Es ist Herbst geworden und die Sonne geht früher unter.
Nach einem anstrengenden Tag muss die Herde ihre Wanderung über eine schier unendliche Grasebene unterbrechen: Amelie hat sich verlaufen und findet den sicheren Schlafplatz nicht mehr! Aufgeregt scharrt die Leitstute mit den Hufen.
Miko beobachtet, wie Apollo zu ihr trabt. Er knabbert sanft an ihrem Hals und wiehert beruhigend: "Keine Sorge, ich kenne den Weg und werde die Herde sicher zum Schlafplatz leiten."
"Danke!", wiehert Amelie erleichtert. Daraufhin dreht sich Apollo um und führt die Herde zur Schlafstelle. Amelie folgt ihm mit gesenktem Kopf.
Die anderen Pferde laufen hinterher und bleiben dicht beieinander. Sie ahnen, dass sie Apollo ab jetzt immer öfter brauchen werden.
Miko sieht seine Mama an und fragt bekümmert: "Was ist mit Amelie? Wieso führt uns heute schon wieder Apollo zu unserem Schlafplatz?"
Mama antwortet traurig: "Ich fürchte, Amelie wird langsam zu alt dafür. Sie vergisst immer öfter, wo unsere Schlafplätze und wo die Wasserstellen sind. Die guten Weideplätze erreicht sie auch nicht immer, da sie nicht mehr so gut riechen kann und es ihr jetzt schwerer fällt, den richtigen Weg zu finden."
Miko schmiegt sich eng an seine Mama. "Ich möchte, dass Amelie uns anführt! Sie hat das immer gemacht!", wiehert er.
Seine Mutter leckt ihm tröstend das Fell. "Wir können den Lauf der Zeit nicht aufhalten. Auch wir werden älter."
Obwohl Amelie jeden Tag ihr Gras gefressen hat, ist sie mager und knochig geworden. Auch dauert es nun viel länger, bis die Herde an einer Wasserstelle oder den Weideplätzen ankommt. Amelie ist nämlich langsamer auf den Beinen als früher und macht auf den Wanderungen immer wieder lange Pausen.
Eines Abends hört Miko, wie Amelie vor sich hinmurmelt: "Ach, hätte ich doch wieder Beine wie ein Fohlen, dann könnte ich schnell über das Grasmeer laufen und meine Hufe würden nicht so schlimm schmerzen."
"Die arme Amelie", denkt sich Miko. "Es ist bestimmt nicht schön, wenn die Hufe weh tun!"
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Bald darauf versammelt Amelie die Herde um sich und hält eine Ansprache. Dabei lehnt sie sich an Bella, eine erfahrene Stute mit rotem Fell.
"Meine lieben Pferde. Viele Jahre lang habe ich euch zu Schlafplätzen und Wasserstellen geführt. Doch nun bin ich zu alt, um eure Anführerin zu sein. Ich kann nicht mehr so gut laufen wie früher und fühle mich schwach. Weil ich nicht mehr so gut sehe und rieche, finde ich mich oft nicht mehr zurecht. Von heute an wird euch Bella leiten. Sie weiß, wo die besten Plätze zum Fressen und zum Schlafen sind. Sie weiß auch, wohin ihr bei Gefahr flüchten könnt. Bella wird euch eine gute Leitstute sein, habt Vertrauen zu ihr."
Die Pferde schnauben, wiehern und scharren aufgeregt mit den Hufen. Sie wissen: Amelie ist jetzt ein Rentnerpferd und wird die Herde nicht mehr anführen.