Sechs Historikerinnen und Historiker beleuchten das komplizierte Verhältnis von Verdrängung und Erinnerung nach dem Holocaust.
Das Schweigen, aber auch das Sprechen über die nationalsozialistischen Massenverbrechen prägen die politische Kultur in Deutschland seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Im Mittelpunkt des ersten Bandes der Reihe »Dachauer Symposien zur Zeitgeschichte« steht die Frage, wie die Ermordung der europäischen Juden seit 1945 thematisiert wurde und wird. Dabei zeigt sich, daß Verdrängung und Erinnerung in einem komplizierten Verhältnis zueinander stehen, abhängig von sich wandelnden politischen Verhältnissen und gesellschaftlichen Bedürfnissen. In der unmittelbaren Nachkriegszeit schlug sich die moralische Konfrontation mit dem Holocaust überwiegend in kollektiver Schuldabwehr nieder. Ende der fünfziger und in den sechziger Jahren gerieten juristische Ahndung und wachsendes Medieninteresse in einen gewissen Gegensatz zu dem nach wie vor häufig anzutreffenden individuellen Schweigen. Ende der siebziger Jahre schließlich setzte, befördert durch den Generationenwechsel, eine Entwicklung ein, die zur intensiven Auseinandersetzung mit dem Holocaust und zum Entstehen einer spezifischen Gedächtniskultur führte.
In sechs Beiträgen zeichnen junge Historikerinnen und Historiker diese Entwicklung im historischen Längsschnitt nach und geben im Kontext der Mentalitätsgeschichte der Nachkriegszeit Antworten auf die Frage, die auch das Thema der Podiumsdiskussion bildet: »Wieviel Erinnerung« war zu welcher Zeit möglich?
Inhalt:
Norbert Frei
Einführung
Sybille Steinbacher
»...daß ich mit der Totenklage auch die Klage um unsere Stadt verbinde«. Die Verbrechen von Dachau in der Wahrnehmung der frühen Nachkriegszeit
Karin Hartewig
»Proben des Abgrunds, über welchem unsere Zivilisation wie eine Brücke schwebt.« Der Holocaust in der Publizistik der SBZ/DDR.
Marc von Miquel
Aufklärung, Distanzierung, Apologie. Die Debatte über die Strafverfolgung von NS-Verbrechen in den sechziger Jahren.
Matthias Weiß
Sinnliche Erinnerung. Die Filme »Holocaust« und »Schindlers Liste« in der bundesdeutschen Vergegenwärtigung der NS-Zeit
Nicolas Berg
Der Holocaust in der Geschichtswissenschaft. Kontroversen und Fragestellungen seit dem »Historikerstreit«.
Raphael Gross
Der Holocaust in primärer Erinnerung und historischer Forschung. Zur aktuellen Diskussion um die »Zeugenschaft«
Podiumsdiskussion
Der Umgang mit dem Holocaust: »Wieviel Erinnerung« war zu welcher Zeit möglich?
Reihe
Sprache
Verlagsort
Maße
Höhe: 22.2 cm
Breite: 14 cm
Gewicht
ISBN-13
978-3-89244-493-0 (9783892444930)
Schweitzer Klassifikation
Norbert Frei, Dr. phil., seit 1997 Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum; 1979 bis 1997 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Zeitgeschichte in München; 1985/86 John F. Kennedy-Fellow an der Harvard University; 1995/96 Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin;Vorsitzender des Wissenschaftlichen Kuratoriums der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Geschichte des Nationalsozialismus und zur deutschen Nachkriegsgeschichte, u.a.: Der Führerstaat. Nationalsozialistische Herrschaft 1933 bis 1945. Erweiterte Neuausgabe München 2001; Vergangenheitspolitik. Die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit. München 1996; (Hrsg. mit D. v. Laak und M. Stolleis) Geschichte vor Gericht. Historiker, Richter und die Suche nach Gerechtigkeit. München 2000; (Hrsg. mit S. Steinbacher und B. Wagner) Ausbeutung, Vernichtung, Öffentlichkeit. Neue Studien zur nationalsozialistischen Lagerpolitik. München 2000; (Mithrsg.) Standort- und Kommandanturbefehle des Konzentrationslagers Auschwitz. München 2000. Sybille Steinbacher ist wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum. Veröffentlichungen zur Geschichte der Konzentrationslager.
Norbert Frei: Einleitung
Sybille Steinbacher: Nach dem Holocaust. Die Auseinandersetzung mit der Massenvernichtung in der frühen Bundesrepublik.
Karin Hartewig: "Proben des Abgrunds, über welchem unsere Zivilisation wie eine Brücke schwebt." Der Holocaust in der Publizistik der SBZ/DDR.
Marc von Miquel: Aufklärung, Distanzierung, Apologie. Die Debatte über die Strafverfolgung von NS-Verbrechen in den sechziger Jahren.
Matthias Weiß: "Holocaust" (1979) und "Schindlers Liste" (1994). Filmereignisse als Wendepunkte im Umgang mit dem Nationalsozialismus.
Nicolas Berg: Der Holocaust in der Geschichtswissenschaft. Kontroversen und Fragestellungen seit dem Historikerstreit.
Raphael Gross: Der Holocaust als Gegenstand primärer Erinnerung und historischer Forschung.
Podiumsdiskussion: Barbara Distel, Norbert Frei, Max Mannheimer, Peter Reichel, Harald Welzer: Der Umgang mit dem Holocaust: "Wieviel Erinnerung" war zu welcher Zeit möglich?