Die Tendinopathie der oberflächlichen Beugesehne gehört beim Pferd zu den häufigsten orthopädischen Erkrankungen, deren Heilung die Tendenz hat, in chronischen Erkrankungsprozessen zu resultieren. Für die Diagnostik und zur Überprüfung des Heilungserfolgs von Sehnenläsionen ist neben der Ultraschalluntersuchung ein Niederfeld-Magnetresonanztomographie (MRT)-System, mit dem Pferde stehend sediert untersucht werden können, etabliert. In der Humanmedizin sind dafür Hochfeld-MRT-Systeme der Goldstandard, wobei insbesondere 3-T-MRT-Systeme beim Pferd noch wenig angewendet werden. Zur Behandlung von Tendinopathien stellt die intraläsionale Injektion von mesenchymalen Stromazellen (MSCs) eine vielversprechende Therapiemethode dar. Bei akuten Läsionen haben sich positive Auswirkungen vor allem auf die Rezidivrate von Läsionen gezeigt, die wahrscheinlich in erster Linie auf den immunmodulatorischen Effekten der MSCs beruhen. Zur Wirksamkeit von MSCs bei chronischen Läsionen und den potentiellen Wirkmechanismen ist bisher jedoch wenig bekannt.
Daher war das erste Ziel der hier vorliegenden Arbeit die Charakterisierung von chronischen Sehnenläsionen in dem für Pferde etablierten Niederfeld-MRT-System und einem 3-T-Hochfeld-MRT-System. Die Untersuchungen erfolgten mit präparierten oberflächlichen Beugesehnen und wurden im Niederfeld-System in der für die beim lebenden Pferd üblichen vertikalen Ausrichtung der Sehne durchgeführt. Im Hochfeld-MRT wurden die Sehnen sowohl horizontal als auch, in Anlehnung an das Niederfeld-System, vertikal positioniert, um mögliche Auswirkungen der unterschiedlichen Lagerung auf die Darstellbarkeit der Sehnenläsionen zu erkennen. Insgesamt wurden n = 195 MRT-Bilder pro Sequenz, die dieselben anatomischen Bereiche darstellten, qualitativ mittels Score und quantitativ durch das Messen der Signalintensitäten der Sehne und gegebenenfalls auch der Läsion ausgewertet. Als Goldstandard für die Analyse der Erkennbarkeit von Läsionen diente jeweils ein histologisches Präparat pro Sehne (n = 12) als Vergleich. Zudem wurde die Übereinstimmung der qualitativen Beurteilung und der gemessenen Signalintensitäten in den unterschiedlichen Sequenzen mit der Cohens-Kappa-Statistik bzw. der Berechnung von Spearman-Rangkorrelationen und rücktransformierten logarithmierten Limits of Agreement untersucht.
Die so eindeutig als gesund oder chronisch krank identifizierten Sehnen wurden anschließend als Scaffolds in einer Zellkulturstudie verwendet, mit dem Ziel, Kenntnisse zum Einfluss von chronisch veränderter Sehnenmatrix auf die regenerationsfördernden Eigenschaften von MSCs zu gewinnen. Dafür wurde im ersten Teil der Studie zunächst das Verhalten von MSCs sechs verschiedener Spenderpferde, die auf Scaffolds einer gesunden Sehne kultiviert worden waren, im Vergleich zu MSC-Aggregat-Kulturen analysiert. MSCs des Spenderpferdes, das die Ergebnisse des ersten Versuchsteils am repräsentativsten widerspiegelte, wurden dann für die Besiedelung von Scaffolds von jeweils fünf kranken und gesunden Sehnen verwendet und bis zu 21 Tage inkubiert. Der Schwerpunkt der Untersuchungen lag in beiden Studienteilen auf der Tenogenese der MSCs, deren Expression von Matrixkomponenten und ihren matrixremodellierenden Eigenschaften. Unterschiede zwischen den Versuchsgruppen wurden mittels Mann-Whitney-U-Tests und über die Zeit mittels Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Tests analysiert.
Bei der Charakterisierung von chronischen Sehnenläsionen in der MRT konnten im Niederfeld-MRT mit der T1-gewichteten (w) Gradientenecho (GRE)-Sequenz alle histologisch nachgewiesenen Läsionen erkannt werden. Dies war bei den Hochfeld-Untersuchungen nur mit der T1w fast-low-angle-shot (FLASH)-Sequenz möglich, wenn die Sehne vertikal positioniert wurde. Die mit der Cohens-Kappa-Statistik analysierte Übereinstimmung der Erkennbarkeit von Läsionen in den Hochfeld-Sequenzen mit der im Niederfeld-MRT war bei Verwendung der FLASH-Sequenz oder vertikaler Orientierung der Sehne besser als bei der T1w Spinecho (SE)-Sequenz bzw. horizontaler Orientierung der Sehne. Die Übereinstimmung der Signalintensität der Sehnen im Hochfeld-MRT war zudem bei unterschiedlichen Sequenzen, aber gleicher Positionierung, höher (r = 0,964 und r = 0,957; p < 0,001) als bei der gleichen Sequenz, aber unterschiedlicher Positionierung (r = 0,833 und r = 0,802; p < 0,001).
In der Zellkulturstudie unterstützte die Kultivierung der MSCs als Aggregate die Zellfitness, was sich in einer höheren Expression der Matrixkomponenten Tenascin-C, Kollagen 1A2 und Kollagen 3A1 sowie der Wachstumsfaktoren transforming growth factor ß (TGFB)1 und -3 als bei der scaffoldbasierten Kultur zeigte (p < 0,01 für Tenascin-C an Tag 6, Kollagen 1A2 an Tag 3 und 6 und TGFB1 und -3 an Tag 3, p < 0,05 für Kollagen 3A1 an Tag 3 und TGFB1 an Tag 6). Dagegen waren die matrixremodellierenden Aktivitäten von MSCs, die auf Scaffolds kultiviert wurden, höher, was durch eine höhere Expression der Matrixmetalloproteinasen (MMPs) MMP9 und MMP13 (p < 0,01 für MMP9 an Tag 6 und MMP13 an Tag 3) bei niedrigerer Expression der tissue-inhibitors-of-metalloproteinases (TIMPs) TIMP1 und TIMP3 (p < 0,05 für TIMP1 an Tag 6 und p < 0,01 für TIMP3 an Tag 3) nachgewiesen werden konnte. Diese konnte bei der scaffoldbasierten Gruppe durch eine höhere Freisetzung von Glykosaminoglykanen in das Medium (p < 0,01 an Tag 3 und 6) und eine höhere MMP-Aktivität (p < 0,05 an Tag 6) bestätigt werden.
Die Veränderungen der extrazellulären Matrix von Sehnen mit chronischen Läsionen führten zu keinen signifikanten Unterschieden in der tenogenen Differenzierung und nur geringen Unterschieden in der Expression von Matrixkomponenten durch die MSCs. Die Matrixkomponenten Kollagen 3A1 und Decorin sowie der Wachstumsfaktor TGFB3 wurden jedoch initial (Tag 3) von MSCs auf Scaffolds von chronisch kranken Sehnen geringer exprimiert (p < 0,05 für Decorin, p < 0,01 für Kollagen 3A1 und TGFB3). Weiterhin war die Matrixremodellierung durch die MSCs innerhalb der ersten Woche der Kultur bei kranken Sehnenscaffolds reduziert, was sich in einer geringeren Expression von MMP1, MMP3, MMP13 und MMP14 sowie TIMP2 zeigte (p < 0,05 für MMP3 an Tag 6, p < 0,01 für MMP1, MMP13, MMP14 und TIMP2 an Tag 3).
In dieser Dissertation ließen sich Kenntnisse zur Diagnostik und Therapiemöglichkeiten chronischer Sehnenläsionen gewinnen. Dabei unterstützten die Ergebnisse der ersten hier eingebundenen Studie die Verwendung des für stehende Pferde konstruierten Niederfeld-MRT-Systems für die Darstellung chronischer Sehnenläsionen. Im 3-T-Hochfeld-MRT waren dafür FLASH-Sequenzen besser geeignet als SE-Sequenzen. Ausschlaggebender für die Darstellbarkeit von Sehnenläsionen war jedoch die vertikale Positionierung der Sehne im Magnetfeld, was an einzelnen zufällig ausgerichteten Sehnenfasern liegen könnte, die in dieser Position den Magic-Angle-Effekt ausgelöst haben könnten.
Hinsichtlich der Therapie von chronischen Sehnenläsionen ist eine Injektion von MSCs bisher nur bedingt zu empfehlen, da es trotz der unbeeinträchtigten tenogenen Differenzierung auf Scaffolds von chronischen Läsionsbereichen zu einer geringeren Expression verschiedener Gene kam, was als Fehlanpassung der MSCs gedeutet werden kann. Dies ist zum einen die reduzierte Expression von TGFB3, vor allem aber die verminderte Matrixremodellierung durch die MSCs, welche bei chronischen, fibrotischen Sehnenläsionen zumindest in einem gewissen Maß für den therapeutischen Erfolg erforderlich sein dürfte. Der Anpassungseffekt der MSCs könnte jedoch eventuell durch entsprechende Vorkultivierung umgangen werden, da sich das Verhalten der MSCs in beiden Gruppen über die Zeit anglich.
Reihe
Thesis
Dissertationsschrift
2022
Justus-Liebig-Universität Gießen
Sprache
Verlagsort
Maße
Höhe: 21.5 cm
Breite: 14.8 cm
Gewicht
ISBN-13
978-3-8359-7092-2 (9783835970922)
Schweitzer Klassifikation