Anreise . 6
Erlebnishotel . 14
Ulan Bator . 20
Nationalstolz . 32
Dschingis Khan . 38
Hammelsterben . 46
Gastfreundschaft . 56
Bauernopfer . 68
Steppensafari 76
Reiterspiele . 84
Winterlager . 92
Pferdetrecking . 100
Rentiernomaden . 110
Feuer . 126
Flussbefahrung . 130
Sternennacht . 138
Taimenprojekt . 142
Sishked Gol . 148
Schamanen . 154
Pestflöhe . 166
Khövsgöl Nuur . 169
Salmonellen? . 176
Rückflug . 184
Epilog . 191
[Pferdetrecking]
Unausgeschlafen, aber interessiert bis in die Haarspitzen verfolge ich die Aufteilung des Transportgutes auf die Lasttiere. Trotz der persönlichen Einschränkung und Verzicht auf jeglichen Komfort ist der Haufen unter der den Tau abweisenden Plane erschreckend mächtig.
Vor allem die Lebensmittel in wasserdichten Tonnen, ein Sack mit reichlich Kartoffeln, Schlafsäcke, Unterlagen und Zelte sowie die in Schutzhüllen steckenden Boote samt Paddel nehmen viel Platz ein. Oft heben die Mongolen auf einer Seite des Ristes die Last an. Genau beobachten sie das Austarieren des gegenüberliegenden Gepäckstückes am Drehpunkt des Holzsattels.
Meine Aufmerksamkeit ist durch das Packritual gefesselt. Das Aufsitzen ist der relativ leichte Einstieg zum Start der angedrohten langwierigen Schinderei für ungeübte Arschbacken. Zum Trainieren bleibt keine Zeit. Das Suchen nach einer erträglichen Sitzposition beschäftigt mein Gleichgewicht hoch zu Ross. Die empfohlene Unterhose für Radfahrer dämpft die Prellung des Gesäßes angenehm. Außerdem erhält sie die Funktion männlicher Organe. Bereits nach wenigen Pferdelängen führt uns der Dorfälteste quer über den Hangfuß steil bergauf.
Angeleint wie ein Hund folgt mein Schimmel brav dem Oberhaupt der Zsaatanfamilien ganz im nördlichen Eck des Aimag Khövsgöl - einer der 21 Verwaltungsprovinzen - unweit zur sibirischen Grenze. Das Sommerlager der Rentiernomaden ist das Ziel. Gleich einem Westernreiter sitzt der erfahrene Mann im spartanisch ausgeführten Sattel. Mit seiner linken Hand dirigiert er seinen Fuchs auf unkenntlichen Wegen Richtung Passübergang. Schneeflecken in der Ferne reflektieren das Licht. In seiner Faust hält er die Führungsleine, um mir als schmerzerfülltem Anfänger die Qualen der ersten Reitstunden zu verringern.
Der edle Schöpfungswurf der Pferde, ihre Ausdauer und Schnelligkeit haben mich schon in meiner Kindheit fasziniert. Aber nie verspürte ich das Bedürfnis, das Glück der Erde auf den breiten Rücken der Tiere auszuloten. Jahrzehnte später sitze ich, freiwillig gezwungen, in verkrampfter Haltung, eingezwängt in der Enge des mongolischen Sattels, auf einem Gaul mit mittlerem Stockmaß. Groß ist mein Vertrauen in meinen Vorreiter.
Die Anpassung an den Rhythmus des Pferdes ist anfangs ein schwieriger Lernprozess. Immer wieder versuche ich die Sitzposition zu verändern, die Druckstellen gerecht zu verteilen. Jede Gelegenheit nehme ich mutig war, um mich in die Steigbügel gestemmt aufzurichten. Meine Kniegelenke drückt der pralle Bauch des Tieres nach außen. Die Freiheit, so meine ich gemartert, liegt nur im abwechselnd gestreckten Bein. Jedes Stolpern meines Tragtieres erschreckt mich deshalb panisch. Ausgleichend wirft das Tier seinen groben Schädel zu Boden und reißt mir den ohnehin nur alibihalber gehaltenen Zügel aus der Hand. Festgekrallt an den hufeisenförmig gekrümmten Eisenbügel meines Sattels und an der struppigen Mähne sträube ich mich gegen die plötzliche Verlagerung des Schwerpunktes. Schleunigst versuche ich wieder mit der Fußspitze den Steigbügel zu fischen, um beim nächsten Straucheln gewappnet zu sein.
Missachtet haben die Pferdekenner leider die Rangordnung innerhalb der Reittiere. Ständig wird mein lahmer Hufträger von einem nachdrängenden, temperamentvolleren Tier grob in die Kruppe gebissen. Mein Pferd verdreht Kopf und Augen Richtung Täter. Mit flach angelegten Ohren prescht der Gepeinigte seitlich ins mannshohe Weidendickicht, um neuerlich vom Scout scharf in den alten Trott zurückgerissen zu werden. Einem verletzten Hunnenkrieger gleich hänge ich mit verdammt schlechten Haltungsnoten im Sattel. Nur einige Zotteln aus der struppigen Mähne retten mich vor dem blamablen Abgang. Fortan bedanke ich mich bei meinem Schimmel durch sprachliche Liebkosung. Belangloses Zeug schwatze ich dem Wallach vor. Mit der Regelmäßigkeit von Gebetsmühlen erwähne ich meine Namensgebung, und zwar "Schneeball".