Wie alles begann
In einem kleinen Häuschen am Rande des Waldes lebte die Kräuterfrau Magdalia.
Vermutlich lebte sie schon immer da. Jedenfalls konnte sich niemand daran erinnern, dass Magdalia nicht dort gelebt hätte - auch die ganz alten Leute nicht. Folglich musste Magdalia uralt sein. Und doch sah sie nicht so aus.
Also, sie war nicht mehr jung, aber steinalt sah sie bestimmt nicht aus. Sie lebte allein dort, mit ihrem schwarzen Kater und ihrer weißen Katze.
Magdalia ging nur selten ins Dorf. Sie versorgte sich meist selbst mit den Dingen, die sie brauchte. Ihr Gemüse und Obst baute sie in ihrem großen, schönen Garten an. Die Leute aus dem Dorf kamen nie zu Magdalia. Zumindest gab niemand
zu, sie je besucht zu haben. So war es schon immer und vermutlich wird es auch immer so bleiben: Die Menschen sind etwas scheu mit den Kräuterkundigen.
Magdalia war natürlich verschwiegen genug und redete nicht darüber, wer zu ihr kam. Sie redete sowieso kaum, wenn sie im Dorf war. Sie war freundlich und offenherzig, aber nie geschwätzig. Sie mochte die Menschen und die
meisten Menschen mochten sie, auch wenn einige sie mit etwas Argwohn oder Angst beobachteten. So wie das eben ist, wenn jemand fremd und anders ist.
Am liebsten werkelte Magdalia in ihrem Garten oder in ihrer Küche herum. In ihrem Garten wuchsen allerlei Gemüse und Obst und natürlich unzählige Kräuter, die Magdalia gut kannte, und von denen sie wusste, wie sie anzuwenden
sind.
Sie pflanzte immer so viel an, dass es locker für den Winter reichte, meist sogar länger. Sie wusste auch, dass sie ab und an ungebetene Gäste hatte, die sich ungefragt bedienten. Magdalia hatte ein großes Herz für alle. Es störte sie normalerweise
nicht, wenn ein Reh vorbeischaute und ein paar Rosen abknabberte, ein Hase etwas Salat abfraß und selbst für die Schnecken hatte sie immer etwas mehr angepflanzt.
Allerdings war das Verschwinden des Gemüses in diesem Jahr bemerkenswert anders. Es war nicht wirklich viel auf einmal, aber doch ständig. Fast täglich fehlte etwas in ihren Beeten! Ein paar Möhren hier, ein Salatkopf dort, einige
Beeren da hinten und ein paar Tomaten dort vorne. So langsam wurde es ihr unheimlich. Wer war denn hier so dreist? Irgendetwas stimmte nicht. Das war kein normaler Schwund, der von einem Wildtier stammte. Das musste andere
Gründe haben. Irgendjemand stahl ihr Gemüse und Obst, und so etwas war bisher noch nie vorgekommen.
Magdalia war eine überaus großzügige Person. Für den Fall, dass jemand hungrig war, stand bei ihr immer eine Suppe auf dem Herd. Die teilte sie dann gerne mit Wanderern oder wer auch immer bei ihr vorbeischaute. Aber so mir nichts,
dir nichts und in diesem Ausmaß, das ging doch wirklich nicht. Wenn das so weiter ging, würde es vielleicht im Winter für sie selbst knapp werden.