Inhalt
Teil I - Die Fabel
1. Die Chefmöwe Charlie
2. Eine Zufallsbegegnung
3. Exakt definierte Erwartungen
4. Botschaften, die ankommen
5. Immer die Leistungen im Blick behalten
6. Ein neuer Tag
Teil II - Das Modell
7. Die drei Geheimnisse erfolgreicher Führung
8. Aufgeplusterte Chefmöwen kommen Unternehmen teuer zu stehen
9. Sind Sie eine aufgeplusterte Chefmöwe?
Die Chefmöwe Charlie
In seinem Job hatte sich Charlie schon immer als echter Überflieger gefühlt. Und wenn er sich als solcher bezeichnete, nahm ihm niemand das Wortspiel krumm. Schließlich war Charlie eine Möwe, und zwar eine, die ihren Job liebte. Und bis vor kurzem hatte Charlie auch allen Grund dazu gehabt. Als Chefmöwe einer kleinen Kolonie, deren Hauptbeschäftigung daraus bestand, in einem Meeresthemenpark im sonnigen Kalifornien auf Beutezug zu gehen, war Charlies Job das reinste Vergnügen gewesen.
Vor vielen Jahren hatten Charlie und seine Möwen in einer großen Kolonie an der Küste gelebt. Schon damals galt Charlie als kühnes, engagiertes Mitglied der Gemeinschaft, das gute Einfälle hatte wie Sand am Meer. Eines Tages erzählte er den anderen Möwen von einer besonders genialen, geradezu visionären Idee. Von einem Ort, der sich als Schlaraffenland für die Möwen erweisen würde, wenn sie es klug anstellten. Charlie hatte diesen Ort mit eigenen Augen gesehen, und viele der Möwen scharten sich Tag für Tag um ihn, wenn er davon berichtete. Es dauerte nicht lange, bis der clevere Charlie einen kleinen Trupp dazu überredet hatte, das karge Futterrevier an der Küste zu verlassen und mit ihm eine neue Kolonie an dem Ort zu gründen, den sie alle als das Schlemmerparadies bezeichneten.
Nachdem sich Charlies Trupp in dem Meeresthemenpark niedergelassen hatte, stellte sich schnell heraus, dass das Schlemmerparadies alle Erwartungen und Hoffungen übertraf. Das Futter war nicht nur extrem gehaltvoll, sondern auch ganz einfach zu rauben. Mit ihren waghalsigen Sturzflügen gelang es den Möwen immer, die völlig ahnungslosen Menschen zu überraschen. So lebten die findigen Möwen einige Jahre lang tatsächlich wie im Schlaraffenland. Tagsüber schnappten sie sich die besten Happen von den ahnungslosen Touristen, und abends kehrten sie zufrieden und satt zu ihrem sicheren Schlafplatz auf einem zerklüfteten Felsen ganz in der Nähe des Themenparks zurück. Während sich ihre Kollegen an der Meeresküste mit den Pelikanen und Fischern um die wenigen, dafür aber schlauen und schwer zu erwischenden Fische streiten mussten, konnte sich Charlies kleine Kolonie Tag für Tag über den schier unerschöpflichen Nachschub an leckeren Happen freuen, die die Parkbesucher an den Imbissständen kauften.
Von allen Möwen im Themenpark hatte Charlie eindeutig das beste Auge dafür, wann, wo und wie sich eine herzhafte Mahlzeit am besten abgreifen ließ. Beim Mundraub war Charlie einfach der Größte, und daher war es nicht weiter verwunderlich, dass ihn die anderen Möwen zu ihrem Chef ernannten. In seiner neuen Funktion als Chefmöwe gab es für Charlie aber nicht wirklich viel zu organisieren. Bei dem reichlichen Futterangebot ergab es sich eigentlich ganz von selbst, dass alle zufrieden und satt waren, und so musste sich Charlie lange Zeit keine Gedanken darüber machen, wie er seine Möwen bei Laune halten konnte.
Diese Zeiten waren jetzt aber definitiv vorbei. Anfangs war die Zahl der Möwenküken, die hier und da aus den Eiern geschlüpft waren, noch recht überschaubar gewesen. Die Kleinen wuchsen jedoch unglaublich schnell heran und hatten schon bald selbst wieder Nachwuchs, sodass sich die Anzahl der Möwen in Charlies Kolonie innerhalb kürzester Zeit verdreifacht hatte, das Futterangebot aber dummerweise nicht.
Der Meeresthemenpark war zwar nach wie vor ein beliebtes und immer gut besuchtes Ausflugsziel, doch es konnte nun einmal nur eine bestimmte Menge an rotgesichtigen Touristen gleichzeitig an den Tischen und vor den Buden des Schlemmerparadieses Platz finden. Anfangs hatten die Möwen den hungrigen Nachwuchs mit offenen Flügeln in ihrer Kolonie willkommen geheißen, denn noch gab es reichlich Futter für alle. Doch mit dem Überfluss war es schon bald vorbei, und fortan brach über jeden einsamen Teller, auf dem es noch ein paar Bissen zu holen gab, Streit darüber aus, wer zuerst picken durfte.
Um Leckerbissen hatten sich die Möwen auch früher schon gelegentlich geza