Der Garten Eden, das biblische Paradies, ist vermutlich das Ergebnis eines globalen Klimawandels. Archäologen, Geologen, Paläontologen, Anthropologen und Klimaforscher haben im heutigen Grenzgebiet zwischen Nordirak, Türkei und Iran, im »fruchtbaren Halbmond«, Spuren einer 11000 Jahre alten »goldenen Epoche« der Steinzeit entdeckt. Gazellenjäger schufen dort mächtige Schlangentempel und lebten offensichtlich wie im Schlaraffenland. Gab es Adam und Eva also wirklich? Steckt im Gleichnis vom Sündenfall ein wahrer Kern? »Himmlischer Garten der Freude« haben Chronisten des Mittelalters die Heimstatt der »ersten Menschen« genannt. Bei Dürer und Rubens turnen sie nackt durch blumengeschwängerte Parkanlagen »und schämten sich nicht«. Auch frühere Kulturen hatten ihre paradiesisch verbrämte Schöpfungsgeschichte: Bei den Kelten war es Avalon, der Apfelgarten, bei den Griechen die Insel der Seligen. Im Kerntext der Christenheit allerdings endet der Aufenthalt im Paradies gewissermaßen mit einem Eklat: Eva - Martin Luther spricht von der »Männin« - greift, verführt durch die Schlange, nach der verbotenen Frucht vom Baum der Erkenntnis. Als Gott den Tabubruch bemerkt, ist sein Zorn groß. Er ahndet Evas Fehltritt mit dem Hinausschmiss der ersten Menschen aus den himmlischen Gefilden. Oder hat sich das gleichnishafte, in der Interpretation des Apostels Paulus etwa im Jahre 50 nach Christus aufgezeichnete Geschehen im Paradies doch etwas anders zugetragen? Verbirgt sich hinter der biblischen Geschichte aus der Genesis eine historische Botschaft, die gerade für unsere heutige Zivilisation von größtem Interesse sein könnte? Enthält sie einen steinzeitlichen Faktenkern, der das Schreckensszenario eines Klimawandels in einem völlig neuen, sehr viel milderen Licht erscheinen lässt? Wissenschaftler, die sich vom Offenbarungscharakter der »Urkunde Gottes« nicht schrecken lassen, vermuten inzwischen, dass das Paradies zwar durchaus ein realer Ort war, jedoch vor allem jene vollendete wonnige Glückseligkeit von Menschen beschreibt, die, aus der tödlichen Kälte kommend, sich plötzlich in einem Land wiederfanden, wo buchstäblich Milch und Honig fließen - eben im Paradies. Die letzte Eiszeit war gerade zu Ende gegangen, die globale Temperatur lag im Schnitt etwa vier bis fünf Grad höher als heute. Die mächtigen Eisberge und Gletscher waren auf der Nordhalbkugel polwärts zurückgewichen, üppig wuchernde Wälder und saftstrotzendes Grasland bedeckten nun die einst über Jahrzehntausende unter kilometerdicken Eispanzern begrabenen Kontinente. Der deutsche Geologe Elmar Buchner von der Universität Stuttgart bringt die Hinweise aus der Heiligen Schrift eindeutig mit dem abrupten Klimaumschwung am Ende der letzten Eiszeit zusammen und vertritt die These, der Garten Eden sei infolge des in wenigen Jahrzehnten mehr als zehn Meter gestiegenen Meeresspiegels im Persischen Golf versunken. Wesentlich detaillierter schildert der britische Wissenschaftspublizist David Rohl in seinem bislang nur in englischer Sprache vorliegenden Buch Legend die historisch begründeten Hintergründe der biblischen Geschichte vom Paradies. Sumerische Keilschriftenarchive und geografische Anhaltspunkte im Alten Testament, insbesondere Hinweise im zweiten und dritten Kapitel der Genesis, behandeln den Garten Eden »fast wie ein irdisches Ferienziel«. Himmelsrichtungen werden genannt und umliegende Landschaften, vier Flüsse entspringen im Paradies, zwei davon sind Euphrat und Tigris. Und ausgerechnet am Oberlauf dieser beiden Ströme, »wo Adam laut Bibel erstmals sein Korn drosch, wurde tatsächlich der Ursprung der Landwirtschaft ausgemacht«. Hier, rund um den nordiranischen Urmia-See und die Stadt Urfa, grub man in den letzten Jahren Kultstätten mit Sakralbauten und Schreinen aus, die etwa 11000 Jahre alt sind - eindeutig Bauwerke und künstlerisch gestaltete Gebrauchsgegenstände, an denen sich eine Kultur ablesen lässt, wie man sie in dieser Fortschrittlichkeit bisher nur selten in der menschlichen Frühgeschichte entdecken konnte. Die Forscher fanden Tausende von Lehm- und Tonfiguren, die nicht von jungsteinzeitlichen Bauern, sondern einwandfrei von nomadisierenden Wildbeutern und Sammlern stammten. Die Menschen dieser Zeit hatten offenbar genügend Muße, um sich neben der Bewältigung ihrer Alltagsprobleme auch mit dem kulturellen »Überbau« ihres Volkes zu beschäftigen. In diesem Teil der Welt fanden, so vermuten Historiker, innerhalb weniger Jahrtausende gleich zwei Übergänge statt. Zum einen der revolutionäre Umbruch von der kargen Eiszeit in eine Phase von Wohlstand und üppiger Lebensfreude. Das Füllhorn der insbesondere im Bereich der nördlichen Hemisphäre aufblühenden Kultur ließ zunächst kaum noch Wünsche offen: Hunderttausende Tonnen von Fleisch, die in Form von riesigen Herden auf grünen Savannen und saftstrotzendem Buschland weideten: Antilopen, Wildschafe, Auerochsen, Wildziegen, Wasserbüffel, Wildesel, Gnus und Zebras. All diese Wildarten vermehrten sich explosionsartig, nachdem eine fast 100 000 Jahre währende Kaltzeit, die einen Großteil der Nordhälfte des Planeten unter kilometerdicken Eispanzern hatte erstarren lassen, von einer plötzlich sich ausbreitenden Warmzeit abgelöst wurde. Gewaltige Monsunregen der subtropischen Zonen drangen in kürzester Zeit weit nach Mitteleuropa vor und verwandelten die karge, nur selten vom Eis befreite Steppe, die ursprünglich vom Atlantischen Ozean bis nach Kleinasien reichte, in ein irdisches Paradies. Auch viele andere Kulturen kannten solche Orte frühmenschlichen Glücks. Im »goldenen Zeitalter« Hesiods, des griechischen Dichters aus dem 8. Jahrhundert v. Chr., leben die Menschen »fern von Mühen und Leid«. Homer erzählt vom Land der Phäaken. Die Bäume dort, »voll balsamischer Birnen, Granaten und grüner Oliven«, trugen über alle Jahreszeiten hinweg »reife Frucht«. Die steinzeitlichen Menschen, jene an harte und entbehrungsreiche Zeiten gewöhnten Jäger und Nomaden, die stets auf der Hut sein mussten vor Bären und Wölfen, nicht selten am Rand des Verhungerns und des Gefressenwerdens, konnten wahrscheinlich ihr Glück kaum fassen. Innerhalb von nur wenigen Generationen vervielfachten sich die Nahrungsvorräte. Unmengen an Fleisch und Fellen wurden nun auf einen Schlag erbeutet, indem man das Wild herdenweise über steile Klippen trieb und in andere unentrinnbare Fallen lockte. Nun musste man nicht länger von der Hand in den Mund leben, sondern konnte die überreiche Beute in den kühlen Gewölben natürlicher Höhlen konservieren und manchmal für Monate halt bar machen. Beeren, Pilze und Wildkräuter aller Art gediehen prächtig im wohlig-warmen Klima der Nacheiszeit und bereicherten den bis dahin zumeist armseligen Speisezettel unserer steinzeitlichen Vorfahren - die Erde erlebte die ersten Festgelage der Menschheit. Schon bald danach bahnte sich die zweite »neolithische Revolution« an, jener dramatische Übergang vom Wildbeuter- zum Bauerntum, der normalerweise auch als die erste große Kulturtransformation der Menschheit in den Geschichtsbüchern gilt. Die Ausweisung Adams und Evas aus dem Paradies, verbunden mit dem göttlichen Befehl, von nun an ihr Brot im Schweiße ihres Angesichts zu verdienen, kennzeichnet vermutlich nichts anderes als die Anfänge des Bauerntums. Der Auszug aus dem Gelobten Land bezeichnet allegorisch der Verlust der riesigen Herden. Und auch die Sintflut geht wahrscheinlich auf ein sehr reales Naturereignis zurück: Es waren die Schmelzwasserfluten der riesigen Gletschermassive, die innerhalb weniger Jahrzehnte den Meeresspiegel um 10, 20 Meter anhoben und zum verheerenden Durchbruch des Schwarzen Meeres in das Mittelbeerbecken führten.Auf allen Kontinenten der Erde hat das ewige Wechselspiel des Klimas den unaufhörlichen Wandel der Umwelt des Menschen und damit der Grundlagen seiner jeweiligen Lebensbedingungen entscheidend beeinflusst. In einem Tal von Mexiko lebte ein gottesfürchtiger Mann namens Tapi, dem eines Tages der Schöpfer der Welt erschien. »Bau dir ein Schiff«, sprach Gott zu ihm, »und mach es zu deiner Wohnung. Bring dann Frau und deine Kinder darauf und je ein Paar von allen Tieren, die es gibt auf der Welt. Aber beeile dich, denn der Augenblick ist nahe!« Tapi tat, wie ihm befohlen, obwohl ihn alle Leute für verrückt hielten. Kaum hatte er seinen Auftrag zu Ende geführt, da begann es wie aus Eimern zu schütten. Es regnete in Strömen ohne Unterlass, das Tal versank in den Fluten, Menschen und Tiere suchten Zuflucht auf den Bergen, aber auch diese verschwanden bald unter den unablässig steigenden Wassern. Nur Tapis Schiff beherbergte noch Lebewesen aus jener Welt, die sich in einen endlosen Ozean verwandelt hatte. Als es nach vielen Wochen endlich aufhörte zu regnen, die Sonne wieder schien und die Flut zu fallen begann, schickte der Mann eine Taube aus. Sie kehrte nicht zurück, und Tapis Herz war von Freude erfüllt, denn das bedeutete, dass der Vogel ein Fleckchen Erde gefunden hatte, auf dem er sich niederlassen konnte. Aus dem Alten Testament stammt dieser Bericht nicht. Er kommt aus dem »Popul Wuh«, der bedeutendsten heiligen Schrift der Maya, die rund 1200 Jahre vor der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus begonnen hatten, eine Hochkultur zu errichten. Die Übereinstimmung mit den Kapiteln 7 und 8 des 1. Buch Mose ist allerdings verblüffend. Wie konnte die alte Legende den Atlantik überqueren? Der entsprechende Bericht aus der christlichen Bibel entstand bereits irgendwann zwischen dem 10. und 5. Jahrhundert v. Chr. Die Sintflutgeschichte hatte also viel Zeit, von Palästina nach Amerika zu gelangen. Vielleicht hat sie auch gar nicht den Atlantik überquert, sondern ist dem langen Weg über Asien, die Beringstraße und den nordamerikanischen Subkontinent gefolgt. Dann müssten sich entlang dieses Weges aber auch Erinnerungen an die Sintflutlegende wiederfinden lassen. Und genau das ist tatsächlich der Fall. Im alten Persien wurde während der Sassaniden-Herrschaft zwischen 226 und 642 n. Chr. das heilige Buch »Awesta« aufgezeichnet, ein Fundament der Parsen-Religion. Aus ihm und aus älteren mündlichen Überlieferungen ging anderthalb Jahrtausende nach dem 1. Buch Mose das »Bundahishn« hervor, ein Schöpfungsbericht, in dem sich folgende Textpassage findet: »Während des Krieges zwischen Ahura Mazda [Schöpfergott und Endzeitrichter] und Angra Manju [böser Geist bzw. Teufel] erschien der Stern Tistar in schrecklichem Glanz über der Erde und schickte sich an, die Erde in Regenfluten zu ertränken, weil sie damals mit schädlichen Geschöpfen bevölkert war.« Schon im 1. Jahrtausend v. Chr. hielten die Hindus im alten Indien in der »Rigveda« fest: »O Heiliger, du hast mir immer deinen besonderen Schutz gewährt, nun höre von mir, was du tun musst, wenn die Zeit gekommen ist. Der Tag ist nicht weit, o heiliger Mann, an dem alle lebenden und toten Dinge dieser Welt zugrunde gehen werden. Die verhängnisvolle Zeit steht bevor, in der das Menschengeschlecht im Wasser versinken wird, und deshalb will ich dir eine Möglichkeit zeigen, dich zu retten. Baue dir eine feste Arche, die durch dicke Taue verstärkt ist, dann besteige sie mit den sieben Risbi [Gerechten oder Weisen]. In diese Arche wirst du alle Sämereien mitnehmen und sie gut voneinander getrennt aufbewahren. Eines Tages wirst du von deiner Arche aus mich erblicken; und ich werde ein Horn auf dem Haupte tragen: Das wird das Zeichen sein. Denke daran, dass du die riesige Wasserfläche ohne meine Hilfe nicht befahren kannst.« Weiter im Osten, im alten China, gibt es eine der wenigen Sintflutlegenden, die man einer großen Überschwemmungskatastrophe zeitlich zuordnen kann: Sie ereignete sich, als die Chinesen während einer kulturellen Blütezeit begannen, sich zu einem großen Reich im Gebiet der Ströme Hwangho und Jangtsekiang zusammenzuschließen, also im dritten vorchristlichen Jahrtausend. Eine Überlieferung der Sintflutgeschichte von Ostasien nach Nordamerika ist schwerer nachzuweisen. Vielleicht waren es die Eskimos, die die legendäre Erzählung weitertrugen. Bei den nordamerikanischen Indianern taucht sie jedenfalls wieder auf. Beim Stamm der Haida, den Ureinwohnern der kanadischen Königin-Charlotte-Inseln vor der Küste Britisch-Kolumbiens, ist von einem Mann mit stählernem Kopf die Rede, den die Götter in einen Lachs verwandelten, damit er die große Flut überleben konnte und in der Lage war, nach der vernichtenden Überschwemmung ein neues Menschengeschlecht zu begründen. Etwas weiter südlich, bei den Algonkin sprechenden Stämmen, wird berichtet, dass Manitou die Menschen sehr liebte, sie aber zu viel Schuld auf sich luden. »Da schickte der Große Geist einen Mann, der die Menschen warnen sollte: Ein großes Strafgericht werde über sie kommen, wenn sie sich nicht mäßigten. Das Volk jedoch verharrte weiterhin in Sünde. Da geschah im Herbst des gleichen Jahres etwas höchst Außergewöhnliches: Bei Tag ging die Sonne nicht mehr auf, und bei Nacht blieben Mond und Sterne verborgen. Die Welt stürzte in schreckliche Finsternis. Es wurde eisig kalt, und die Tiere verließen die Wälder, um Licht und Wärme bei den Feuern zu suchen, die die Menschen entzündeten. Die Stimmen verloren ihren Klang. Alles war still und kalt, bis ein furchtbarer Donnerschlag die Erde erschütterte. Da bekamen die Stimmen wieder Klang, und es erhob sich überall ein großes Wehgeschrei, während Regengüsse die Welt überschwemmten. Vom ganzen Menschengeschlecht rettete sich nur einer, und das war der Prophet. Der Stimme des Großen Geistes gehorchend, hatte er ein riesiges Floß aus Baumstämmen gebaut.« Vergleichbare Legenden sind bei vielen anderen nordamerikanischen Indianerstämmen verbreitet - bis hinunter in die großen Ebenen des Mittleren Westens, bis Arizona und New Mexico. Und das Sintflutmotiv lässt sich auf dem amerikanischen Kontinent noch weiter nach Süden verfolgen. Die im Grenzgebiet von Venezuela und Brasilien beheimateten Ugha Mongulala wissen von einem »gewaltigen Stern«, der plötzlich auftauchte und am Himmel eine blutrote Spur zeichnete. Ihm folgte ein dreizehnmonatiger Regen, der die Welt überflutete und die gesamte Menschheit ertränkte, mit Ausnahme des Mannes Madus, der auf einem selbst gebauten großen Floß überlebte, auf dem er auch je ein Pärchen zahlreicher Tierarten mitgenommen hatte. Die alten Inka Perus berichten von einer fünftägigen Finsternis, einem schrecklichen Erdbeben und einer darauf folgenden großen Flut, was zunächst befremdlich klingt, denn die Inka lebten im Hochgebirge der Anden, wo weiträumige Überschwemmungen nur schwer vorstellbar sind. Weltweit sind von Völkerkundlern, Historikern und Mythenforschern mehr als 250 regionale Sintflutlegenden zusammengetragen worden. Legenden und Geschichten von großen Überschwemmungen im alten Griechenland und im Römischen Reich knüpfen vermutlich alle an den alttestamentarischen Bericht über die Sintflut an - jeweils den spezifischen religiösen Vorstellungen angepasst. So kam im klassischen Griechenland der Zeus -Bruder, Wasser- und Erdbebengott Poseidon dem zürnenden obersten Gott zu Hilfe, rief alle Flüsse zusammen und befahl ihnen: »Lasst euren Wogen alle Zügel schießen, fallt in die Häuser und durchbrecht alle Dämme.« In Rom beklagte die oberste göttliche Richterin Justitia die Verkommenheit der Menschen auf Erden und veranlasste so Götterkönig Jupiter, die Menschen dafür zu bestrafen. Der Herr der Götter beauftragte damit seinen Bruder Neptun, das römische Gegenstück zum griechischen Poseidon. Aber es gibt auch Sintflutberichte in Afrika und sogar bei den alten nordischen Völkern Europas: Als Gott Odin den Urriesen Ymir mit wuchtigen Hieben niederstreckte, flossen aus dessen Wunden so mächtige Blutströme, dass darin alle Riesen ertranken. Nur der weise Riese Begelmir und sein Eheweib überlebten die Katastrophe in einem selbst gebauten Nachen. Hat es also in der Frühgeschichte der Menschheit wirklich kontinentale Hochwasserfluten gegeben? Um das zu klären, erscheint es sinnvoll, die zeitlich ältesten Wurzeln der Katastrophenlegende aufzuspüren. Und die reichen erstaunlicherweise weit hinter den biblischen Bericht zurück. 1845 begann der gleichermaßen am Orient wie an versunkenen Kulturen interessierte britische Archäologe und Diplomat Austen Henry Layard mit Ausgrabungen am Hügel Nimrud im unteren Tigristal. Er wollte die »Wiege der Menschheit« finden, von der die Bibel spricht. Schon bald entdeckte er die Mauern zweier assyrischer Paläste sowie zahlreiche Ziegel mit eingeritzten Keilschrifttexten. Bei seiner Arbeit half ihm der aus Mossul stammende chaldäische Christ Hormuzd Rassam, der später die Grabungen auf eigene Faust fortsetzte und 1864/65 große Teile des »Gilgamesch«-Epos auf zahlreichen beschriebenen Tontafeln 14 Kilometer nördlich der Anhöhe von Nimrud fand. Das wiederum faszinierte einen jungen Assistenten am Britischen Museum namens George Smith, der bald von der Idee besessen war, die merkwürdigen Schriftzeichen zu entziffern und selbst in Mesopotamien nachzuforschen, ob eventuell noch fehlende Teile dieser Texte zu finden wären. Erstaunlicherweise gelang ihm beides. Insgesamt trug Smith 384 Tontafeln zusammen, die unter anderem den vollständigen, noch unbekannten Teil der Geschichte von Utnapischtim enthielten, die im »Gilgamesch«-Epos erzählt wird. Und diese Geschichte ist nichts anderes als die Sintflutgeschichte. Utnapischtim ist der biblische Noah. Er berichtet dem Sumererkönig Gilgamesch, wie der »Herr mit den strahlenden Augen, der Gott Ea« ihn gewarnt habe: »Mann aus der Stadt Schuruppak, Sohn Ubar-Tutus, ziehe aus deiner Wohnung, baue ein Schiff, lass fahren all deine Reichtümer und rette dein Leben. Lass den Samen allen Lebens in dein Schiff steigen. Bring hinein dein Korn, deine Frau, deine Familie, deine Verwandten, Handwerker, Vieh, wilde Tiere und grünes Futter in Fülle.« Dann berichtet Utnapischtim, wie die große Flut kam: »Selbst die Götter waren voll Furcht vor der Flut, sie flüchteten zum Himmel des Anu. Sechs Tage und sechs Nächte schwollen Sturm und Flut, herrschte Orkan über dem Land. [.] Als der siebente Tag anbrach, da legte sich der Sturm, es glättete sich die Flut, die wie ein Kriegsheer gewütet; sanft wurden die Wogen, der Sturmwind ließ nach. Ich hielt Ausschau nach dem Wasser, verstummt war sein Tosen, zu Lehm alle Menschen geworden. Bis zu des Daches Höhe reichte der Sumpf.«