigte Ketten von Kompensationen bilden, die den Körper immer mehr schwächen, sodass er schließlich erkrankt oder vorzeitige Abnutzungserscheinungen aufweist.
Wie Osteopathie unterstützen kann
Die Osteopathie behandelt deshalb nicht nur die Symptome, sondern versucht das Gleichgewicht der Abwehrkräfte im ganzen Körper wiederherzustellen. Mit den Händen sucht die Osteopathin/der Osteopath nach Regionen mit verringerter Beweglichkeit und verbessert sie dort. Osteopathen schulen den Tastsinn ihrer Hände, so wie ein Weinkenner seine Geschmacks- und Geruchsnerven ausbildet. Durch jahrelanges Training können sie feinste Spannungsveränderungen im Gewebe wahrnehmen und behandeln. Dazu haben sie eine Vielzahl von verschiedenen Techniken zur Auswahl. Die meisten davon sind sehr sanft und gerade für die Behandlung von Kindern sehr geeignet. Mit diesen Techniken können alle Gewebe des Körpers, die flüssigen und die festen Anteile erreicht werden. Weil Körper und Psyche in einer ständigen Wechselwirkung stehen, können auch emotionale Probleme verbessert werden, wenn beispielsweise neurologische Botenstoffe wieder in Fluss kommen oder bestimmte Hirnregionen wieder besser durchblutet werden. Gewebe mit verringerter Beweglichkeit verändern mit der Zeit ihre Qualität. So wie ein zu heiß gewaschener Pullover verfilzt, werden auch die Fasern des überbeanspruchten Gewebes umgebaut. Zum Glück kann der Körper das in den meisten Fällen wieder rückgängig machen.
Die Osteopathie versteht sich als Hilfe zur Selbsthilfe. Sie heilt keine Symptome, sondern sie bringt den ganzen Körper in ein möglichst gutes Gleichgewicht, sodass er seine Selbstheilungskräfte aktivieren kann.
Ist die Spannung im Gewebe wieder normalisiert, dann regulieren sich auch die Durchblutung, der Lymphabfluss und die nervale Versorgung. Damit können die Selbstheilungskräfte wieder wirksam werden. Solange es noch nicht zu bleibenden Schäden im Gewebe gekommen ist, heilt die Störung nun vollständig aus, und auch die Kompensationsketten bilden sich zurück. Dies kann in weiteren Behandlungen von der Osteopathin/dem Osteopathen kontrolliert und unterstützt werden. Wenn nötig werden auch andere Therapieformen mit einbezogen. Auch die Eigeninitiative der Patienten und deren Eltern ist ein wichtiger Beitrag. Gute Ernährung, reichlich Bewegung an der frischen Luft und eine liebevolle Umgebung sind die beste Vorbeugung.
Die Basis: naturwissenschaftliche Gegebenheiten
Eine detaillierte Kenntnis der Anatomie und Physiologie des Körpers ist die Voraussetzung für jede Behandlung. Die Osteopathie gründet deshalb auf den exakten Naturwissenschaften, die auch der Schulmedizin als Grundlage dienen. Einige Wirkungen sind mit heutigen Mitteln noch nicht wissenschaftlich zu beweisen, sind aber in Studien gut dokumentiert. Achten Sie darauf, dass die Osteopathin/der Osteopath Ihrer Wahl eine entsprechende Ausbildung hat. Adressen und Hinweise finden Sie auf Seite 92.
Osteopathie - bei Kindern sehr wirkungsvoll
Gerade die Körper von Kindern haben ein riesiges Regenerationsvermögen, viel höher als das von Erwachsenen. Umgekehrt können sich aber schon kleine Störungen, die nicht behoben werden, durch das Wachstum fatal auf die Entwicklung des Kindes auswirken. Mit zunehmendem Alter verfestigt sich der Fehler und ist schließlich nicht mehr zu verändern. Viele Babys kommen mit Asymmetrien von Hals oder Köpfchen zur Welt und kompensieren diese dann durch Verschiebungen im Skelettsystem. Viele Skoliosen, Fuß- und Beinfehlstellungen, Zahnfehlstellungen, Schielen, aber auch Verdauungsstörungen und Verhaltens- oder Lernstörungen werden damit in Zusammenhang gebracht. Je früher eine Störung behandelt wird, desto größer sind die Aussichten auf Erfolg. Es empfiehlt sich ein Check-up für jedes Baby. Kinder müssen sich im Laufe ihrer Entwicklung ständig mit neuen Herausforderungen auseinandersetzen. Körper, Geist und Psyche sind vom Moment der Geburt an einem ständigen Anpassungsprozess an die Umweltbedingungen unterworfen. Dies erfordert ihre ganze Kraft. Je weniger der Körper mit der Kompensation von vermeidbaren Störungen beschäftigt ist, desto mehr Kapazität hat er für die wichtigen Entwicklungen zur Verfügung. Von unnötigen Spannungen befreite, also entspannte Kinder, werden sich besser entwickeln. Sie können ihr Potenzial besser ausschöpfen.
Osteopathie in Theorie und Praxis
Die Osteopathie betrachtet den Menschen als Einheit von Körper, Seele und Geist, die nicht zu trennen ist. Die verschiedenen Formen der Osteopathie wenden sich zusammengenommen an alle Anteile dieser Einheit. Nur gut ausgebildete Therapeuten können diesem Anspruch gerecht werden.
Anwendung der Osteopathie
Die Begründer der Osteopathie haben durch Beobachtung gelernt. Genaue Studien der Anatomie und der Physiologie waren und sind die Grundlage für jede osteopathische Lehre. Je nach Stand der Wissenschaft hat man unterschiedliche Bewegungsformen der Körpergewebe, vom knöchernen Gelenk bis hin zur Gehirnflüssigkeit betrachtet und bewertet. Obwohl die osteopathischen Behandlungen heute gut dokumentiert sind, können immer noch nicht alle Wirkungen wissenschaftlich erklärt werden. Die moderne Neurobiologie und die Quantenphysik beispielsweise liefern aber inzwischen Erklärungsmodelle, mit denen man sich verschiedenen Wirkungsweisen annähern kann.
Parietale Osteopathie
Mit dem Begriff parietale Osteopathie fasst man alle Untersuchungen und Behandlungen zusammen, die das Skelettsystem betreffen. Der Begründer der Osteopathie, Andrew Taylor Still leitete aus dieser Anwendung auch den aus dem Griechischen stammenden Namen seiner neuen Lehre her: 'Osteon' bedeutet Knochen, 'pathos' heißt übersetzt Leiden. Still war der Meinung, dass jede Störung im Körper immer auch eine Veränderung im Bewegungsapparat bewirkt. Allerdings betrachtete er darüber hinaus bereits sehr genau die Zusammenhänge vieler Körperfunktionen, besonders die Bedeutung einer guten Versorgung mit Arterienblut für die betreffende Körperregion. Darin sah er den Spiegel für die Gesundheit des ganzen Organismus und die Wirksamkeit der Selbstheilungskräfte.
Als Osteopathin bzw. Therapeutin spreche ich im Folgenden der Einfachheit halber immer in der weiblichen Form, wobei damit selbstverständlich immer auch 'der Osteopath' bzw. 'der Therapeut' gemeint ist.
Der Arzt Andrew Taylor Still gründete 1874 die erste Schule für Osteopathie in Kirksville/Arizona. Er behandelte mit großem Erfolg Patienten, die von der damaligen Schulmedizin aufgegeben waren. Seine Lehren von der 'Rolle der Arterie' belegten den Schritt hin zu einer ganzheitlichen Medizin.
Cranio-sacrale Osteopathie
William G. Sutherland, ein Schüler von Still, begründete ab 1940 die Lehre von der unabhängigen Eigenbewegung des cranio-sacralen Rhythmus. Dabei beobachtete er, dass die Schädelknochen (Cranium) sowie die ganze Wirbelsäule bis hinab zum Kreuzbein (Sacrum) einer rhythmischen Bewegung unterworfen sind, die auch alle auskleidenden Hirnhäute betrifft. Die Bildung und Resorption der Gehirnflüssigkeit (Liquor) wird dadurch geregelt. Diese sehr feine Bewegung findet sich in allen Geweben des Körpers wieder und gibt wichtige Hinweise auf den Zustand der Gesundheit dort sowie auf die Vitalität des Gesamtorganismus. Besonders bei der Behandlung von Kindern wird die craniosacrale Osteopathie häufig eingesetzt. Kinder reagieren sehr unmittelbar und behindern sich nicht durch die Zensur im Kopf, der nicht glauben will, was der Körper fühlt und alles besser weiß. So kann diese wissenschaftlich noch nicht ganz zu erklärende Behandlung zu erstaunlichen Ergebnissen führen.
Viszerale Osteopathie
Die spezielle osteopathische Behandlung der Organe wurde von dem Franzosen Jean-Pierre Barral (Bild siehe rechts) entwickelt. Er definierte die Eigenbewegungen der Organe und deren Zusammenhang mit dem Skelettsystem. Dabei stützte er sich auf ein genaues Studium der embryonalen Entwicklung der einzelnen Organe und Gewebesysteme. Ein umfassendes Programm an Techniken der viszeralen Osteopathie für die Untersuchung und Behandlung gehört heute zu jeder osteopathischen Therapie. Gerade nach der Geburt und während des Wachstums müssen die kindlichen Organe große Anpassungen leisten. Störungen sind dementsprechend häufig, besonders in den Lungen und in den Verdauungsorganen. Oft sind diese zu beheben, indem man die Eigenbeweglichkeit der Organe und deren reibungslose Beweglichkeit in Bezug auf die benachbarten Gewebe und Organe wiederherstellt.
Biodynamische Osteopathie
Die jüngste Form der Osteopathie arbeitet nicht mehr mit den einzelnen Fehlfunktionen, sondern wendet sich direkt an die Kraft des Lebens (englisch: breath of life), die jedem Menschen innewohnt. Diese wird als 'Motor' für die Selbstheilungskräfte betrachtet und ist diejenige Kraft, welche die Entwicklung und Entfaltung der Organe und aller Gewebe während der embryonalen Phase vorantreibt. Die naturwissenschaftliche Bezeichnung für diese Kraft des Lebens sind die sogenannten bioelektrischen Felder, also die elektromagnetischen Spannungen, die sich durch den Informations- und Substanzaustausch zwischen den Zellen ergeben. Besonders der Osteopath James Jealous hat sich dieser Methode verschrieben. Er entwickelte ein Modell, das diesen bioelektrischen Feldern bestimmte Ebenen und Achsen zuweist, anhand derer sie untersucht und behandelt werden können. Jealous' Lehr- und Weiterbildungsangebote richten sich speziell an fertig ausgebildete, erfahrene Kollegen. Bei dieser Form der Arbeit wird besonders deutlich, dass die Osteopathie nicht nur eine Ansammlung von Techniken ist, sondern auch eine Philosophie voraussetzt und in dieser Form der Anwendung eine Kunst darstellt.
Den Organismus als Einheit sehen
In der Osteopathie vergleicht man den Menschen gerne mit einem Orchester, in dem alle Instrumente aufeinander abgestimmt sind und zusammenspielen. Das Instrument und der Klang sind ebenso wenig zu trennen, wie der Körper und sein Geist. Der Misston eines einzelnen Instrumentes kann den Klang des ganzen Orchesters verderben. Aber auch wenn alle richtig spielen, klingt es fad, wenn der Ausdruck nicht stimmt. Die Osteopathie versucht, sowohl den Klang der einzelnen Instrumente zu optimieren als auch den Ausdruck des ganzen Orchesters von hemmenden Einflüssen zu befreien. Dann kann sich der 'breath of life', also die Lebenskraft, so entfalten, wie es dem jeweiligen Menschen entspricht.
In der Praxis einer Osteopathin
Die meisten Kinder kommen gerne zur Behandlung, weil die Berührungen sanft und freundlich sind und ihnen gut tun. Kinder, auch ganz kleine, haben ein sehr gutes Gespür für das, was ihnen hilft. Die Osteopathin geht so gut wie möglich auf die Bedürfnisse des Kindes und seiner Begleitpersonen ein. Je nach Alter Ihres Kindes wird die Osteopathin Ihnen einen Terminvorschlag machen, der dem Schlaf- und Essensrhythmus Ihres Kindes entgegenkommt. Die Behandlungen laufen üblicherweise sehr ruhig ab, und die meisten Kinder verlieren rasch ihre Angst. Die Eltern sind besonders bei Kleineren ständig anwesend und spielen oder streicheln beruhigend. Für Kinder jeden Alters ist es schwierig still zu halten, und sie wollen beschäftigt und abgelenkt werden. Da sich die Therapeuten ganz auf ihre Hände konzentrieren müssen, wird während der Behandlung nicht viel gesprochen. Die Eltern können mit fantasievollem 'Baby-Entertainment' die Therapeuten unterstützen.