vember 1971Der Alarm schrillte, und Forrest Malone schreckte auf.?Tiefe??, rief er.?Zweihundert Meter.??Was liegt unter uns???Weitere siebenhundert Meter kaltes Wasser.?Angespannt sah er auf die Messanzeigen, Messuhren und Thermometer. In der winzigen Kommandozentrale sa?der Seitenruderg?er zu seiner Rechten und der Tiefenruderg?er eingeklemmt zu seiner Linken; beide M?er hatten die H?e um Steuerkn?ppel gelegt. Die Stromversorgung ging an und aus.?Auf zwei Knoten verlangsamen.?Das U-Boot schlingerte im Wasser.Das Alarmsignal verstummte. In der Kommandozentrale war es pl?tzlich dunkel.?Captain, Meldung aus dem Reaktorraum. Bei einem der Regelst? hat es einen Kurzschluss gegeben.?Malone begriff, was passiert war. Der in die st?ranf?ige Anlage eingebaute Sicherheitsmechanismus hatte automatisch die anderen Regelst? einfahren lassen - die Schnellabschaltung des Reaktors war eingeleitet worden. Nun gab es nur noch eine m?gliche Reaktion. ?Auf Batterien umschalten.?Matte Notleuchten gingen an. Flanders, Malones Leitender Ingenieur und ein energischer und t?chtiger Mann, auf den er sich verlassen konnte, trat in die Kommandozentrale. Malone sagte: ?Schie?n Sie los, Tom.? ?Ich wei?nicht, wie schwer der Zwischenfall ist oder wie viel Zeit wir zur Reparatur ben?tigen werden, aber wir m?ssen den Stromverbrauch senken.? Die Stromerzeugung war auch schon fr?her zusammengebrochen, sogar schon mehrere Male, und Malone wusste, dass sie mit Batterien bei vorsichtigem Gebrauch noch f?r zwei Tage Strom hatten. Auf genau diese Art von Situation hatte seine Mannschaft sich durch rigoroses Training vorbereitet, aber nach einer Notabschaltung musste der Reaktor laut Handbuch innerhalb einer Stunde wieder hochgefahren werden. Falls mehr Zeit verging, musste das Boot zum n?stgelegenen Hafen gebracht werden. Der aber lag ?ber zweitausend Kilometer entfernt. ?Schaltet alles ab, was wir nicht brauchen?, sagte Malone. ?Captain, es wird schwer werden, das Boot im Gleichgewicht zu halten?, bemerkte der Seitenruderg?er. Malone kannte das Archimedische Prinzip. Ein Objekt, das genau so viel wog wie eine Wassermenge gleichen Volumens, sank nicht, noch stieg es auf. Vielmehr schwebte es im Wasser. Jedes U-Boot funktionierte nach diesem grundlegenden Prinzip und wurde mit Antriebsmaschinen, die f?r den n?tigen Schub sorgten, unter Wasser man?vriert. Ohne Elektrizit?hatten sie keinen Antrieb, kein Tiefenruder und konnten keine Fahrt machen. All diesen Problemen w? durch das Aufsteigen an die Wasseroberfl?e leicht zu begegnen gewesen, aber ?ber ihnen war nicht der offene Ozean. Sie steckten unter einer Eisdecke fest. ?Captain, der Maschinenraum meldet ein kleineres Leck im Rohrleitungssystem.? ?Ein kleineres Leck??, fragte Malone. ?Gerade jetzt?? ?Es wurde schon fr?her entdeckt, aber jetzt, da die Stromversorgung zusammengebrochen ist, wird um die Genehmigunggebeten, ein Ventil zu schlie?n, um das Leck zu unterbinden, damit ein Schlauch ersetzt werden kann.?Logisch. ?Genehmigt. Und ich hoffe, das waren jetzt die letzten schlechten Nachrichten.? Er wandte sich dem Sonarmann zu. ?Ist vor uns irgendetwas??U-Boot-Mannschaften lernten von denen, die vor ihnen die Meere befahren hatten, und die Ersten, die mit zugefrorenen Meeren gek?ft hatten, hatten zwei Lektionen weitergegeben: Fahre niemals gegen irgendetwas Gefrorenes, wenn es nicht sein muss. Wenn es sich aber nicht vermeiden l?t, fahre langsam mit dem Bug gegen das Eis, schiebe sanft und bete.?Voraus ist alles klar?, meldete der Sonarmann.?Wir beginnen zu treiben?, sagte der Seitenruderg?er.?Gegensteuern. Aber Vorsicht mit dem Energieverbrauch.?Pl?tzlich schoss der Bug des U-Boots nach unten.?Was zum Teufel murmelte Malone.?Hecktiefenruder haben sich auf Abtauchen gestellt?, schrie der Tiefenruderg?er, der aufsprang und heftig am Steuerkn?ppel zerrte. ?Sie reagieren nicht.??Blount!?, br?llte Malone. ?Helfen Sie ihm.?Der Angerufene kam aus dem Sonarraum gest?rmt und eilte dem Tiefenruderg?er zu Hilfe. Die Abw?sfahrt wurde noch steiler. Malone hielt sich am Kartentisch fest, w?end alles, was nicht befestigt war, lawinenartig vorw?sst?rzte.?Tiefenrudernotkontrolle!?, br?llte Malone.Die Abw?sfahrt wurde noch steiler.??er f?nfundvierzig Grad Neigung?, meldete der Seitenruderg?er. ?Tiefenruder ist noch immer auf Abtauchen gestellt. Es funktioniert nicht.?Malone packte den Tisch fester und k?fte um sein Gleichgewicht.?Dreihundert Meter, und es geht noch weiter nach unten.?Die Tiefenanzeige ?erte sich so schnell, dass die Ziffern verschwammen. Das Boot war bis tausend Meter tauchf?g, aber der Meeresgrund n?rte sich rasch, und der Au?ndruck des Wassers stieg - wenn es zu schnell ging, w?rde der Rumpf implodieren. Aber die Aussicht, mit voller Fahrt den Meeresgrund zu rammen, war auch nicht gerade angenehm.Es blieb nur noch ein einziger Ausweg.?Notgang r?ckw?s. Alle Ballasttanks anblasen.?Das Boot erzitterte, als die Maschinerie Malones Kommando gehorchte. Die Propeller drehten in die Gegenrichtung und Druckluft donnerte in die Tanks und dr?te das Wasser hinaus. Der Seitenruderg?er hielt den Steuerkn?ppel fest. Der Tiefenruderg?er bereitete sich auf das vor, was, wie Malone wusste, gleich bevorstand.Das Boot bekam wieder Auftrieb.Die Fahrt nach unten verlangsamte sich.Der Bug wanderte nach oben, bis das Schiff wieder horizontal lag.?Balancieren Sie das Boot aus?, befahl Malone. ?Halten Sie uns im Schwebezustand. Ich will nicht aufsteigen.?Der Tiefenruderg?er reagierte auf sein Kommando.?Wie weit noch bis zum Meeresgrund??Blount kehrte in den Sonarraum zur?ck. ?Siebzig Meter.?Malones Blick schoss zur Tiefenanzeige hin?ber. Achthundert Meter. Der Rumpf ?zte unter dem Druck, hielt aber stand. Sein Blick heftete sich auf die ?fnungsanzeigen. Die Signalleuchten zeigten, dass alle Ventile geschlossen waren und dass es keine Lecks gab. Endlich einmal eine gute Nachricht.?Setzen Sie uns ab.?Der Vorteil, den dieses U-Boot gegen?ber anderen besa? bestand darin, dass es auf dem Meeresgrund ruhen konnte. Das war einfach nur eine von vielen Besonderheiten des U-Boots - so wie das ?erlich heikle Antriebs- und Steuerungssystem, dessen Schw?en ihnen gerade eben eindringlich vor Augen gef?hrt worden waren.Das U-Boot setzte auf dem Meeresgrund auf.Alle in der Kommandozentrale wechselten Blicke. Keiner sagte etwas. Das war auch nicht n?tig. Malone wusste, was sie dachten: Das war knapp.?Wissen wir, was passiert ist??, fragte er.?Der Maschinenraum meldet, dass beim Schlie?n des Ventils f?r die Reparatur die normale Steuerung, die Notsteuerung und die Tauchsysteme ausgefallen sind. Das ist noch nie zuvor passiert.??K?nnten Sie mir etwas erz?en, was ich nicht schon wei???Das Ventil ist jetzt wieder ge?ffnet.?Er l?elte ?ber die ausweichende Antwort seines Leitenden Ingenieurs: Wenn ich mehr w?sste, w?rde ich es Ihnen sagen. ?Okay, sagen Sie den Leuten, dass sie die Reparatur durchf?hren sollen. Was ist mit dem Reaktor??Beim Kampf gegen den unerwarteten Tauchvorgang hatten sie bestimmt massenhaft Batteriestrom verbraucht.?Noch immer abgeschaltet?, antwortete der Erste Offizier.Die Stunde, die ihnen f?r den Neustart des Systems zur Verf?gung stand, verstrich schnell.?Captain!?, rief Blount aus dem Sonarraum. ?Wir haben au?rhalb des Rumpfs etwas entdeckt. Mehrere feste Objekte. Wir scheinen in einem Feld von Gesteinsbrocken zu liegen.?Malone beschloss, ein wenig Strom zu opfern. ?Kameras und Au?nleuchten anschalten. Aber nur ein kurzer Blick, dann machen wir wieder aus.?Die Videomonitore schalteten sich ein und zeigten klares Wasser, in dem hier und da etwas Lebendiges schwamm. Das U-Boot war von Gesteinsbrocken umgeben, die kreuz und quer auf dem Meeresgrund verstreut lagen.?Merkw?rdig?, sagte einer der M?er.Auch Malone war es aufgefallen. ?Das sind keine Gesteinsbrocken. Es sind behauene Steine. Und zwar gro?. Kuben und W?rfel. Zoomen Sie einen heran.? Blount bediente die Schalter und richtete die Kamera auf einen der Steine aus. ?Heilige Schei??, sagte der Erste Offizier. In den Stein war etwas eingraviert. Keine Schrift, die Malone kannte. Es war ein abgerundeter, flie?nder Kursivstil. Einzelne Buchstaben wirkten wie zu Worten zusammengruppiert, aber er konnte nichts lesen. ?Auf den anderen Steinbl?cken steht auch etwas?, sagte Blount, und Malone studierte die restlichen Bildschirme. Sie waren von Verfall umgeben, und die Steinbl?cke ragten um sie herum auf wie Geister. ?Schalten Sie die Kameras aus?, befahl Malone. Im Moment war der schwindende Energievorrat seine Hauptsorge, nicht die Neugierde. ?K?nnen wir hier ungef?det liegen bleiben??, fragte er. ?Wir haben auf einer freien Stelle aufgesetzt?, erkl?e Blount. ?Alles ist in Ordnung.? Ein Alarmsignal ert?nte. Malone erkannte auf der Anzeige, dass es um die Elektrik ging. ?Captain, Sie werden vorn gebraucht!?, schrie der Erste Offizier ?ber das Fiepen hinweg. Malone stolperte aus der Kommandozentrale und hastete zu der Leiter, die in den Turm hinauff?hrte. An deren Fu?stand schon sein Leitender Ingenieur. Das Alarmsignal verstummte. Er sp?rte Hitze, und seine Augen hefteten sich auf das Deck. Nichts Gutes ahnend, b?ckte er sich und ber?hrte ganz leicht das Metall: h?llisch hei? Das war nicht gut. Unter der Abdeckung lagen hundertf?nfzig Silber-Zink-Batterien in einem Aluminiumschacht. Aus bitterer Erfahrung wusste er, dass deren Anordnung weit eher k?nstlerischen als wissenschaftlichen Gesichtspunkten gen?gte. Es gab st?ig Pannen. Eine nach der anderen l?ste ein Maschinist vier Schrauben, welche die Abdeckung an Ort und Stelle fixierten. Diese wurde entfernt, und darunter kam eine wirbelnde Rauchwolke zum Vorschein. Malone begriff sofort, wo das Problem lag: Die Kaliumhydroxidl?sung in den Batterien war ?bergelaufen. Wieder einmal. Krachend wurde die Abdeckung wieder eingesetzt. Aber das w?rde ihnen nur einige wenige Minuten erkaufen. Bald w?rde das Ventilationssystem den bei?nden Qualm im ganzen U-Boot verteilen, und da sie nicht l?ften konnten, w?rden sie bald alle tot sein. Malone rannte in die Kommandozentrale zur?ck. Er wollte nicht sterben, aber ihre Optionen schwanden rasch. Seit sechsundzwanzig Jahren diente er auf U-Booten - sowohl auf diesel- als auch auf atomgetriebenen. Nur einer von f?nf Bewerbern schaffte es auf die U-Bootsschule der Marine, denn k?rperliche Untersuchungen, psychologische Interviews und Reaktionstests loteten die Grenzen der Rekruten aus. Die silbernen Delphine hatte ihm sein erster Kapit?angesteckt, und er selbst hatte diese Ehre seitdem vielen angehenden Offizieren erwiesen. Er wusste also Bescheid. Das Spiel war aus. Sonderbarerweise erf?llte ihn nur ein einziger Gedanke, als er die Kommandozentrale betrat und sich darauf vorbereitete, wenigstens so zu tun, als h?en sie eine Chance. Der Gedanke an seinen Sohn. Der war zehn Jahre alt. Und w?rde ohne Vater aufwachsen. Ich liebe dich, Cotton.ERSTER TEILGarmisch, Deutschland Dienstag, 11. Dezember, Gegenwart 13.40 UhrCotton Malone hasste es, eingeschlossen zu sein. Sein derzeitiges Unbehagen wurde noch dadurch gesteigert, dass die Gondel der Seilbahn gerammelt voll war. Die meisten Passagiere hatten Urlaub, waren farbenfroh gekleidet und hatten Skier und Skist?cke geschultert. Alle m?glichen Nationen waren vertreten. Einige Italiener, ein paar Schweizer, eine Handvoll Franzosen, aber ?berwiegend Deutsche. Er war als einer der ersten Passagiere eingestiegen und hatte sich, um sein Unbehagen zu bek?fen, an eines der vereisten Fenster gestellt. Dreitausend Meter weiter oben zeichnete sich die n?r kommende Zugspitze als Silhouette vor dem stahlblauen Himmel ab; der eindrucksvolle graue Gipfel war mit sp?erbstlichem Schnee bedeckt. Es war nicht klug gewesen, diesem Ort zuzustimmen. Die Gondel setzte ihre schwindelerregende Fahrt fort und kam an einer von mehreren Stahlst?tzen vorbei, die aus den zerkl?fteten Felsen aufragten. Er war entnervt und nicht nur wegen des Gedr?es in der Gondel. Oben auf Deutschlands h?chstem Gipfel erwarteten ihn die Geister der Vergangenheit. Er hatte diese Begegnung seit Jahrzehnten vermieden. Menschen wie er, die ihre Vergangenheit so entschlossen begraben hatten, sollten ihr nicht so mir nichts, dir nichts wieder aus dem Grab helfen. Und doch tat er jetzt genau das. Die Vibrationen h?rten auf, als die Gondel in die Gipfelstation einfuhr und hielt. Die mit Skiern beladenen Fahrg?e str?mten zu einer anderen Bergbahn, die sie weiter abw?s in ein Bergtal bringen w?rde, wo ein Chalet und Skih?e auf sie warteten. Malone fuhr nicht Ski, das hatte er noch nie getan und hatte es auch in Zukunft nicht vor. Das Besucherzentrum war mit einem gelben Schild als M?nchner Haus gekennzeichnet. Die eine H?te des Geb?es wurde von einem Restaurant eingenommen, in der anderen befanden sich ein Vortragssaal, ein Imbiss, Andenkenl?n und eine meteorologische Beobachtungsstation. Er schob sich durch die dicken Glast?ren und trat auf eine von einer Br?stung eingefasste Terrasse. Die frische Alpenluft stach ihm in die Lippen. Stephanie Nelle zufolge sollte seine Kontaktperson ihn auf der Aussichtsplattform erwarten. Eines war offensichtlich. Die fast dreitausend H?henmeter verliehen diesem Treffen zweifellos eine zus?liche private Note. Die Zugspitze lag an der Grenze. S?dw?s in Richtung ?terreich erhob sich eine Kette verschneiter Felsgipfel. Im Norden erstreckte sich ein von Felsspitzen umschlossenes Tal. Ein eisiger Nebelschleier verbarg das deutsche St?chen Garmisch mit dem dazugeh?rigen Partenkirchen vor den Blicken. Beide Orte waren Sport-Mekkas, und in der Region waren nicht nur Skifahren, sondern auch Bobschlittenfahren, Eislauf und Eisstockschie?n im Angebot. Weitere Sportarten, die Malone immer gemieden hatte. Die Aussichtsplattform lag verlassen da, abgesehen von einem ?eren Paar und ein paar Skifahrern, die offensichtlich um des sch?nen Ausblicks willen hier Halt machten. Malone war hierhergekommen, um ein Geheimnis zu l?ften, das ihm auf der Seele lag, seit die M?er in Uniform damals gekommen waren, um seine Mutter ?ber den Tod ihres Mannes zu informieren. ?Der Kontakt mit dem Unterseeboot ist vor achtundvierzig Stunden verloren gegangen. Wir haben Such- und Rettungsschiffe in den Nordatlantik geschickt, die die letzte bekannte Position abgesucht haben. Wrackteile wurden vor sechs Stunden gefunden. Wir haben mit der Benachrichtigung der Familien gewartet, bis wir sicher sein konnten, dass es keine ?erlebenden gibt.? Seine Mutter hatte nicht geweint. Das war nicht ihre Art. Aber das bedeutete nicht, dass sie nicht niedergeschmettert war. Es dauerte Jahre, bevor ihm als Jugendlichem die ersten Fragen kamen. Die Regierung bot ihnen praktisch keine Erkl?ng an, die ?ber die offiziellen Verlautbarungen hinausging. Als er bei der Marine anfing, hatte er versucht, Zugang zum Bericht der mit dem Untergang des U-Bootes befassten Untersuchungskommission zu bekommen, hatte aber erfahren m?ssen, dass dieser streng geheim war. Sp?r, als Agent des Justizministeriums, der auch vertrauliche Dokumente einsehen konnte, hatte er es erneut versucht. Wieder ohne Erfolg. Als Gary, sein f?nfzehnj?iger Sohn, in diesem Sommer zu Besuch gekommen war, hatte Malone sich mit neuen Fragen konfrontiert gesehen. Gary hatte mehr ?ber seinen Gro?ater erfahren wollen und hatte sich besonders f?r dessen Tod interessiert. Die Presse hatte ?ber den Untergang der USS Blazek im November 1971 berichtet, und so hatten sie viele der alten Artikel im Internet nachgelesen. Ihre Unterhaltungen hatten seine alten Zweifel wieder aufleben lassen - und zwar so stark, dass er schlie?ich beschlossen hatte, etwas zu unternehmen. Er steckte die geballten F?te in die Taschen seines Parkas und ging ?ber die Aussichtsterrasse. Bei der Br?stung waren Teleskope aufgestellt. Vor einem davon stand eine Frau, deren dunkles Haar zu einem wenig vorteilhaften Knoten aufgesteckt war. Sie war in ein knalligesOutfit gekleidet, hatte Skier und Skist?cke neben sich abgestellt und betrachtete das tiefer gelegene Tal.Er ging unauff?ig hin?ber. Eine Regel hatte er schon vor langer Zeit gelernt: nie etwas ?berst?rzen. Das brachte nur ?ger.?Eine eindrucksvolle Aussicht?, sagte er.Sie drehte sich um. ?Unbedingt.?Ihr Teint war zimtbraun, was in Verbindung mit den, wie er fand, ?ptischen Z?gen um Mund, Nase und Augen auf Vorfahren aus dem Nahen Osten schlie?n lie??Ich bin Cotton Malone.??Woher wussten Sie, dass ich diejenige bin, die Sie treffen sollen??Er deutete auf den braunen Umschlag, der auf dem Sockel des Teleskops lag. ?Offensichtlich ist das keine besonders dringliche Mission.? Er l?elte. ?Sind Sie einfach nur eine Botin???Etwas in der Art. Ich bin zum Skilaufen hergekommen. Eine Woche Urlaub, endlich einmal. Das wollte ich immer schon mal machen. Stephanie bat mich, das hier?, sie zeigte auf den Umschlag, ?mitzunehmen.? Die Frau wandte sich wieder dem Teleskop zu. ?Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich hier noch zu Ende schaue? Es hat mich einen Euro gekostet, und ich m?chte sehen, was dort unten liegt.?Sie drehte das Teleskop und betrachtete das deutsche Tal, das sich unten ?ber Kilometer hinzog.?Haben Sie einen Namen??, fragte Malone.?Jessica?, sagte sie, das Auge immer noch ans Okular geheftet.Er griff nach dem Umschlag.Sie verhinderte den Zugriff mit dem Schuh. ?Noch nicht. Stephanie sagte, ich solle Sie eindringlich darauf hinweisen, dass Sie beide damit quitt sind.?Letztes Jahr hatte er seiner ehemaligen Chefin in Frankreich aus der Patsche geholfen. Zu dem Zeitpunkt hatte sie ihm gesagt, dass sie ihm einen Gefallen schulde und dass er sich dessen klug bedienen solle.Das hatte er getan.?Einverstanden. Die Schuld ist beglichen.?Sie wandte sich vom Teleskop ab. Vom Wind waren ihre Wangen ger?tet. ?Ich habe im Magellan Billet von Ihnen geh?rt. Sie sind so eine Art Legende. Einer der urspr?nglichen zw?lf Agenten.??Mir war gar nicht bewusst, dass ich so beliebt bin.??Stephanie sagte, dass Sie auch bescheiden w?n.?Er war nicht in der Stimmung f?r Komplimente. Die Vergangenheit erwartete ihn. ?K?nnte ich die Unterlagen jetzt haben??Ihre Augen funkelten. ?Klar.?Er nahm den Umschlag an sich. Der erste Gedanke, der ihm durch den Kopf zuckte, war die ?erlegung, wie etwas so D?nnes so viele Fragen beantworten konnte.?Das muss wichtig sein?, sagte Jessica.Noch eine Lektion, die er gelernt hat. ?ergehe Fragen, die du nicht beantworten m?chtest. ?Sind Sie schon lange beim Billet???Seit ein paar Jahren.? Sie trat vom Teleskopsockel herunter. ?Aber es gef?t mir nicht. Ich denke ?bers Aussteigen nach. Wie ich h?rte, sind auch Sie vorzeitig ausgestiegen.?So sorglos, wie sie sich verhielt, erschien die K?ndigung ihm als ein guter Karriereschritt. W?end seiner zw?lf Jahre beim Billet hatte er nur drei Mal Urlaub gemacht, und w?end dieser Zeit war er st?ig auf der Hut gewesen. Paranoia war eine der Berufskrankheiten des Agenten, und nach zwei Jahren freiwilligen R?ckzugs aus diesem Leben war er noch immer nicht geheilt.?Viel Spa?beim Skifahren?, w?nschte er Jessica.Morgen w?rde er nach Kopenhagen zur?ckfliegen. Heutewollte er noch in der Gegend bleiben und bei ein paar L?n f?r seltene B?cher vorbeischauen - eine Berufskrankheit seines neuen Bet?gungsfeldes. Er war Buchantiquar. Mit einem w?tenden Blick griff sie nach ihren Skiern und St?cken. ?Das habe ich auch vor.? Sie verlie?n die Terrasse und gingen durch das beinahe menschenleere Besucherzentrum. Jessica wandte sich dem Lift zu, der sie ins Bergtal bringen w?rde. Malone kehrte zur Seilbahn zur?ck, die ihn dreitausend Meter tiefer am Fu?des Berges absetzen sollte. Er trat in die leere Gondel, den Umschlag in der Hand. Es gefiel ihm, dass au?r ihm keiner in der Gondel war. Doch unmittelbar bevor die T?r sich schloss, eilten ein Mann und eine Frau Hand in Hand herein. Der Seilbahnwart schlug die T?r von au?n zu, und die Gondel glitt langsam von der Station weg. Malone sah aus den vorderen Fenstern. Eingeschlossensein war schon schlimm genug. Aber in einem engen Raum eingeschlossen zu sein, das war noch schlimmer. Er litt nicht an Klaustrophobie, nein, es ging eher um ein Gef?hl verwehrter Freiheit. Er hatte das bisher schon oft genug ertragen - mehr als einmal hatte er sich unter der Erde befunden -, aber sein Unbehagen war einer der Gr?nde, aus denen er sich vor Jahren, als er zur Navy ging, anders als sein Vater nicht f?r U-Boote entschieden hatte. ?Mr. Malone.? Er drehte sich um. Die Frau stand da, eine Pistole in der Hand. ?Ich nehme diesen Umschlag an mich.?Baltimore, Maryland 09.10 UhrAdmiral Langford C. Ramsey sprach ausgesprochen gerne zu Menschenmengen. Dass er diese Erfahrung genoss, hatte er zum ersten Mal in der Marineakademie bemerkt, und im Laufe seiner ?ber vierzigj?igen Karriere hatte er st?ig nach M?glichkeiten gesucht, diesem Vergn?gen nachzugehen. Heute sprach er zur nationalen Versammlung des Kiwanis-Clubs - was f?r den Chef des Nachrichtendiensts der Marine ein bisschen ungew?hnlich war. Er lebte normalerweise in einer geheimen Welt aus Fakten, Ger?chten und Spekulationen, und ?ber einen gelegentlichen Auftritt vor dem Kongress gingen seine M?glichkeiten zur ?ffentlichen Rede sonst nicht hinaus. Doch in j?ngster Zeit war er mit dem Segen seiner Vorgesetzten verf?gbarer geworden. Er sprach honorarfrei und es gab keine Restriktionen f?r die Presse. Je gr??r die Zuh?rerschaft, desto besser. Und viele hatten zugegriffen. Dies hier war sein achter Auftritt in diesem Monat. ?Ich bin heute gekommen, um Ihnen von etwas zu erz?en, wor?ber Sie mit Sicherheit wenig wissen. Es war lange Zeit geheim. Amerikas kleinstes atomgetriebenes Unterseeboot.? Er sah in die aufmerksame Menge. ?Jetzt fragen Sie sich bestimmt: Spinnt der? Der Chef des Nachrichtendienstes der Marine will uns von einem streng geheimen U-Boot erz?en?? Er nickte. ?Genau das habe ich vor.?