"Wo ist Papa?"
Das war das Erste, was Kalle fragte, als ich nach Hause kam. Ich stellte die Einkaufstasche ab und warf einen Blick ins Wohnzimmer. Kalle lag auf dem Sofa, von der Playstation kam ein leises Rauschen, und ich sah, wie er Controller und Fernbedienung zwischen sich und der Sofalehne zu verstecken versuchte. Ich ließ mir Zeit mit dem Aufhängen des Mantels, bevor ich etwas sagte. Ich setzte mich auf den Hocker, die Stiefel lösten sich mit einem lauten Plopp, dann ging ich zu ihm hinein.
"Papa ist in Kopenhagen."
"Wie lang kommt er noch bis nach Hause?"
"Wie lange dauert es noch, bis er nach Hause kommt."
"Ja", sagt er. "Wie lang dauert es noch?"
"Ein paar Stunden, denke ich."
Es wirkte so viel dunkler von hier drinnen, als es draußen gewirkt hatte. Es war Abend und doch nicht Abend, noch immer einige Stunden bis zur Schlafenszeit, die mit Inhalt gefüllt werden mussten. Und dann noch das Abendessen. Ich dachte an das dicke Stück Wurst und das Fertigkartoffelpüree, das ich gekauft hatte. Nichts Grünes, aber immerhin war Jostein ja nicht da und konnte deshalb keinen Kommentar dazu abgeben. Kalle wand sich auf dem Sofa, eine Rastlosigkeit, die an Entzugserscheinungen erinnerte: Das war die Spannung des Spiels, die noch in ihm steckte, die fiktive Welt, die ihn rief.
"Warum gehst du nicht ein bisschen raus?"
"Wohin?"
"Weiß nicht. Zu Abdi oder Jeton, so wie früher."
"Nein, Mama."
"Oder zu dem Mädchen, das bei uns war, wie hieß sie nochgleich, Zainab?"
"Zainab!"
Das sagte er, als wäre es eine Beleidigung, etwas völlig Undenkbares, dabei war es erst ein paar Wochen her, dass dieses reizende, uns unbekannte Mädchen an der Gegensprechanlage geklingelt hatte und zu uns heraufgekommen war. Sie hatten Der Stern von Afrika in seinem Zimmer gespielt, ohne zu streiten, nur ihre ruhigen Stimmen waren von drinnen zu hören gewesen, er hatte ihr die Regeln erklärt, und sie hatte gewürfelt und irgendwie überrascht "Ich hab eine Vier? Ich hab eine Zwei?" gerufen.