Einleitung: Die Physik der kleinen Dinge
1.Die Kunst und Wissenschaft des Kekseintunkens
2.Wie der Naturwissenschaftler sein Frühstücksei kocht
3.Zen oder die Kunst, einen Hammer zu schwingen
Werkzeuge mit Hebelwirkung
Werkzeuge mit Keilwirkung
Schlagwerkzeuge
4.Wie Sie am klügsten Ihren Kassenzettel überprüfen
Achten Sie auf Euro, Pfund und Franken!
Rechenkünste im Supermarkt
Statistische Tricks
Preisvergleich
Einkaufsstrategien
5.Die Kunst, einen Bumerang zu werfen
6.Catch-as-Catch-can: Von der Kunst, einen
Ball zu fangen
7.Seifenblasen, Bierschaum und der Sinn des Lebens
Wenn sich Seifenmoleküle zusammentun
Die Gestalt der Moleküle
Die große Synthese
8.Geschmackssache
Essen und die Erregung aller Sinne
Das Auge isst mit
Kauprozesse
Riechen und schmecken, Genuss und Schmerz
Geschmackslawinen
9.Sex und Physik
Erste Stufe: Fertigmachen zum Start
Zweite Stufe: Das Rennen beginnt
Dritte Stufe: Dem Ziel entgegen
Forscherdrang und gesellschaftliche Verantwortung:
eine Schlussbetrachtung
Anhang 1: Mayer, Joule und der Energiebegriff
Anhang 2: Was treiben die Moleküle beim Kochen,
Braten und Backen?
Anmerkungen
Register
Einleitung: Die Physik der kleinen Dinge
Wissenschaftlern geht es wie Henkern: Durch ihre Arbeit geraten sie ins soziale Abseits. Die Leute zeigen zwar Neugier und wollen wissen, wie sie auf gerade diesen Job gekommen sind, aber sie haben eine gewisse Scheu, nach den Einzelheiten zu fragen. Bei einem Wissenschaftler haben sie Angst, die Antworten auf ihre Fragen nicht zu begreifen und als dumm dazustehen. Wenn Gäste auf einer Party mitbekommen, dass ich Wissenschaftler bin, wenden sie sich oft an meine Frau und wollen von ihr wissen, was ich eigentlich so treibe - statt mich selbst zu fragen.
Mein Buch versucht, die »Wissenschaft von den alltäglichen Dingen« aus der Perspektive eines Insiders zu betrachten, und ist genau diesen Leuten gewidmet - und allen, die erfahren wollen, warum sich Wissenschaftler ihren Beruf ausgesucht haben und wie sie Forschung betreiben. Ich habe mit diesem Ansatz in den Medien mit Erfolg demonstriert, dass die Naturwissenschaften in vielen Alltagssituationen von Nutzen sind: Das geht vom Eintunken eines Kekses in den Frühstückstee über den Gebrauch von Bratensoße bis zum Bauen und Werfen von Bumerangs in geschlossenen Räumen. Das breite öffentliche Interesse an solchen Themen hat mich ermutigt, dieses Buch zu schreiben, um den Hintergrund etwas mehr auszuleuchten und über weitere Bereiche des Alltagslebens zu berichten - das Einkaufen, die Arbeiten im Haushalt, den Sport, das Essen, die Badewanne - und sogar darüber, wie die Physik helfen kann, die Geheimnisse des Sexuallebens besser zu verstehen.
Wir werden sehen, was die Wissenschaft zur Bewältigung des Alltags beitragen kann, aber auch, was sie umgekehrt aus den Untersuchungen des Alltäglichen gelernt hat: Das Prinzip der Wärmeleitung entdeckte Graf Rumford, nachdem er sich den Mund an einem heißen Apfelkuchen verbrannt hatte, und die erste Messung der Größe eines Moleküls gelang Benjamin Franklin, nachdem er beobachtet hatte, wie schmutziges Abwaschwasser die Wellen hinter einem Schiff besänftigte. Auch die erste Schätzung, wie weit die Kräfte zwischen den Molekülen reichen, wäre hier zu nennen: Sie gelang, als man untersuchte, wie poröse Stoffe Flüssigkeiten aufsaugen.
Jedes der folgenden Kapitel handelt von einer vertrauten Aktivität im Tagesablauf und stellt ein wichtiges wissenschaftliches Konzept vor, das dabei zum Tragen kommt. Mit der Wissenschaftsgeschichte sind Geschichten über die Wissenschaftler verknüpft, zu denen viele Zeitgenossen zählen, aber auch berühmte Gestalten aus der Vergangenheit. Die Letzteren können mich nicht mehr davon abhalten, etwas über sie auszuplaudern, die noch Lebenden haben das meiste gelesen, was ich veröffentlichen wollte, und freundlicherweise keine Zensur ausgeübt.
Die Wissenschaft der Alltagsdinge ist einer der erfolgversprechendsten Wege, Nichtwissenschaftlern die Wissenschaften nahe zu bringen. Michael Faraday, der Pionier der Elektrizitätslehre, gehörte zu den Ersten, die das versuchten, als er vor über 150 Jahren populäre
Vorträge über die »Chemie einer Kerze« hielt, die von der besseren Londoner Gesellschaft in Scharen besucht wurden. Viele andere sind Faradays Beispiel gefolgt - so auch ich. Nicht jeder ist von solchen Bemühungen begeistert. Einige meiner Kollegen sind der Meinung, dass man die Wissenschaft trivialisiert, wenn man über Experimente berichtet, in denen es um so etwas Banales wie das Eintunken von Keksen geht. Andere haben mich ins Gebet genommen, weil ich die Wissenschaft in Bereiche getragen habe, wo sie ihrer Meinung nach nichts zu suchen hat. In einem Zeitungskommentar bin ich gar als eine »Art Experte« beschrieben worden, der »auf keinen Teller Fish 'n Chips schauen kann, ohne eine Probe in ein Reagenzglas abzufüllen und ein paar Berechnungen aufzukritzeln«. Der Autor dieses Beitrags war
über mich verärgert, weil ich das Aufsaugen der Soße durch den Braten zum Gegenstand der Forschung gemacht hatte. Dabei hat er aber ungewollt den Punkt getroffen, um den es der Wissenschaft eigentlich geht: die Welt zu verstehen. Dieses Verständnis kann im gleichen Maß von den kleinen und auf den ersten Blick unbedeutenden Dingen kommen wie aus der Versenkung in die »großen« Themen. Viele
Künstler, Dichter und Philosophen haben ganz ähnlich in den scheinbar banalsten Bereichen des Lebens die tiefsten Wahrheiten gefunden.
Wissenschaftler wollen die Welt um sie herum - unabhängig von Zeit, Ort oder sozialer Zugehörigkeit - auf streng wissenschaftliche Weise beschreiben. Das kann bei dem einen oder anderen leicht dazu führen, dass er etwas seltsam wird. So suchte beispielsweise der Physiker James Prescott Joule, nachdem er gerade geheiratet hatte, als Ziel für die Hochzeitsreise einen malerischen Wasserfall aus. Es waren aber weniger romantische Gründe, die zur Wahl dieses Platzes führten, sondern rein wissenschaftliches Interesse: Er nahm ein Thermometer mit, um die Temperatur des herabstürzenden Wassers zu messen und seine Wärmetheorie zu bestätigen.[...]