Der wilden Brandung des nahen Ozeans nacheifernd, stürzt der Mühlbach durch sein schlammiges Bett, als wäre der Herbst längst da, als würde der Zaunkönig nicht aufgeregt zirpend um seine zweite Brut bangen und der Bauer um das spät gemähte Heu. Mona sitzt auf ihrer Veranda und atmet tief durch. Zumindest in einem bringt der Gewitterregen Erleichterung: Die schwülstige Luft wird von kühleren Windfäden durchwebt und die Nachmittagshitze fällt zu Boden - natürlich nur, um nach dem Ende der Schauer ein noch stickigeres Netz über alles zu breiten. Aber für den Moment ist es fein. Die Temperaturen sind viel zu heiß für September, mit glühendem Sonnenschein schon ab dem frühen Morgen; immer öfter gibt es solche späten Hitzetage, als wollte der Sommer zeigen, dass er noch da ist, auch wenn der Herbst kalendarisch gerade begonnen hat. Lächelnd hebt Mona ihre Teekanne an und gießt vorsichtig einen zarten, orange-braunen Strahl des dampfenden Darjeelings in ihre Tasse. Durch nichts in der Welt ließe sie sich um diesen Moment bringen. Das zärtliche Plätschern in der alten, geblümten Porzellantasse, der Duft der Teeblätter, wenn sie die Tasse an ihre Nase führt, die Wärme des ersten Schlucks am Gaumen, dem sie dann mit geschlossenen Augen nachspürt, wenn er durch die Kehle rinnt und dieses unglaubliche Gefühl der Entspannung auslöst. Als wäre es das erste Mal, als läge ich zwischen dem kühlen Leinen, erhitzt und gelöst mit meinem ersten echten Schwarm, der großen Liebe, wie man sie sich als Backfisch erträumt, einzigartig, endlos, damals, in einer anderen Zeit, einem anderen Jahrhundert, als mein Leben noch vor mir lag als Land der tausend Möglichkeiten. Wir liegen im Zimmer der Brüder, dort würde niemand nach uns suchen. Die Jungen sind ausgeschwärmt, Vinzenz mit Elfriede irgendwo in den Wald beim Jagdschloss und Paul mit seinen Schulfreunden ans Rheinufer zum Baden. Ich räkle mich unter den zarten Händen, die gedankenverloren Muster auf meinen Rücken malen. Die weit geöffneten Fenster schicken ab und an eine warme Brise. Ich drehe mich um und schaue Ede in die Augen. Lächeln. Ich könnte ertrinken in diesem Blick! Ein entfernter Donner reißt Mona aus den Erinnerungen. Der Regen pausiert nur, und während sie noch an der ersten Tasse Tee nippt, setzt das sanfte Rieseln auf dem Glasdach der Veranda wieder ein, wird die Oberfläche des Mühlbachs von hundertfachen Kreisen durchzogen, bis sich ein verirrter Blitz zwischen den Erlen erspähen lässt und das Grollen im Hintergrund wieder erstarkt.