Trotz der Jahrzehnte langen Erfahrung in der Haltung des Zwergflamingos (Phoeniconaias minor) ist die erfolgreiche und über Jahre hinweg kontinuierliche Nachzucht in zoologischen Einrichtungen bislang nur selten gelungen. Aus diesem Grund werden nach wie vor Wildfänge benötigt, um die Zootierpopulation stabil zu halten. Der Zwergflamingo wird von der IUCN als "potenziell gefährdet" eingestuft. Daher ist es von besonderer Notwendigkeit einen selbstreproduzierenden Zootierbestand zu erreichen, um weitere Eingriffe in die Wildtierpopulation von Seiten der Zoos zu verringern. Dem Zoologischen Stadtgarten Karlsruhe ist die Nachzucht zwar bereits gelungen, dennoch ist die Anzahl der gelegten, sowie der befruchteten Eier verschwindend gering. Aus diesem Grund sollte die vorliegende Arbeit untersuchen, welche Faktoren Einfluss auf den Reproduktionserfolg der Zwergflamingos im Zoologischen Stadtgarten Karlsruhe nehmen. Es könnten sich damit auch allgemeingültige Aussagen für eine Optimierung der Zwergflamingozucht in anderen zoologischen Einrichtungen formulieren lassen. Die Untersuchungen erfolgten über einen Zeitraum von insgesamt 15 Monaten während der Brutsaison in den Jahren 2018, 2019 und 2020. Das Paarungs-, Partnerschafts- und Brutverhalten wurde beobachtet. Gelegte Eier wurden im Austausch gegen Kunsteier in einem Inkubator weiterbebrütet und mittels Durchleuchtens auf Anzeichen einer Befruchtung untersucht. Eier mit Embryonalentwicklung wurden kurz vor dem errechneten Schlupfdatum zurück in das entsprechende Nest gelegt. Eier ohne Anzeichen einer Embryonalentwicklung wurden weiterführend hinsichtlich des Vorhandenseins von Spermienlöchern in der Perivitellinmembran untersucht.
Es konnten anhand der Ergebnisse dieser Studie folgende Schlussfolgerungen gezogen werden.
Ein unausgeglichenes Geschlechterverhältnis wirkt sich sehr negativ auf den Reproduktionserfolg aus. Zu Beginn der Untersuchungen lag mit 44,21 Tieren ein Missverhältnis zugunsten der männlichen Population vor. Unverpaarte Männchen störten die Brut massiv und unterbrachen Kopulationen. Zur Angleichung des Geschlechterverhältnisses wurden weibliche Tiere hinzugefügt und überzählige Männchen aus der Gruppe genommen. Dadurch konnte im Jahr 2019, bei einem Bestand von 36,36 Tieren ein Rückgang der Störungen um 92,4 % verzeichnet werden. Nach der Änderung der Gruppenzusammensetzung konnten Paarneubildungen beobachtet werden. Diese scheinen jedoch keinen negativen Einfluss auf den Reproduktionserfolg zu haben. Neu gebildete Paare legten bereits im ersten Jahr der Partnerschaft befruchtete Eier. Im Jahr 2020 gingen sogar 53,8 % der befruchteten Eier aus neuen Verpaarungen hervor. Demgegenüber wirkt sich das Flugunfähigmachen der männlichen Tiere negativ auf die Reproduktion aus. Bei Paaren mit kupierten Männchen wurden 37,9 % weniger erfolgreiche Kopulationen beobachtet als bei Paaren, bei denen das Männchen flugfähig ist. Die Brutsaison 2020 fand aufgrund der Covid-19 Pandemie unter Ausschluss der Zoobesucher statt. Dies hatte zur Folge, dass sich nichtbrütende Vögel hauptsächlich im Besucherbereich aufhielten, während sich in dem vor Zoobesuchern geschützten Brutraum, im Gegensatz zu den Vorjahren, fast ausnahmslos Tiere mit eigenem Gelege beobachtet wurden. In dieser Saison konnte ein Rückgang der Eiverluste von 20,0 % auf 6,4 % festgestellt werden. Somit nehmen die Zoobesucher Einfluss auf den Reproduktionserfolg.
Im Verlauf der Studie wurden 99 Eier gelegt. Davon konnte bei 22 Eiern eine Embryonalentwicklung mittels Durchleuchtens festgestellt werden. Aus 18 dieser 22 Eier sind Küken geschlüpft. Lediglich 12 Eier waren nicht auswertbar. Die verbliebenen 65 Eier wurden labordiagnostisch auf das Vorhandensein von Spermienlöchern in der Perivitellinmembran untersucht. Bei 14 Eiern konnten Spermienlöcher nachgewiesen werden. Diese Methode des indirekten Spermienachweises konnte durch diese Arbeit erstmals für Zwergflamingos etabliert werden.
Reihe
Thesis
Dissertationsschrift
2024
Justus-Liebig-Universität Gießen
Sprache
Verlagsort
Maße
Höhe: 21.8 cm
Breite: 14.8 cm
Gewicht
ISBN-13
978-3-8359-7203-2 (9783835972032)
Schweitzer Klassifikation