Textprobe:
Kapitel 2.3.3, Veränderung der Konsumkultur:
Den erhöhten kommunikativen Austausch mittels der Symbolik von Konsum versteht Lüdtke (2004) als Ausdruck der gesteigerten 'Kulturalisierung von Konsum' (S. 103 ff.). Kultur könnte in diesem Kontext als Art und Weise verstanden werden, wie Menschen durch Symbole Sinn erzeugen und wahrnehmen (vgl. Bosch 2010: 25). Es liegt nah, dass sich durch die Etablierung des Massenkonsums ein gewisser kultureller Wandel in der Gesellschaft vollzogen hat (vgl. Pfriem 2011: 309).
Eine bedeutende kulturelle Veränderung durch wachsenden Wohlstand proklamiert Riesman in 'Die einsame Masse' (1956): die tendenzielle Wandlung der Menschen zu außen geleiteten Charakteren. Die Individuen brauchen also verstärkt Anerkennung von der Außenwelt und beziehen sich weniger auf innere normative Zielorientierungen an persönlichen Werten. Riesman meint damit jedoch nicht eine ausschließliche Fixierung auf Dinge oder Vereinheitlichung der Menschen durch Massenkonsum, sondern einen Aspekt der posttraditionalen Vergesellschaftungsweise (vgl. Jäckel 2006: 46 ff.).
Rosa (2011) geht von einer Änderung der kulturellen Logik von Konsum in steigender Geschwindigkeit aus. Die aktuellen Veränderungen verortet er in Form von paradoxen Entwicklungen (vgl. S. 117).
Zum einen handelt es sich dabei um die Ent-Materialisierung und die De-Kommodifizierung. Die Ent-Materialisierung zeigt sich besonders im Rahmen der Digitalisierung in Form von Zugängen statt Gegenständen. Die De-Kommodifizierung meint die Konsumierbarkeit vieler zuvor nicht konsumierbarer Aspekte des Lebens (z.B. Bildung, Freizeit, Pflege) und hat sich besonders im Zuge der neoliberalen Ökonomisierung und damit verstärkter Privatisierung ausgeprägt.
Zum anderen geht es um die Entwicklungen der Re-Materialisierung und der Re-Kommodifizierung. Im Sinne der Re-Materialisierung steht der Körper als neues materielles Objekt im Fokus. Rosa (2011) konstatiert eine verstärkte Hegemonie des Körpers, die sich auf Konsumebene durch vermehrte Angebote in Form von z.B. Fitness, Wellness oder Kosmetikstudios zeigt. Der Körper stellt ein letztes beständiges Objekt innerhalb des stetigen Wandels und der Ent-Materialisierung dar (vgl. ebd. S. 125). Die Überbetonung des Körpers kann als Reaktion auf die Modernisierung verstanden werden, als Rückzugsort der Eigenmächtigkeit (vgl. Bosch 2010: 190). Rohr (2004) sieht in der Fixierung auf den Körper den Versuch, Kontroll- und Machtphantasien auszuleben, die ansonsten erschwert sind (vgl. S. 10 f.). Auf gesellschaftlicher Ebene wird die Betonung des Körpers auch mit dem Optimierungsimperativ im Zuge der Kontrollgesellschaft in Verbindung gebracht, das Individuum wird also subtil in die Verantwortung genommen, das Körpermaterial zu optimieren (vgl. Strube 2012: 78). Die Re-Kommodifizierung zeigt sich darin, dass Attraktivität von Konsumgütern besonders durch den dargebotenen Optionsraum entsteht, der aber nie komplett genutzt werden kann. Dadurch werden zwar viele Güter erworben, aber nicht alle tatsächlich genutzt (vgl. Rosa 2011: 125 ff.).
An den Ausführungen wird deutlich, dass die Konsumkultur einem permanenten und teilweise paradoxen Wandel ausgesetzt ist, welcher die Individuen und ihre Konsumpräferenzen und ihr Konsumverhalten direkt betreffen oder beeinflussen kann.
Die kulturelle Struktur der Gesellschaft ist im Rahmen der Sozialisation von Bedeutung (2.1, Abb. 1: Ebene 4). Daraus lässt sich ableiten, dass auch die spezifische Konsumkultur im Rahmen der Konsumsozialisation eine wichtige Rolle spielt. Die Veränderungen in der Konsumkultur wirken folglich auf die Konsumsozialisation ein und prägen das individuelle Konsumverhalten. Es liegt nah, dass die Konsumkultur wiederrum von dem praktischen Konsumverhalten der Individuen geprägt wird. Koller (2014) benennt die Alltags- und Konsumkultur als einen wichtigen Faktor der Sozialisation (vgl. S. 165).
2.3.4 Werbung
Die Medien, und damit auch die Werbung, stellen eine weitere Sozialisationsinstanz, neben z. B. Familie und Peergroup, dar.
Im Allgemeinen soll Werbung mittels einer komplexen Symbolwelt ein Gebrauchswertversprechen suggerieren und dadurch die Unsicherheit des Absatzes von Produkten minimieren (vgl. Stauff 2004: 63). Werbung spiegelt die Gesellschaft, für die und in der sie gemacht wird, und trägt so dazu bei, konsumkulturelle Wahrnehmungsformen (2.3.3) zu prägen (vgl. Katz 2004: 163).
Werbung ist heute stark multimedial geprägt und wird oft auf Basis von Marktforschung konzipiert (vgl. Jäckel 2006: 112). In der Werbung wird mittels visueller Inszenierungen Sinn produziert, moduliert oder destruiert. Mit Hilfe von dem kreierten Sinn sollen KonsumentInnen zum Kauf eines Produktes (oder auch der Wahl eines Reiseziels oder einer politischen Partei) motiviert werden (vgl. Kautt/Willems 2007: 125 f.). Werbung bezieht sich dabei häufig auf immaterielle Wünsche (z.B. Freiheit, Coolness, Beliebtheit) und bildet durch die symbolische Aufladung von Gütern eine Projektionsfläche für 'imaginativen Hedonismus' (Bosch 2010: 172) bzw. Tagträume (vgl. Ullrich 2006: 48).
Die Medien konstituieren Bedeutungsprozesse und Wahrnehmungsformen auch teilweise über die gezielte Werbung hinaus autonom und abseits der wirtschaftlichen Instrumentalisierung (vgl. Stauff 2004: 63), z.B. in Filmen oder Serien. Werbung kann aber auch subtil eingesetzt werden und einen unabhängigen Anschein machen, exemplarisch können hierfür durch Produktplatzierung finanzierte Soaps (vgl. Stauff 2004: 71) oder Zeitschriften, deren Artikel werben, aber journalistisch anmuten (z.B. Mode-/Frauenzeitschriften, Autozeitschriften), genannt werden (vgl. Jäckel 2006: 217).
Werbung kann durch die Inszenierungen auch als Orientierung im Rahmen des Lebensstils (1.5.2) genutzt werden (vgl. Koslowski/Priddat 2006: 7). Rosendorfer (1998) deutet darauf hin, dass das Konsumwissen von Kindern zum großen Teil vom Marketing etabliertes Wissen ist, z.B. vermittelt über Fernsehwerbung (vgl. S. 40).